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Drei von der Bürgerplattform. Mohammad Abdul Razzaque von der Bilal Moschee, Schulleiterin Katja Rehnitz und Jurist Suat Özkan wollen die Freie Bürgerschule Wedding gründen.
© Thilo Rückeis

Schulgründung geplant: Bildungsaufbruch in Wedding

Ein multikulturelles Bürgerbündnis will eine freie Schule gründen, die allen offen steht. Schulgeld soll es nicht geben, dafür mehr Gerechtigkeit und Chancen auch für Schwächere.

Er könne einfach nicht besser sein als seine deutschen Mitschüler. Mit diesen Worten, erinnert sich Suat Özkan, habe ihm seine Lehrerin in der achten Klasse erklärt, weshalb er im Zeugnis eine Zwei bekam, obwohl er eine Eins verdient hatte. Als Sechsjähriger ist Suat Özkan mit seinen Eltern aus der Türkei nach Berlin gekommen. „Die Lehrer haben mir von der Grundschule bis zur Oberschule gesagt: „Das schaffst du nie.“

Heute trägt Suat Özkan Anzug und Krawatte. „Dr. Özkan“, stellt er sich vor. Er hat Jura studiert, ist selbstständig und betreut Investoren. Außerdem sieht er es als seine Aufgabe, mit seinen Mitstreitern dafür zu sorgen, dass alle Schüler die gleichen Chancen bekommen. Zunächst in Wedding, doch als Vorbild für alle.

Özkan ist Mitglied der Bürgerplattform Wedding/Moabit, in der sich rund 40 Mitgliedsgruppen zusammengeschlossen haben, von Kirchengemeinden und Moscheen über Kulturzentren bis zum SOS-Kinderdorf Moabit. Im kommenden Jahr will die Bürgerplattform eine Oberschule in Wedding gründen: Die Freie Bürgerschule Wedding soll mit zwei siebten Klassen ins Schuljahr 2013/14 starten. Und das völlig ohne Schulgeld, damit alle Kinder Chancen auf einen Platz haben. Spenden und Stiftungen sollen helfen, weitere Finanzierungsmodelle werden entwickelt. In den Klassen sieben bis zehn will man die Schüler auf den reibungslosen Übergang zur weiterführenden Schule oder zur Ausbildung vorbereiten. Am Mittwoch sollen bei einem Aktionstag in Anwesenheit von Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) und Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD) die ersten Weichen gestellt werden.

Die Bürgerplattform kooperiert seit zwei Jahren mit der Ersten Gemeinschaftsschule Berlin Mitte in Moabit. Dort und in der eigenen Freien Bürgerschule wollen die Akteure den Schülern zeigen, dass sie in der Gesellschaft Pflichten und Rechte haben – auch das Recht auf Bildung.

Das Modell der Bürgerplattformen lebt die Theorie vor. Verschiedenste Einrichtungen und Initiativen beteiligen sich gleichberechtigt am Programm. In Wedding und Moabit sind es deutsche, türkische, arabische, asiatische und afrikanische Gruppen. Weil die Mitglieder direkt in die Einrichtungen eingebunden sind, ist die Schwelle in die Bürgerplattform sehr niedrig. Das Modell kam 2002 aus den USA nach Berlin, zunächst nach Schöneweide, 2008 nach Wedding/Moabit und 2012 nach Neukölln.

Mohammad Abdul Razzaque, Vorsitzender der Initiative der Berliner Muslime, ist von Anfang an für die Weddinger Bilal-Moschee dabei gewesen. „In ganz Deutschland wird über Integration gesprochen, wir aber machen Integration“, sagt er. Razzaque engagiert sich für den Programmschwerpunkt Bildung. Viele Bürgerplattformen gründen ihre eigenen Schulen. Das sahen Razzaque und andere ehrenamtliche Mitglieder bei Besuchen in London, New York und Chicago.

Bei der Schulgründung wird die Bürgerplattform von mehreren Partnern beratend unterstützt, wie etwa dem Deutschen Institut für Community Organizing der Katholischen Hochschule für Sozialwesen und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. Suat Özkan ist überzeugt: „Wir werden eine Leuchtturmschule gründen.“

Ob die Eröffnung tatsächlich zum kommenden Schuljahr gelingt, ist unklar. Wegen der Schulträgerschaft beraten sich die Mitglieder der Bürgerplattform momentan über die möglichen Modelle einer Körperschaft. Auch die Finanzierung steht noch nicht fest. Zur Veranstaltung am Mittwoch sind auch Stiftungen eingeladen. Wirtschaftspartner sind ebenfalls potenzielle Geldgeber. Mitglieder der Bürgerplattform können als Mentoren einzelner Schüler wirken und Zukunftsperspektiven aufzeigen, so die Pläne der Initiatoren. „Wir wollen die Jugendlichen vom Hartz-IV-Gedanken wegbringen“, sagt Razzaque.

Dabei orientiert man sich auch an den gemeinsam umgesetzten Projekten in der Ersten Gemeinschaftsschule Berlin Mitte. Katja Rehnitz, kommissarische Schulleiterin, sagt: „Wir nehmen alle Kinder auf und versuchen, das Beste aus ihnen herauszuholen.“ Dazu werden sie besonders im Mathe- und im Deutschunterricht gefördert. Die Fortschritte der Schüler werden genau dokumentiert und wöchentlich den Eltern gezeigt. Zudem wurde die Anzahl der Betriebspraktika erhöht. Es gibt Kooperationen mit Partnereinrichtungen wie etwa der Breuninger-Stiftung zur Förderung lernschwacher Kinder und der Charité für Berufsorientierung und Praktika.

In Mohammad Abdul Razzaques Moschee gibt es bereits viele Interessenten. Suat Özkan sagt: „Wir haben viele Multiplikatoren durch die Einrichtungen, da wird Vertrauen geschaffen.“ Noch ist die Schulanmeldung nicht bei der Senatsverwaltung eingereicht. Derzeit wird am Konzept gefeilt und man ist mit dem Bezirk im Gespräch über ein Schulgebäude. Fest steht: In Wedding soll es losgehen.

Franziska Felber

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