Schülerstreik in Steglitz-Zehlendorf: „Das ist eine Form der Vernachlässigung“
Am Mittwoch streikten Schüler aus Protest gegen die maroden Schulen in ihrem Bezirk. Ein Interview mit dem Organisator.
Juri Strauß, vor einem Jahr haben Sie schon einmal einen Schülerstreik wegen der maroden Schulen in Steglitz-Zehlendorf organisiert. Hat sich seitdem etwas verbessert?
Ehrlich gesagt nicht viel. Mir fällt auf Anhieb keine Schule in unserem Bezirk ein, die nicht sanierungsbedürftig ist.
An Ihrer Schule, dem Lilienthal-Gymnasium, war damals wochenlang der Haupteingang gesperrt, die Deckenplatten waren schadstoffbelastet, in den Wasserleitungen der Turnhalle gab es Legionellen. Wie sieht es dort jetzt aus?
Ein bisschen etwas wurde schon gemacht. Der Eingang ist inzwischen wieder begehbar, der wurde provisorisch mit Stützen gesichert. Seit einem Jahr steht das Gerüst jetzt da. Und auch an den Deckenplatten wurde gearbeitet. Was genau, weiß ich aber nicht. Aber es gibt ja noch viel schlimmere Beispiele: Schulen, in denen der Knöterich durch die Wand wächst, in denen der Keller permanent unter Wasser steht oder Gebäudeteile herunterfallen.
Wie fühlt sich das an, wenn man als Schüler in einer maroden Schule lernen muss?
Es ist nicht gerade angenehm. Als der Eingang gesperrt war, wurden wir jeden Tag daran erinnert, dass wir in einem Gebäude lernen, das nicht gut instand gehalten wird. Das ist eine Form der Vernachlässigung. Man hat das Gefühl, dass sich niemand wirklich um die Situation an den Schulen kümmert. Und es fällt schwer, sich mit so einer Schule zu identifizieren.
Gewöhnt man sich mit der Zeit daran?
Ja, irgendwann gewöhnt man sich schon daran. Aber es ist ja eigentlich ein unhaltbarer Zustand. Es gibt in Deutschland eine Schulpflicht und ein Recht auf Bildung. Da sehe ich es als die Pflicht des Staates an, dass der Schulbesuch in einer halbwegs angenehmen Atmosphäre stattfinden kann.
Was fordern Sie?
Wir brauchen einen höheren Stellenwert von Bildung. Wir sind die kommende Generation, und wenn an uns gespart wird, wirkt sich das auch auf die Gesellschaft in den nächsten Jahren aus. Die Schäden an den Schulen müssen schnell behoben werden – das Geld dafür muss einfach da sein! Steglitz-Zehlendorf ist einer der wohlhabendsten Bezirke und hat schätzungsweise den höchsten Sanierungsbedarf, das ist doch nicht tragbar. Die Probleme sind seit Jahren bekannt, aber es wird nicht wirklich daran gearbeitet.
Fühlen Sie sich von den Politikern Ihres Bezirks ernst genommen? Suchen die Stadträte den Dialog mit den Schülern?
Nicht, dass ich wüsste. Ich sehe die Schulstadträtin eigentlich nur im Bezirksschulbeirat. Im letzten Jahr bezeichnete sie unseren Streik als „organisiertes Schwänzen“. Selbst wenn es das ist, macht die Veranstaltung auf Versäumnisse, für die auch die Stadträte verantwortlich sind, aufmerksam.
Am Mittwoch rufen Sie die Schüler aus Steglitz-Zehlendorf zum Streik auf.
Ja, wir nennen es Schulstreik, aber es ist eigentlich eine Demonstration. Wir treffen uns um 10 Uhr am Rathaus Zehlendorf und laufen dann zum Rathaus Steglitz. Dort gibt es zwischen 12 Uhr und 13 Uhr eine Abschlusskundgebung.
Wissen Sie schon, was Sie auf Ihr Transparent schreiben?
Ja, das Gleiche wie im vergangenen Jahr: „Mehr Geld für Bildung“. An unseren Forderungen hat sich nichts geändert, denn sie wurden nicht mal ansatzweise erfüllt.
Das Gespräch führte Sylvia Vogt.
Juri Strauß, 16 Jahre alt, geht aufs Lilienthal-Gymnasium in Lichterfelde. Er macht gerade Abitur und engagiert sich im Bezirksschulbeirat und im Landesschülerausschuss.