Kein Anschluss in Sicht: Berlins Berufsschulen ohne schnelles Internet
Selbst die größten Oberstufenzentren sind noch ohne schnelles Internet: Senat und IT-Zentrum geben sich gegenseitig die Schuld.
Sie sollen große Kompetenzzentren sein und die Brücke schlagen von der Schule zur Arbeitswelt: An Berlins Berufsschulen hängt die Ausbildung von rund 70.000 Jugendlichen. Darum sollten sie bevorzugt behandelt werden bei der Ausstattung mit schnellem Internetzugang und Ende 2019 den dafür nötigen Breitbandanschluss bekommen. Nun wurde durch eine FDP-Anfrage bekannt: Das Ziel wurde zu 90 Prozent verfehlt. [Die FDP-Anfrage zum Breitbandausbau der Berufsschulen können Sie hier herunterladen.]
„Bisher konnten fünf berufliche Schulen von 44 erfolgreich angebunden werden“, schreibt Bildungsstaatssekretärin Beate Stoffers (SPD) in ihrer aktuellen Antwort an die Abgeordnete Maren Jasper-Winter. Die Fertigstellung des Projektes sei „aktuell in der Durchführung“ und bis zum dritten Quartal 2020 „nach dem aktuellen Ausführungsstand realistisch“.
Kein Wort verliert Stoffers darüber, dass noch vor einem Jahr eine völlig andere Zeitrechnung galt: Damals verkündete die Bildungsverwaltung zum bundesweiten Digitalpakt ganz offiziell per Pressemitteilung, dass „alle beruflichen Schulen“ die schnelle Glasfaseranbindung bis Ende 2019 erhalten sollten. Auf die Frage, warum die Ausbauplänen kaum realisiert wurden, haben die Vertragspartner – das IT-Dienstleistungszentrum des Landes (ITDZ) und die Senatsverwaltung für Bildung – sehr unterschiedliche Antworten.
- Berlins Berufsschulen sollten bevorzugt werden beim Anschluss an das schnelle Internet
- Berlin hat 44 große Berufsschulen - nur fünf haben bisher Breitbandanschluss.
- 25 weitere Berufsschulen sind bei den aktuellen Planungen noch gar nicht berücksichtigt.
- Auch bei den allgemeinbildenden Schulen geht es nicht voran.
So betont das unter Personalmangel leidende ITDZ gegenüber dem Tagesspiegel, dass seine Zusagen unter bestimmten „Prämissen“ erfolgt seien. Dazu gehöre eine „zügige Beauftragung“. Allerdings habe die Bildungsverwaltung den Auftrag erst im Mai 2019 erteilt, obwohl das ITDZ das Angebot schon im Januar abgegeben habe.
Das IT-Zentrum vermisste "Zuarbeit" der Bildungsverwaltung
Zudem habe es an der „schnellen Zuarbeit von grundlegenden Daten“ gemangelt. Dazu zählten Standortdaten wie Adressen, Raumpläne, Ansprechpartner, zudem Grundstückseigentümererklärungen, Angaben über die Anschlüsse, eine Begehung „vor Ort zur Prüfung/Festlegung notwendiger Ertüchtigungsmaßnahmen wie Verkabelung und aktive Netztechnik“.
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Stattdessen habe es Verzögerungen durch eingeschränkte Verfügbarkeit oder fehlende Auskunftsfähigkeit der Ansprechpartner in den Schulen sowie durch „eingeschränkte Kapazitäten bei den Bezirken“ gegeben. Außerdem erwähnt das ITDZ die „Abhängigkeit von Dritten“ – etwa bei Baugenehmigungen.
Scheeres' Behörde wehrt sich gegen den Vorwurf
Die zuständige Abteilung in der Bildungsverwaltung lässt diese Begründung nicht gelten: Seitens der Senatsverwaltung für Bildung habe es „regelmäßig Unterstützungsangebote zu den verschiedensten Fragestellungen“ gegeben, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber dem Tagesspiegel. So habe die Verwaltung „über die Hälfte der Schulen in Eigenverantwortung vorerkundet“ und bei der Genehmigung der Bauanträge geholfen. Somit werde der Verzögerung „aktuell mit allen beteiligten Vertragspartnern gemeinsam entgegengewirkt.“
Auch das ITDZ betont seine Kooperationsbereitschaft: Man werde „selbstverständlich“ die Bildungsverwaltung bei der Umsetzung des Digitalpakts „inklusive der Breitbandanbindung“ unterstützen und sei „aktiv in der Umsetzung“.
Die FDP: Der Rückstand ist "fast peinlich"
Maren Jasper-Winter, die auch FDP-Sprecherin für berufliche Bildung ist, findet es „fast peinlich, wie langsam die Digitalisierung in den Berufsschulen vorankommt“. Angesichts der Verzögerung könne sie „schlicht nicht glauben“, dass es wie angekündigt bis zum dritten Quartal klappen könne, die fast 40 fehlenden großen Berufsschulen an das Breitband anzubinden.
Tatsächlich sind noch hohe Hürden zu überwinden. So berichtet etwa Ronald Rahmig vom Oberstufenzentrum für KFZ-Technik, dass sich der nächste Breitband-Knotenpunkt am Schloss Charlottenburg befinde – rund 500 Meter von seiner Schule entfernt. Ob zur Überwindung dieser Distanz der Bürgersteig aufgebuddelt werden müsse oder es eine Alternative dazu gebe, weiß Rahmig nicht.
Die Odyssee der Berufsschule für Steuern - und Hilfe vom Regierenden
Eine ähnliche Entfernung war zu überwinden, als das Oberstufenzentrum für Logistik, Touristik und Steuern (OSZ Lotis) an das schnelle Internet Anschluss finden sollte: Die Schule war darauf besonders angewiesen, weil die künftigen Steuerfachleute ohne schnelles Netz nicht auskommen können. Jahrelang hatte die Schulleiterin nach eigenen Angaben entsprechende Bittbriefe geschrieben – vergeblich.
Irgendwann kam die RBB-Abendschau, um über das Dilemma zu berichten, und dann gab es noch ein IHK-Frühstück, bei dem die Schulleiterin den Regierenden Bürgermeister, der rund um das OSZ seinen Wahlkreis hat, mit ihrem Problem konfrontierte. Inzwischen gehört das OSZ Lotis zu den fünf Berliner öffentlichen Berufsschulen, die einen Breitbandanschluss haben.
Selbst im "Modellbezirk" tut sich nichts
Noch mehr Geduld brauchen die rund 750 allgemeinbildenden öffentlichen Schulen. Niemand weiß, wie viel Zeit ihre Anbindung noch braucht. Auf die Frage, wie die Behörde im Modellbezirk Neukölln vorangekommen sei, lautete die Antwort, dass „die Erstellung der Vorgehensmodelle gemeinsam mit dem ITDZ noch nicht beendet werden konnte“.
Zum Vergleich: In Hamburg ist der Prozess der Breitbandanbindung der Schulen längst abgeschlossen.
- Bund und Länder geben 2019-2023 5,5 Milliarden Euro für die Digitalisierung der Schulen
- Entsprechend seiner Bevölkerungszahl stehen Berlin daraus 257 Millionen Euro zu.
- Die ersten 38 Millionen Euro sollten 2019 fließen, kündigte die Bildungssenatorin im März 2019 an.
- Bis Februar 2020 waren erst rund eine Million Euro abgerufen worden.
- Für die Beruflichen Schulen floss noch kein Euro aus dem Digitalpakt.
Hamburg ist auch weiter fortgeschritten, was die Verplanung der Mittel aus dem Digitalpakt anbelangt. Während Berlin erst Ende 2019 erst einen sechsstelligen Betrag ausgegeben hatte, konnte Hamburg schon rund sieben Millionen Euro an die Schulen weiterleiten.