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Ein leerer Stuhl in einem Klassenzimmer.
© picture alliance / dpa

Berliner Schulen: Schwänzen fängt mit Träumen an

Was hilft gegen Schuldistanz? Ein neuer Leitfaden der Senatsverwaltung setzt auf frühes Eingreifen. Tipps für Lehrer und Eltern.

Ein Mädchen kommt nicht zur Schule. Die Mutter wird vom Lehrer einbestellt und erzählt eine dramatische Geschichte: Ihr erwachsener Sohn greift die alleinerziehende Mutter immer wieder gewalttätig an, und die Tochter traut sich nicht, die Mutter allein zu lassen. Eine Geschichte aus dem Berliner Schulalltag. Detlef Pawollek, Leiter der Neuköllner Röntgenschule erzählt sie und er fragt: „Wie soll man da als Lehrer eingreifen?“ Die Schule habe eine wichtige Rolle, aber allein mit pädagogischen Mitteln komme man beim Thema Schulschwänzer nicht weiter, sagt er. Da braucht es das Zusammenwirken von verschiedenen Akteuren – Jugendhilfe, Schulsozialarbeit, Lehrer, Beratungsstellen für Familien. Und bei der Kooperation der Institutionen müsse noch viel verbessert werden.

Pawollek engagiert sich seit Langem gegen das Schwänzen: an seiner Schule, aber auch in der AG Schuldistanz, die Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) eingerichtet hat. Fachleute aus Schulen, Jugendhilfe und Behörden arbeiten dort zusammen, jetzt haben sie eine neue Handreichung für Lehrer, Sozialarbeiter und Eltern erstellt.

Stören, zu spät kommen: das sind Anzeichen

Herzstück des neuen Leitfadens ist ein Handlungsplan, in dem Schritt für Schritt erklärt wird, was zu tun ist. Übersichtlich auf einem DIN A-3-Plakat, das man im Lehrerzimmer aufhängen kann.

Schuldistanz fängt damit an, dass der Schüler spürbar den Unterricht vermeidet. Er wirkt abwesend, träumt oder stört. Der Klassenlehrer sollte bereits zu diesem Zeitpunkt das Gespräch mit dem Schüler suchen und auch die Eltern ansprechen.

Wenn der Schüler oft zu spät kommt, Stunden ausfallen lässt, ganz weg bleibt oder den Ausschluss vom Unterricht provoziert, sollten Lehrer weitere Personen und Institutionen einschalten: beim Jugendamt anfragen, ob die Familie bekannt ist. Sich mit Kollegen und Sozialarbeitern beraten. Die Eltern einbestellen. Eine Schulversäumnisanzeige geht ans Schulamt, die Schulpsychologie wird eingeschaltet. Gegen die Eltern kann eine Geldbuße von bis zu 2500 Euro verhängt werden.

Auch für Eltern gibt es Tipps. Zuerst sollten sie mit ihrem Kind sprechen: Wie geht es ihm in der Schule? Warum stört es im Unterricht? Ist es über- oder unterfordert? Wird es gemobbt? Kann man offen über Sorgen und Ängste sprechen, können die Familien vielleicht auch gemeinsam Lösungen finden. Möglicherweise hilft es, Sohn oder Tochter ein paar Mal selbst zur Schule zu bringen oder Mitschüler zu finden, die den Weg gemeinsam gehen. Rat und Hilfe finden Eltern beim Klassenlehrer und bei den schulpsychologischen Beratungszentren.

„Der Schulbesuch ist Pflicht, und das ist für uns nicht verhandelbar“, sagt Senatorin Sandra Scheeres. Diese Haltung sollten auch Eltern ihren Kindern gegenüber einnehmen.

Weniger Langzeitschwänzer

Seit 2014 gelten in Berlin strengere Regeln: Eltern werden gleich am ersten Fehltag informiert und bereits nach fünf unentschuldigten Fehltagen gibt es eine Schulversäumnisanzeige. Offenbar zeigen diese Maßnahmen Wirkung. Zwar ist die Schwänzerquote insgesamt nur leicht gesunken (wir berichteten). Die Zahl der Schüler, die mehr als 20 Fehltage ohne Entschuldigung vorweisen, ist aber um rund 400 gesunken, auf 1200 Schüler im Jahr 2014/15. In dieser Zahl sind nur Schüler der Klassen 7 bis 10 erfasst. Künftig werden auch die Fehlzeiten in den Klassen 5 und 6 statistisch erfasst.

Von einem einheitlichen Vorgehen der Behörden und Bezirke, wie es sich etwa Schulleiter Pawollek wünscht, ist Berlin noch weit entfernt. Während es beispielsweise in Mitte 136 Bußgeldbescheide bei knapp 1000 Schulversäumnisanzeigen gab, wurde in Friedrichshain-Kreuzberg bei rund 200 Anzeigen kein einziges Bußgeld verhängt. Sylvia Vogt

Adressen der schulpsychologischen Beratungszentren unter www.berlin.de/sen/bildung/hilfe_und_praevention/schulpsychologie

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