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Warum und wohin? Schulleiter Klaus Schäfer vor Baubeginn auf der Treppe in der Luise-Henriette-Schule in Tempelhof.
© Davids/Sven Darmer

Luise-Henriette-Gymnasium in Tempelhof: Die 20-Millionen-Euro-Schule

Während viele Schulen marode sind, wird das Luise-Henriette-Gymnasium in Tempelhof aufwendig saniert – mit Geld vom Land.

Unter einem altehrwürdigen Wasserspender aus Stein ist die Vergangenheit von einer Staubschicht überzogen. In einer Glasvitrine steht das Modell der Luise-Henriette-Schule, in dem Zustand, wie sie vor 120 Jahren an der Tempelhofer Germaniastraße gebaut wurde. Ein grüner Streifen zieht sich an der Modell-Straße entlang. „Hier, sie hatte damals sogar einen Laubengang“, sagt Klaus Schäfer, der Leiter des Gymnasiums. Das Modell steht in einem riesigen Flur, dem Aufenthaltsbereich der Sekundarstufe II, hinter Schäfer brüten vier Schüler über ihren Hausaufgaben.

Zehn Meter weiter beginnt das Elend der Gegenwart. An einer Metalltür klebt die Nachricht: „Baubereich gesperrt, zu den Physikräumen bitte Aufgang 3 nehmen.“ Am Ende von Aufgang 3, im Dachgeschoss, liegen zwei Physikräume, vollgestopft mit allen möglichen Geräten. Die Räume daneben sind staubig und leer, der Putz an der Wand ist in Streifen freigelegt, Elektrokabel baumeln von der Decke. In den Beton hat sich Schwamm gefressen. Die ganze Etage sieht aus wie eine Baustelle. Hier geht nichts mehr.

Die Schule wird ein Vorzeigeprojekt

Genau deshalb wird die Luise-Henriette-Schule bald eine Art Vorzeigeprojekt. Ein Gegenbeispiel zu den Bildern und Berichten über marode Schulturnhallen, heruntergekommene Schulen, verlotterte Toiletten. Das denkmalgeschützte Gymnasium wird vom Sommer an generalsaniert, die Aula aus den 1950er-Jahren abgerissen und durch einen Neubau im ursprünglichen architektonischen Stil ersetzt.

20 Millionen Euro pumpt der Senat in die Sanierung des Gymnasiums, Geld für modernste Klimatechnik im Dachgeschoss, für einen Aufzug, damit die Schule behindertengerecht ausgebaut wird, für großzügige Kunsträume im Dachgeschoss, für den Umzug des Verwaltungstrakts vom ersten Stock ins Erdgeschoss, damit die Verwaltung behindertengerecht erreicht werden kann.

Und dann ist da noch die Herzkammer des Gymnasiums. Das lang gezogene Lehrerzimmer mit seinen 45 Plätzen mit dieser altertümlich-reizvollen Atmosphäre. Der Raum sieht aus, als hätte man hier die „Feuerzangenbowle“ mit Heinz Rühmann gedreht. Dunkle Holzvertäfelung, schmale Schränke mit Schlüsseln, die offenbar schon seit Jahrzehnten in den Schlössern stecken. Hier entsteht die neue Bibliothek mit allen Formen neuer Medien. Natürlich nach Vorgaben der Denkmalschützer. Das gilt nahezu für die ganze Sanierung. „Ein Neubau in altem Gewand“, sagt Schäfer.

20 Millionen Euro, für eine einzige Schule? Während andere Schulen nicht mal Geld für eine anständige Toilettensanierung haben? Ist das nötig? Das ist nötig, sagt Daniel Krüger, CDU-Baustadtrat von Tempelhof-Schöneberg. Er sitzt in einem Besprechungsraum, neben sich eine fast einen Meter lange Grafik mit vielen grünen, blauen und roten Kästchen. Das sind die Bauprojekte des Bezirks. Die Luise-Henriette-Schule hat oberste Priorität. „Es war höchste Not“, sagt Krüger. „Länger hätten wir nicht warten können.“ Experten hatten festgestellt, dass nur noch eine Komplettsanierung sinnvoll ist. Niemand im Bezirk habe den Bedarf angezweifelt. Und wenn schon Sanierung, dann richtig, mit Gefühl für die Betroffenen. „Wir wollen keine Schuhkartons für die Schüler“, sagt Krüger.

Fünf Jahre lang wird gebaut, schätzt der Schulleiter

Er blättert einen Band mit alten Fotos der Schule auf. „Hier, von 1914“, sagt Krüger und zeigt auf den Schulturm. Der ist längst verschwunden, er wird ebenfalls neu gebaut. „Darüber gab es keine politischen Diskussionen“, sagt Krüger, die Arme vor der Brust verschränkt, „der wird ja auch genutzt werden und technische Einrichtungen erhalten.“ Es ist zugleich eine kurze Verteidigungsrede.

Er kennt ja die üblichen Reflexe. „Wenn wir bei der Neiddiskussion anfangen, können wir zumachen. Aber wenn die kommt, stelle ich mich gerne vor eine Elternversammlung und erkläre das.“ Ein Stück weit habe das ja „auch mit Anspruchsdenken zu tun“. Und was das Geld betrifft: Der Bezirk steuert nichts zu den 20 Millionen

das Geld kommt aus Töpfen des Senats. Der Bezirk hätte nicht mal ansatzweise so viel Geld.

Im Dachgeschoss der Luise-Henriette-Schule steht Schäfer neben einem baumelnden Kabel, zeigt auf den Raum, in dem die Klimaanlage eingebaut werden soll, und sagt: „Wir als Schule hatten keine Wünsche geäußert, die nicht erfüllt werden konnten. Wir müssen den Blick für die Realität bewahren.“

Schule will Filialbetrieb verhindern

Viel wichtiger ist ja, wie die Schule den Alltag bewältigt, wenn gehämmert, gesägt und und gebohrt wird. Zwei Bauabschnitte zu je zwei Jahren sind geplant, aber Schäfer winkt bei diesem Zeitplan nur müde ab. „Wir rechnen mit fünf Jahren Bauzeit“, sagt er. Der 64-Jährige selber wird nicht mal den Baubeginn miterleben. Kurz nach dem Rundgang durch die Schule tritt er in Ruhestand.

Größtes Ziel bei der Sanierung ist die Verhinderung „eines Filialbetriebs“. So nennt Schäfer die Situation, wenn viele Schüler außerhalb der Schule unterrichtet werden müssten. Also, keine Ausgliederung, jedenfalls so weit wie möglich. Deshalb lernen derzeit auch nur 640 Schüler an dem Gymnasium, Platz gäbe es eigentlich für 700. Und fürs neue Schuljahr werden nur 96 Schüler aufgenommen, die Zahl der Anmeldungen lag weit höher. „Wir fahren auf eine Dreizügigkeit zurück“, sagt Schäfer, „vier Züge sind eigentlich normal.“

Zudem hat die Schule einen guten Ruf zu verteidigen. Sie hat zwar keinen pädagogischen Schwerpunkt, aber viele Preise „für die Vermittlung von Wirtschaftskenntnissen“ erhalten, sagt Schäfer. Ganz ohne Filialbetrieb wird es trotzdem nicht abgehen. Ein Teil des naturwissenschaftlichen Unterrichts wird in der Schule am Berlinicke-Platz in Alt-Tempelhof, drei Busstationen vom Gymnasium entfernt, stattfinden.

Schäfer hat jetzt bei seinem Rundgang durch die Schule vor einem Fenster Halt gemacht. Vor ihm liegt der Schulhof mit den hohen Bäumen und dem Pavillon für den Musikunterricht. Er zeigt auf ein langgezogenes Gebäude. „Das ist unsere Doppelturnhalle“, sagt er versonnen und macht eine kurze Pause. Dann schiebt er nach: „Sie ist auch schon in die Jahre gekommen.“

Wird sie auch saniert? Da lacht Schäfer kurz und ironisch auf. „Daran“, sagt er mit Blick in den Hof, „wage ich gar nicht zu denken.“

Woher die Schulen Geld für Sanierungen bekommen

Berlins bezirkliche Schulen sowie die vom Land verwalteten Berufs- und Spezialschulen haben einen Sanierungsbedarf von weit über 2,3 Milliarden Euro. Große Projekte wie etwa die Luise-Henriette-Schule können nicht aus den pauschalen Zuweisungen an die Bezirke finanziert werden, sondern benötigen gezielte Investitionen des Landes. Zudem gibt es das 64 Millionen Euro umfassende jährliche Schul- und Sportstätten-Sanierungsprogramm. Es wurde aufgelegt, um die jahrelange Unterfinanzierung der Bezirke auszugleichen. Allerdings reicht auch dieses Geld nicht. Daher kam jetzt einmalig das Sonderprogramm „SIWA“ hinzu. Es bringt den Schulen 85 Millionen. sve

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