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Respekt-Tandem. Rabbiner Elias Dray und Imam Ender Cetin (r.) besuchten am Montag die Friedenauer Gemeinschaftsschule.
© Britta Pedersen/dpa

Berliner Schulen: Stark werden gegen Antisemitismus

Eine neue Handreichung und mehr Geld für Projekte: Bildungssenatorin Sandra Scheeres stellt Maßnahmen gegen Judenhass vor.

Darf ich als Muslim in einer Kirche beten? Was ist schlimmer: Lügen oder nicht fasten? Können Muslime, Christen und und Juden miteinander befreundet sein?*

Schüler mögen solche Fragen, haben Ender Cetin und Elias Dray festgestellt. Wenn der Imam und der Rabbiner im Team in Schulen auftreten, haben sie ihre „Quizfragen“, wie sie es vergnügt nennen, immer dabei.

So war es auch am Montag in der Friedenauer Gemeinschaftsschule, als die beiden Geistlichen wieder mal in einer Runde mit Schülern zusammensaßen, um für den Respekt für andere Glaubensrichtungen zu werben: Die Heranwachsenden aus Deutschland und Syrien, oftmals Muslime, tauen auf bei solchen Fragen, berichten von eigenen Erfahrungen und lassen dabei ihre Augen nicht von Cetin und Dray, die demonstrativ ihre Verbundenheit zeigen.

„Meet2respect“ heißt der Ansatz, der seit 2014 vom gleichnamigen Projekt betreut wird. Rund 160 Besuche an 40 Schulen wurden schon absolviert. Immer geht es darum, über den direkten Kontakt Vorurteile zu hinterfragen und so leichter abzubauen. Anlass war der Angriff auf den Rabbiner Daniel Alter.

Gerade erst wurde das Projekt mit dem „Jewish-Muslim Solidarity Award“ der Stiftung Erinnern, Verantwortung, Zukunft ausgezeichnet. Am Montag fand ein weiterer Termin unter den Augen der Medien statt, weil Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) einen Überblick geben wollte über die vielen Aktivitäten gegen Antisemitismus, die ihre Verwaltung inzwischen unterstützt.

Mehr Geld im nächsten Haushalt

Und es gab Neuigkeiten zu verkünden: Der Haushaltsposten, aus dem Projekte wie „Meet2respect“ finanziert werden, wächst von sieben auf über 8,8 Millionen Euro, sofern das Parlament am Donnerstag zustimmt. Das bedeutet, dass auch die Projekte gegen Antisemitismus profitieren – für Scheeres ein willkommener Anlass, die Friedenauer Gemeinschaftsschule zu besuchen, in der vor knapp drei Jahren ein jüdischer Schüler über lange Zeit hinweg derart von muslimischen Mitschülern gemobbt und attackiert worden war, dass er die Schule verließ.

Der Ort war auch deshalb bewusst gewählt, weil die Schule unter ihrem Leiter Uwe Runkel – nach einer strittigen Anlaufphase – aktiv in die Auseinandersetzung mit ihrem Antisemitismusproblem gegangen ist. Dazu gehört nicht nur, dass Projekte wie „Meet2respect“ willkommen sind, sondern auch, dass der Großvater des damals betroffenen Jungen als Zeitzeuge in die Schule eingeladen wird, um mit den Schülern zu sprechen – darüber, wie er vor den Nazis versteckt und somit gerettet wurde.

Auch Lektüretipps gegen Antisemitismus

Wie wichtig dieser sogenannte biografische Ansatz ist, können Lehrer auch in einer neuen Broschüre nachlesen, die soeben vom Anne-Frank-Zentrum fertiggestellt wurde und in wenigen Tagen im Netz stehen soll, wie Direktor Patrick Siegele ankündigte. Die Handreichung wendet sich an Grundschulpädagogen und soll ihnen die Thematisierung von Antisemitismus und Holocaust im Unterricht erleichtern, wobei der Einstieg in das Thema über den Alltag von heutigen Juden in Berlin geht. Zudem enthält die Broschüre Lektüretipps, darunter das hochgelobte Buch „Susi, die Enkelin aus Haus Nummer 4“, das die Berliner Lehrerin Birgitta Behr geschrieben hat.

Birgitta Behr hat "Susi, die Enkelin von Haus Nr. 4", geschrieben und die Ausstellung in der Villa Oppenheim geschaffen.
Birgitta Behr hat "Susi, die Enkelin von Haus Nr. 4", geschrieben und die Ausstellung in der Villa Oppenheim geschaffen.
© Thilo Rückeis

Auf den ersten Blick scheint es überflüssig, das Thema Antisemitismus bereits in der Grundschule zu bearbeiten: Von 80 antisemitischen Vorfällen in Berliner Bildungseinrichtungen seit 2015 ereigneten sich laut Bildungsverwaltung nur fünf an Grundschulen - darunter an der Paul-Simmel-Grundschule - , aber 40 an Oberschulen, der Rest an Universitäten und Berufsschulen. Dass das Augenmerk jetzt dennoch auf die Grundschulen gerichtet ist, ist vor allem der Prävention geschuldet: Die Experten möchten die Schüler früh mit dem Thema konfrontieren, um sie besser für das, was ihnen – oftmals in den eigenen Familien – an Antisemitismus begegnet, zu wappnen. Die Broschüre erläutert daher auch verschiedene Formen der Judenfeindlichkeit, darunter der israelbezogene Antisemitismus, der in muslimischen Communities, aber auch unter manchen Linken verbreitet ist.

Viele Ansätze: Die Lehrer können wählen

Die Angebote für Lehrer und Schüler sind in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet worden. So lädt die Initiative „Gesicht zeigen“ Schulklassen in ihren Lernort am S-Bahnhof Bellevue: „Wir fragen die Lehrer, was sie für ihre Klassen brauchen“, beschreibt Geschäftsführerin Rebecca Weis den Ansatz. Dann bereiten sich die Mitarbeiter entsprechend auf den Besuch vor. Dabei kann es um Mobbing gehen, um einen Einstieg in die NS-Geschichte oder um die Frage: „Wie können wir zusammen leben?“, umreißt Weis’ Kollege Jan Krebs die Möglichkeiten.

Aber nicht nur die Vertreter von „Gesicht zeigen“ sind am Montag in die Friedenauer Schule gekommen, um ihre Arbeit vorzustellen, sondern auch das American Jewish Committee, das den Lehrern Unterrichtsbausteine zum Thema „Salafismus und Antisemitismus“ anbietet, sowie die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA).

„Wir müssen feststellen, dass wir die jahrzehntelange pädagogische Bemühung, junge Menschen gemäß dem Schulgesetz gegen das nationalsozialistische Weltbild zu immunisieren, noch einmal wesentlich intensivieren müssen“, lautet Scheeres’ nüchterne Bilanz.

Die Schulbesuche von Imam Ender Cetin (l.) und dem Rabbiner Elias Dray gehören zum breiten Angebot von Antisemitismusprojekten.
Die Schulbesuche von Imam Ender Cetin (l.) und dem Rabbiner Elias Dray gehören zum breiten Angebot von Antisemitismusprojekten.
© Susanne Vieth-Entus

Beratung holen von freien Trägern

  • MEET2RESPECT: Schulen, die sich für einen Besuch eines Iman-Rabbiner-Tandems interessieren, wenden sich an info@meet2respect.de. Mehr unter: meet2respect.de
  • ANNE-FRANK-ZENTRUM: Das Anne-Frank-Zentrum bietet zur Ausstellung „Alles über Anne“ pädagogische Programme. Rosenthaler Str. 39, Mitte. Mit der Bildungsverwaltung hat das Anne-Frank-Zentrum eine Broschüre zum Umgang mit Antisemitismus in der Grundschule herausgegeben. Kontakt: zentrum@annefrank.de.
  • GESICHT ZEIGEN: Im Lernort „7xjung“ des Vereins „Gesicht zeigen!“ können Schüler Workshops absolvieren. 7xjung.de
  • KIGA: Die „Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus“ bietet Workshops und Beratung an. kiga-berlin.org

*Hier noch die Antworten des Imam:

Darf ich als Muslim in einer Kirche beten? Ja, aber nicht vor einem Kreuz oder Bild.

Was ist schlimmer: Lügen oder nicht fasten? Lügen!

Können Muslime, Christen und Juden miteinander befreundet sein? Klar.

Weitere Informationen zu Angeboten der Anti-Gewalt-Prävention der Bildungsverwaltung gibt es HIER.

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