Sophie-Scholl-Schule in Berlin-Schöneberg: Sie wollen ihren Schulleiter kaum gehen lassen
Klaus Brunswicker, langjähriger Direktor der Schöneberger Sophie-Scholl-Schule, geht in Pension. Schüler, Eltern und Kollegen sind sich einig: Das ist ein großer Verlust.
Schwer zu sagen, wann ein Schulleiter in Berlin jemals mit so viel Zuneigung bedacht wurde. Egal, wen man in diesen Wochen an der Sophie-Scholl-Schule auf die nahe Verabschiedung von Klaus Brunswicker anspricht: Es ist nie mit der fachlichen Würdigung getan. Ob Schüler, Eltern, Lehrer oder die Schulsekretärinnen – sie alle haben das Bedürfnis, mehr zu sagen über ihren Direktor. Und wenn man ihnen dann zuhört, merkt man schnell, dass da eine große Gemeinschaft zusammengefunden hat, die ihren Leiter ungern gehen lässt.
Aber wenn schon Schluss sein muss, dann wenigstens mit allem Drum und Dran. Die Elternschaft der Schöneberger Sekundarschule hatte schon im Mai ein Podiumsgespräch mit Brunswicker organisiert, und am Freitag haben Lehrer und Schüler ein großes Fest auf die Beine gestellt. Warum das alles?
„Er nimmt immer von allen das Beste an, er kanzelt niemanden ab, ist weder zynisch noch autoritär, sondern souverän, unaufgeregt und großmütig“, versucht Kristina Tendel eine Antwort auf die Frage, was sie an ihrem Schulleiter so schätzt. Außerdem habe er eine „klare Vorstellung, wie man seine Pflichten zu erfüllen hat“, findet Tendel, die seit vielen Jahren Lehrerin an der Schule ist. „Er zeigt uns, dass wir Teil eines Ganzen sind“, sagt Zwölftklässler Niels. Seiner Klasssenkameradin Victoria fällt als erstes ein, dass Brunswicker sich jeden Monat mit der Schülervertretung getroffen hat, „und wenn es ein Nein gab für ein Vorhaben der Schüler, dann hat er versucht, das Nein zu erklären und einen Ausweg zu suchen“.
Keine andere Berliner Schule ist schon derart lange so stark nachgefragt wie die Sophie-Scholl- Schule, die mit ihrem Abiturschnitt von 2,2 in diesem Jahr einen Großteil der Gymnasien hinter sich gelassen hat. „Es ist Klaus Brunswicker gelungen, einen gemeinsamen pädagogischen Geist an der Schule zu etablieren“, nennt Gesamtelternsprecher Andreas Hilliger als ein Geheimnis des Erfolgs.
Aber wie macht man das? Angefangen hat alles damit, dass der Apothekersohn aus Iserlohn gar nicht Lehrer werden wollte, sondern in Berlin ohne klares Berufsziel Politik und Geschichte studiert hat. Erst durch Praktika wurde ihm klar, dass der Beruf zu ihm passte.
Eine Etappe auf dem Weg war Jugendarbeit im Umfeld der Rütli-Schule, die schon in den siebziger Jahren kein leichtes Pflaster, sondern von türkisch-arabischen Revierkämpfen geprägt war. Nach einem Referendariat am Dreilinden-Gymnasium kam er zur Sophie-Scholl-Schule. Die hatte schon damals einen exzellenten Ruf, war als einzige Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe im Bezirk großzügig mit Werkstätten, einer Küche und vielen Lehrerzimmern ausgebaut worden, führte früh die Integration von Förderkindern ein – und blickte auf eine lange Tradition als Gymnasium zurück. Hier war Brunswicker 21 Jahre lang Lehrer, bevor ihn das Kollegium 2000 mit großer Mehrheit zum Leiter wählte. Seither hat Brunswicker gelernt, 1100 Schüler und 170 Pädagogen zusammenzuhalten .
Brunswickers Qualitäten sind schon lange kein Geheimnis mehr. Die Senatsbildungsverwaltung hat ihn in Arbeitsgruppen berufen und seinen Rat geschätzt, und sie hat seiner Schule zugetraut, eigene Konzepte umzusetzen. Zusammen mit der Martin-Buber-Schule hat Brunswicker ein eigenes, kompliziertes Auswahlverfahren durchgesetzt, das auf Profilklassen beruht und ohne Losverfahren auskommt. Er hat angehende Schulleiter gecoacht, und im Rahmen des „Turnaround“-Programms der Robert- Bosch-Stiftung berät er eine Brennpunktschule. Und während an seiner Schule dieses Jahr 120 Schüler ihr Abitur ablegten, hatte Brunswicker nebenbei auch noch den Abiturvorsitz an der Katholischen Franziskus-Schule in der Nachbarschaft und an der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli in Neukölln, wo sich dann der Kreis schloss zu seiner Jugendarbeit im Umfeld der Rütlischule.
„Ich bin ein glücklicher Schulleiter“, beschreibt der 64-jährige Brunswicker seinen Allgemeinzustand, der sich Ende August mit der Pensionierung so gravierend ändern wird. Aber man hat nicht den Eindruck, dass es ihm schwerfällt. Dazu trägt sicher bei, das schon seit Monaten seine Nachfolgerin Juliane Westphal die Geschäft mit ihm führt und genau weiß, wie die Schule „tickt“.
Und wie geht es weiter? Brunswicker wird beim Brennpunktprogramm „Turnaround“ weiter mitwirken und macht sich Gedanken darüber, wie man Schulen ohne eigene gymnasiale Oberstufe helfen könnte, gegen die soziale Entmischung anzuarbeiten. Einen Vorschlag hat er bereits im Köcher: Ihm schwebt vor, allen Sekundarschulen eine elfte Klasse anzugliedern. Damit wäre es möglich, von der Sekundarschule aus auch auf ein Gymnasium direkt zu wechseln. Brunswicker glaubt, dass es dann auch für jene Eltern, die für ihr Kind eine Abiturperspektive suchen, leichter wäre, es an eine Sekundarschule ohne Oberstufe zu geben. Mal sehen, ob das den Senat überzeugt.
Susanne Vieth-Entus