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Grün ist die Hoffnung. Gartenbesitzerin Udula Wieloch will sich noch auf viele Ernten auf ihrer Parzelle freuen. 
© Thilo Rückeis
Exklusiv

Bedrohte Kolonie Oeynhausen: Schmargendorfer Kleingärtner stehen vor Etappensieg im Kampf um ihre Lauben

Im Streit um die Zukunft einer der ältesten Kleingartenanlagen Berlins gibt es eine überraschende Wendung: Auf Drängen der Pächter und wegen eines Umdenkens bei den Grünen kippt die BVV voraussichtlich einen Kompromiss mit Investoren, der die Teilbebauung vorsah.

Die Pächter vieler bedrohter Lauben in der Kleingartenkolonie Oeynhausen in Schmargendorf sehen sich vor einem Erfolg: Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wird am Donnerstag aller Voraussicht nach ihrem Einwohnerantrag gegen eine Teilbebauung mit Wohnungen zustimmen – und damit einen früheren BVV-Beschluss revidieren. Die Ursache ist ein Meinungswandel der Grünen. Manche Bezirkspolitiker warnen allerdings davor, dass sich das neue Votum als kontraproduktiv erweisen könne.

Es geht um einen umstrittenen Kompromiss, den Baustadtrat Marc Schulte (SPD) mit der Luxemburger Firma Lorac ausgehandelt hat. Diese gehört zur US-Investmentgesellschaft Lone Star und hatte 2008 bundesweit rund 1200 Objekte von der Post erworben, darunter den Norden der Kolonie. Der südliche Teil mit 122 Parzellen ist Landeseigentum.

Lorac hat 174 Laubenpächtern zum Jahresende gekündigt und einen Kaufvertrag mit dem Berliner Bauunternehmer Klaus Groth geschlossen. Groth plant 700 luxuriöse Wohnungen (er spricht von einem „gutbürgerlichen Wohnquartier“) in sechsstöckigen Häusern. Gemäß dem Kompromiss, dem die rot-grüne BVV-Mehrheit im Januar zugestimmt hatte, sollten 155 weitere Parzellen auf dem Privatgelände dem Bezirk übereignet und erhalten werden.

Diese Vereinbarung wäre „hinfällig“, wenn die BVV den Antrag annehme, sagt Stadtrat Schulte. Für diesen Fall befürchten nicht nur er und die SPD-Fraktion, dass die Eigentümer ihr gesamtes Grundstück mit niedrigeren Wohnhäusern bebauen. Diese Variante sei baurechtlich kaum zu verhindern, glaubt Schulte. Auch die Vorsitzende des CDU-Ortsverbands Schmargendorf, Stefanie Bung, sieht darin „mittlerweile eine große Gefahr“, obwohl sie sich seit Jahren stark für die Kolonie Oeynhausen engagiert.

Bauunternehmer Groth bestätigte am Dienstag, dass die Sorgen begründet seien: Wenn sich die BVV vom Kompromiss verabschiede, werde die Lorac „die Gesamtkündigung und die Gesamtbebauung der Fläche unverzüglich rechtlich durchsetzen“. Er habe darauf wenig Einfluss, sagte Groth dem Tagesspiegel: Sein Kaufvertrag werde ja erst wirksam, wenn Baurecht vorliege, was sich mit dem neuen BVV-Beschluss um etwa ein Jahr verzögern dürfte. Die Folge wären ein „erheblicher Vertrauensverlust“ und „großer materieller Schaden für alle Beteiligten“. Er habe eine „sozial verträgliche“ Lösung vorgeschlagen. Dazu gehörten eine Abfindung von insgesamt drei Millionen Euro und eine Räumung erst Ende 2014 oder „maximal bis Ende 2015“, abhängig vom Stand des Planverfahrens.

Die Kleingärtner haben ihren Antrag mit mehr als 3500 Unterschriften von Bürgern durchgesetzt, ihnen steht eine Initiative aus Schmargendorfer Anwohnern zur Seite. Ein Einwohnerantrag hat dieselbe Bedeutung wie ein Antrag einer BVV-Fraktion. Kommen genügend Unterschriften zusammen (im aktuellen Fall hätten 1000 gereicht), müssen die Bezirksverordneten erneut über das Thema abstimmen.

Das Umdenken bei den Grünen begründet deren Fraktionsvorsitzende Petra Vandrey vor allem mit einem geplanten Bürgerbegehren der Kleingärtner, das abgewartet werden solle. Bei einer Kreisversammlung der Grünen wurde vor wenigen Tagen auch ein beschleunigtes Bebauungsplanverfahren abgelehnt. Die Bürgerbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfungen kämen zu kurz, hieß es. Kritisiert wurde außerdem die Berliner Stadtentwicklungsverwaltung, die in einem Brief ans Bezirksamt das „gesamtstädtische Interesse“ am Wohnungsbau betont hat.

Die meisten Grünen wollen sich in der BVV der Stimme enthalten, wie eine fraktionsinterne Testabstimmung gezeigt hat. Weil CDU, Piratenpartei und Linke dem Einwohnerantrag zustimmen werden, dürfte dies für eine Mehrheit gegen die SPD reichen.

Aber auch Grünen-Politiker wie Fraktionschefin Vandrey, die Bundestagskandidatin Lisa Paus und die Stadtentwicklungsexpertin Sibylle Centgraf geben zu, dass der Antrag „Risiken“ berge.

Für die Kleingärtner geht der Kampf unterdessen weiter. Bereits am Freitag verhandelt das Verwaltungsgericht ihre Klage gegen das Bezirksamt, in der es um das Bürgerbegehren geht. Dessen Start verzögert sich, weil das Amt in den Fragebögen einen Hinweis auf „Entschädigungszahlungen bis zu einer Höhe von 25 Millionen Euro“ an die Investoren verlangt, mit denen der Bezirk rechnen müsse, falls nichts gebaut werden darf. Aus Sicht des Kleingärtnervereins ist diese Summe völlig übertrieben.

- Informationen der Betroffenen gibt es unter www.kleingaertnerverein-oeynhausen.de

Cay Dobberke

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