Geld ist da, wird aber nicht abgerufen: Warum die Sanierung der Berliner Schulen so lange dauert
In Berlin kommen Neubau und Renovierung von Schulen langsamer voran als geplant – es fehlt an Personal und Angeboten.
Der krasseste Fall wurde kürzlich bekannt: Seit sieben Jahren wartet die Kurt-Schumacher-Schule in Kreuzberg auf die Rückkehr in ihr Haupthaus. Eine aktuelle Übersicht über alle Schulsanierungen zeigt allerdings, dass in Berlin extrem viele Schulen vergeblich auf Bauleute hoffen.
Grund dafür sind Personalmangel, Insolvenzen und ausbleibende Angebote. 2018 und 2019 blieben in den Bezirken ein Drittel der bewilligten Gelder für Schulbau und Schulsanierung liegen. Betroffen waren rund 400 Schulen mit insgesamt etwa 600 Baumaßnahmen. Dies belegt eine neue Übersicht aus der Bildungsverwaltung, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt.
Von knapp 360 Millionen Euro blieben demnach allein 2018 rund 120 Millionen Euro liegen, die erst später verbaut oder zu anderen Projekten umgeschichtet wurden. Im Folgejahr ging es um eine vergleichbare Größenordnung. Erfragt hatte diese Angaben der CDU-Abgeordnete Adrian Grasse. Er wollte auch wissen, worin die Gründe für die seit Jahren beklagten Verzögerungen liegen.
Die Antworten der Bezirke fallen ebenso unterschiedlich aus wie die Zahlen. Mitte etwa nennt weder die Gründe noch den Mittelabfluss für 2019. Allerdings ergibt sich aus den Angaben für 2018, dass der Bezirk nur 17 von 37 Millionen Euro (46 Prozent) verteilen konnte, womit er noch schlechter dasteht als die meisten anderen Bezirke mit Ausnahme von Friedrichshain-Kreuzberg (45 Prozent). An der Spitze liegt Charlottenburg-Wilmersdorf, das als einziger Bezirk alle Mittel ausgab.
Auf die Ausschreibungen folgen kaum Angebote
Anders als Mitte geben andere Bezirke wesentlich genauer an, woran die einzelnen Projekte scheiterten. Lichtenberg etwa schreibt, dass in den Jahren insgesamt 23 Vergaben wegen fehlender Angebote aufgehoben wurden. Rund 70 Mal mussten Ausschreibungen aufgehoben werden, weil „im Wesentlichen keine wirtschaftlichen Angebote vorlagen, die angebotenen Preise also weit über unseren Kostenschätzungen lagen“.
Marzahn-Hellersdorf nennt ähnliche Zahlen, während Neukölln noch weitere Gründe nennt: fehlende Personalkapazitäten, Lieferschwierigkeiten bei den bestellten Materialien, Bauzeitenverzögerungen, zu späte Bewilligungen von Seiten der Fördermittelgeber. Aber auch Neukölln erwähnt als Problem die Wiederholung von Ausschreibungs- und Vergabeverfahren wegen ausbleibender Angebote.
„Die Liste erfolgloser Ausschreibungsverfahren zeigt ganz deutlich: Ausschreibungen müssen vereinfacht und Verfahren entbürokratisiert werden“, sagte Grasse am Sonntag. Zudem müssten die Stellen für Baufachleute attraktiver werden, um die Vakanzen zu reduzieren.
Die Vakanzen betreffen nicht nur die Bezirke, die weniger Gehalt zahlen können als der Senat. Vielmehr gibt es auch in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die ebenfalls für den Schulneubau zuständig ist, etliche freie Stellen: Von 47 neu geschaffenen Posten konnten seit 2018 nur 40 besetzt werden. Schlimmer noch: „2019 haben die Abteilung Hochbau 14 Beschäftigte aus unvorhersehbaren Gründen verlassen“, heißt es in der Antwort auf Grasses Anfrage.
Es muss sich schnell etwas ändern
Angesichts von rund 9500 fehlenden Schulplätzen bis 2021/22 und weiterer Bedarfe in fünfstelliger Höhe bis 2025/26 ist Eile geboten. Nachdem im Sommer 2019 die Engpässe bekannt geworden waren, hatte das Abgeordnetenhaus von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) Aufschluss über die Gründe für die Verschleppung von Schulbauprojekten verlangt. Scheeres gab daraufhin im November zu, dass „weitere Bemühungen zur Beschleunigung der Bau- und Planungsprozesse“ nötig seien, wie es in einem Bericht an das Abgeordnetenhaus hieß.
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Die CDU findet allerdings, dass die Bemühungen nicht reichen: „Die Schulbauoffensive des Senats wird ihrem Namen nach wie vor nicht gerecht“, sagt Grasse. Dass sich Rot-Rot-Grün nach den Erfahrungen der vergangenen beiden Jahre im Bereich des Schulbaus auf dem richtigen Weg wähne, sei angesichts der vorliegenden Zahlen nicht nachvollziehbar. Die Christdemokraten hatten 2018 eigene Vorschläge für die Beschleunigung präsentiert.
Was die Verzögerungen im Einzelnen für jede betroffene Schule bedeutet, hatte Grasse ebenfalls erfragt. So kann man dann lesen, dass die Grundschule an der Wuhle etwa noch immer auf ihre neue Sporthalle wartet: 1,7 Millionen Euro sollten fließen, aber es blieb bei 52.000 Euro – „aufgrund wiederholter Ausschreibungen und erhöhter Angebotspreise“.
Ganz anders wiederum die Gründe an der Melli-Beese-Schule in Schöneweide: Hier flossen in den Jahren 2018 und 2019 jeweils nur zwei Prozent der Bausummen in die Erweiterung der Grundschule, weil der Senat neue Vorgaben für die Raumplanung gemacht hatte. An der Reinickendorfer Havelmüller-Grundschule wiederum war es die „Kontamination mit Kampfmitteln“, die dazu führte, dass die Außenanlagen nicht hergerichtet werden konnten.
Susanne Vieth-Entus