Neues Qualitätskonzept für Berlin: Schrittweise zur besseren Schule
Das neue „Berliner Indikatorenmodell“ soll es Lehrern erleichtern, die Lage ihrer Schule zu analysieren - und datenbasiert zu verbessern.
Woran erkennt man eine schlechte Schule? Und eine gute? Und wie schafft man den Übergang vom einen zum anderen – damit es den Schülern und Lehrern besser geht? Diese drei Fragen stehen im Mittelpunkt eines neuen Qualitätsprogramms, das in den kommenden Monaten von allen öffentlichen Berliner Schulen adaptiert werden soll. Am Freitag wurde es von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) präsentiert.
Im Wesentlichen geht es um sechs Schritte, wobei der erste in der Bestandsaufnahme besteht. Dafür eruierte die Bildungsverwaltung mit Schulpraktikern zunächst, welches überhaupt die entscheidenden Qualitätsindikatoren sind.
Am Anfang steht die Bestandsaufnahme
Als erstes wurde diese Frage für die Sekundarschulen beantwortet. Das Ergebnis: Wenn man die Quote der Abgänger ohne Abschluss kennt, den Stundenausfall, die Schwänzerquote, die Nachfrage und das Ausmaß der Gewalt gegen Lehrer, kann man ziemlich gut sagen, wie es um eine Schule bestellt ist – und Rechenschaft darüber ablegen, warum die Lage so ist (Schritt zwei). Auf dieser Grundlage sollen die Schulen ihre „Vision und Mission“ formulieren (Schritt drei), konkrete Ziele benennen (Schritt vier) und entscheiden, wie man diese Ziele erreichen will (Schritt fünf), um eine entsprechene „To-Do-Strategie“ zu entwickeln (Schritt sechs). Auf dieser Grundlage werden mit der Schulaufsicht Zielvereinbarungen geschlossen und jährlich die Daten abgeglichen. So ergibt sich im Zeitverlauf der „wirklich faire Vergleich“, wie es die Bildungsverwaltung ausdrückt – nämlich „der Vergleich der Schule mit sich selbst über die Zeit“. Wenn die vereinbarten Ziele nicht erreicht werden, soll das Konsequenzen haben, die aber noch nicht feststehen.
Die Schwänzerzahlen gedrittelt
Um der Theorie Leben einzuhauchen, hatte Scheeres nicht nur ihren wichtigsten Statistiker Bernd Gabbei mitgebracht, sondern auch den Leiter einer Schule, die aus eigenem Antrieb bereits ein ähnliches Verfahren durchlaufen haben: Thorsten Pfaff erläuterte, wie es in den vergangenen fünf Jahren gelang, die von ihm geführte Charlottenburger Schule am Schloss, voranzubringen. Und auch da stand das Schwänzen als Indikator ganz oben auf der Agenda, denn eine hohe Schwänzerquote geht immer einher mit einer hohen Quote von Schülern ohne Abschluss, was der ungünstigste Fall ist: Jugendliche ohne Perspektive auf ein selbstbestimmtes Leben.
Bei Pfaff hat es – noch ohne staatlich verordnetes Indikatorenmodell – funktioniert, wichtige Probleme anzupacken, wie Gabbei darlegt: Er kann Folien auf die Leinwand zaubern, die zeigen, wie sich die Schwänzerquote an Pfaffs Schule gedrittelt hat, wie die Zahl der Anmeldungen stieg und sich weitere Indikatorzahlen gut entwickelten.
Auch andere Schulen haben sich seit langem auf den Weg gemacht. Aber ihre Zahl ist zu gering, wie gerade wieder die neuen Schwänzerzahlen und Berliner Leistungsdaten gezeigt haben. Daher will Scheeres den flächendeckenden Ansatz, der übrigens auch überdurchschnittlichen Schulen – im Zeitverlauf und datenbasiert – vor Augen führen kann, wenn sie in einen Abwärtstrend geraten.
"Ein guter Service für Schulen"
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, kommentiert einer der erfolgreichsten Berliner Schulleiter, Jens Großpietsch, den erneuten Versuch, Berlins Schulen auf die Sprünge zu helfen; vieles davon kommt ihm bekannt vor. Im Prinzip sei das Indikatorenmodell aber ein „vernünftiger Ansatz“ – vor allem dann, wenn die Schulaufsicht Kontakt zu erfolgreichen Schulen in ähnlicher sozialer Lage vermittelt: „Das ist dann lebensnah“, lautet Großpietschs Erfahrung. Zudem sei es ein „guter Service für die Schulen“, wenn die entscheidenden Daten so aufbereitet würden, dass die Lehrer sie sich nutzbar machen und über die Jahre vergleichen könnten.
Als erstes lernen alle Sekundarschulen das Indikatorenmodell kennen. 2018 kommen die Grundschulen und Gymnasien dran. Schulleiter und Schulräte werden fortgebildet. Für diese Schulformen werden die Kriterien modifiziert. An den Grundschulen etwa könnten das die Ergebnisse der Vergleichsarbeiten in Klasse 3 sein und an den Gymnasien die Ergebnisse im Mittleren Bildungsabschluss oder im Abitur.
Die Schulaufsichten bekommen zusätzliche Verwaltungskräfte, damit die Schulräte mehr Zeit gewinnen, um die Schulen zu beraten und ihre Entwicklung zu begleiten - was in manchen Bezirken bislang kaum geleistet wird.