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Jeden Freitag versammeln sich auch in Berlin Schüler zum Klimastreik - animiert von der Umweltaktivistin Greta Thunberg
© imago/IPON

Kampf gegen Klimawandel: Weniger fliegen - wie eine Schülerin ihre Schule zum Umdenken animierte

Die Schulkonferenz des Lichterfelder Goethe-Gymnasiums hat sich auf Schülerinitiative strenge Regeln für Flugreisen gegeben

Dieses letzte Gremium, das sie und ihre Mitstreiter überzeugen mussten, war das wichtigste und hochrangigste. Lina, ein 16-jähriges Mädchen des Goethe-Gymnasiums in Lichterfelde ist nervös, als sie kurz vor den Winterferien den Raum betritt, in dem die Schulkonferenz tagt. Es geht nicht gerade um eine besonders populäre Sache, die sie hier einzubringen gedenkt, es geht vielmehr um Verzicht und um die Frage, warum weniger mehr wäre. Aber irgendwie geht es auch ums Große und Ganze: Um den Kampf gegen den Klimawandel.

Ein paar Tage zuvor war der Name Lina bereits in einer kleinen Themenausgabe des Tagesspiegels zum Klimawandel aufgetaucht. In einem der Texte ging es um die psychologischen Barrieren und die Ängste, die die Menschen daran hindern, besonders bedrohliche und gefährliche Entwicklungen anzunehmen und gegenzusteuern. Das ist vor allem dann so, wenn diese Gefahren sie nicht direkt in ihrer Lebenssituation betreffen.

Lina hatte dem Reporter ein anschauliches Beispiel dazu geliefert. Sie hatte darüber berichtet, dass ihre Schule zwar seit 15 Jahren an dem Projekt Umweltschule in Europa teilnimmt und seit 2012 jährlich das Gütesiegel „Berliner Klima Schule“ erhält, das konkrete Verhalten im Alltag der Schule aber nicht zum schönen Schein passe. Insbesondere störte Lina, dass viele Kurse ihre Kursreisen mit dem Flugzeug machen, anstatt andere, klimafreundlichere Möglichkeiten zu suchen.

Als Linas Chemie- und Informatikkurs beschließt, die eigene Fahrt per Flugzeug nach Kroatien zu machen, wird es plötzlich auch sehr persönlich für Lina. Und sie entscheidet: Ich bleibe hier! Manche ihrer Klassenkameradinnen fragen sie, ob sie keinen Spaß wolle, Lina erwidert: „Na klar!“ Mehr sagt sie nicht, es erscheint ihr zunächst aussichtslos zu erklären, dass es nicht immer Spaß machen könne, nach eigenen Überzeugungen zu handeln. Aber sie fragt sich auch: Wäre es vielleicht möglich, eine ganze Schule vom eigenen Tun zu überzeugen?

Sie hat Unterstützung, ja Vorbilder: Da ist Greta Thunberg, die junge schwedische Umweltaktivistin, da sind aber auch ihre Eltern, die Lina ein bestimmtes Umweltverhalten vorgelebt haben. Ohnehin ist der Klimawandel als Thema sehr komplex. Es ist schwierig, einen eigenen Weg zu finden zwischen Spaß und Verantwortung; noch komplizierter ist es, mit dem eigenen Tun konkrete, positive und sichtbare Effekte zu erzielen.

Scheuen Lehrer politische Diskussionen?

Eines ist Lina aber schon mal klar: Alleine kommt man nicht weit. Es ist also praktisch, dass sie auch zur Umweltgruppe ihrer Schule gehört, die wiederum von einem engagierten und den Schülern zugewandten Lehrer geleitet wird. Einer, der es auch wagt, jenseits des Lehrplans aktuelle Themen anzusprechen und zu diskutieren. Auch das ist etwas, was, wie Lina sagt, „viel zu selten“ passiere. Das wiederum hört man auch von anderen Schulen. Ein Schüler, 14 Jahre, 9. Klasse, eines Gymnasiums in Zehlendorf sagt: „Egal, ob Trump, Brexit oder der Anschlag am Breitscheidplatz, wir haben darüber nie diskutiert. Höchstens im Ethikunterricht.“ Die Antwort der Lehrer sei meist: „Dann schaffen wir den Stoff nicht.“ Lina sagt: „Viele Lehrer scheuen sich, ihre eigene Meinung einzubringen, auch aus Sorge, weil Schule politisch ja keinen Einfluss nehmen darf.“

Neue Kriterien für Kursreisen per Flugzeug

Linas Klima-AG-Leute sind sich schnell einig, sie unterstützen das Vorhaben, und so schreibt sie einen Antrag, den sie wiederum in die Schülerversammlung (SV) zur Abstimmung einbringt. In dem Schreiben geht es darum, die Lehrer zu verpflichten, bei geplanten Flugreisen einen Antrag bei der Schulleitung zu stellen, die diesen nach bestimmten Kriterien prüfen solle. Diese Kriterien, so der Plan, soll die Schulkonferenz verabschieden. Dazu gehören zwei wichtige Punkte: Es muss einen inhaltlichen Bezug von Reiseziel und Unterrichtsinhalt geben, und es muss dargelegt werden, warum alternative Verbindungen ohne Flugzeug nicht praktikabel sind. Wörtlich heißt es: „Flugreisen wären…nicht verboten, sondern mit einem für unseren Status als Klimaschule angemessenen Beantragungs- und Prüfungsaufwand verbunden.“ Zudem solle erreicht werden, dass überhaupt über Reiseziel und Transportmittel diskutiert werde.

Die Schülerversammlung winkt den Antrag mit Mehrheit durch, Lina sagt im Rückblick: „Da war ich selbst überrascht, dass so wenige Gegenargumente kamen.“ Noch vor der Abstimmung in der Schulkonferenz, beschließt auch ihr Chemie- und Informatikkurs mit der Bahn zu fahren. Dann kommt der Tag, an dem der Antrag, nun von Klima-AG und Schülerversammlung gemeinsam gestellt, verbindlich abgestimmt wird. Am Ende befürwortet die Konferenz die neuen Kriterien. Lina findet: „Es war sehr konstruktiv.“ Ihr Lehrer aus der Umwelt-AG sagt: „Das ist mal gelebte Demokratie.“ Und, gewiss, eine Lehre fürs Leben.

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Armin Lehmann

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