zum Hauptinhalt
Inzwischen kommen viel mehr Frauen, Kinder und Familien in Berlin an.
© Kitty Kleist-Heinrich

Geflüchtete in Berlin: Schon bald könnten wieder tausende Plätze für Flüchtlinge fehlen

Die Zahl der Geflüchteten, die monatlich nach Berlin kommen, sinkt. Trotzdem wird sich nach Senats-Berechnungen die Unterkunftslage bald dramatisch verschärfen.

Der Trend ist eindeutig: Während 2015 noch 55.000 Menschen in Berlin Zuflucht fanden, sank die Zahl in den vergangenen Jahren rapide, 2018 auf 7260 Menschen. In diesem Jahr dürfte sich der Rückgang fortsetzen, wenn auch nur leicht. 3116 Flüchtlinge registrierte das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) bis zum 30. Juni.

Hält die Entwicklung an, dürften Ende des Jahres weniger als 6500 Flüchtlinge in Berlin angekommen sein. Entspannt hat sich die Situation trotz alledem nicht: Aus Berechnungen des Senats geht hervor, dass am Ende des Jahres wieder mehrere Tausend Unterbringungsmöglichkeiten fehlen werden.

Das zeigt eine Prognose zum Unterbringungsbedarf wohnungsloser Menschen, darunter viele Flüchtlinge, aus der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Demzufolge müssten zum 31. Dezember rund 36.500 Plätze für wohnungslose Menschen zur Verfügung stehen. Die vorhandene Kapazität jedoch liegt deutlich darunter.

In den aktuell 88 Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete stehen 28.090 Plätze zur Verfügung. Von ihnen waren im Mai, zum Zeitpunkt des jüngsten Berichts zur Flüchtlingsunterbringung der Senatsverwaltung an den Haushaltsausschuss des Abgeordnetenhauses, 21.307 belegt. Doch das Überangebot dürfte sich bald ins Gegenteil verkehren. Das liegt auch daran, dass bezahlbarer Wohnraum immer knapper wird und Geflüchtete außerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte kaum eine Chance haben.

600 bis 700 Geflüchtete kommen monatlich nach Berlin

Ein Grund für das absehbare Defizit ist die Aufgabe von Notunterkünften sowie der sogenannten Tempohomes. Das LAF rechnet weiterhin damit, dass derzeit monatlich zwischen 600 und 700 Geflüchtete nach Berlin kommen. „Wir benötigen also weiterhin Unterbringungsmöglichkeiten.“

So unterschiedlich sind die Asylbewerber in den Berliner Bezirken verteilt.
So unterschiedlich sind die Asylbewerber in den Berliner Bezirken verteilt.
© Böttcher

Verschärfend kommt hinzu, dass bereits jetzt längst nicht alle auf dem Papier zur Verfügung stehenden Plätze tatsächlich belegbar sind. Angaben der Senatsverwaltung belegen, dass von den Mitte Mai 28.090 verfügbaren Plätzen nur 24.414 auch nutzbar waren, eine Differenz von 3676 Plätzen. Ähnliche Zahlen hatte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja kürzlich in einer Antwort auf eine Schriftliche Anfrage erhalten.

Das habe unterschiedliche Gründe: bauliche Maßnahmen, einen möglichen Belegungsstopp aufgrund der bevorstehenden Schließung einer Unterkunft, die Vorhaltung von Plätzen für einen bevorstehenden Umzug oder eine nicht passgerechte Belegung. Diese liegt vor, wenn beispielsweise ein Vier-Personen-Zimmer mit einer dreiköpfigen Familie belegt ist.

Zahlt das Land für die unbelegten Plätze?

In diesem Fall bleibt der vierte Platz frei, da es der Familie laut Staatssekretär Daniel Tietze nicht zugemutet werden kann, mit einer unbekannten Person in einem Zimmer zu leben. Ganz genau könne man diese Gründe allerdings nicht benennen, erklärte Tietze, denn sie würden nicht „platzgenau“ erfasst.

Ebenfalls unbekannt ist, ob das Land für die unbelegten Plätze zahlt. Je nach vertraglicher Grundlage würden diese „in einigen Fällen“ vergütet, in anderen nicht, sagt Tietze. Zur Höhe der insbesondere in Altverträgen vereinbarten „Belegausfallgebühren“ könne weder Senatsverwaltung noch LAF Angaben machen, erklärte Tietze auf eine zweite Anfrage Czajas. Der bezeichnete die Angaben des Senats daraufhin als „Armutszeugnis für das Verwaltungshandeln“.

Zur Startseite