Novellierung Berliner Kitagesetz: Scheeres will "Ermächtigung" gegen hohe Elternbeiträge
Abzocke oder Bereicherung? Die Kontrolle bei "freiwilligen" Zuzahlungen soll verstärkt werden. Wohlfahrtsverband reagiert irritiert.
Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) will die Zuzahlung von Elternbeiträgen künftig stärker reglementieren. Geplant ist eine Rechtsverordnung, in der „die Zulässigkeit, die Höhe und die Auskunftserfüllung“ festgeschrieben wird. So steht es in der Antwort auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck. Der Paritätische Wohlfahrtsverband reagierte am Dienstag „mit Befremden“ auf die Ankündigung: „Wir hatten erst 2015 ein Agreement erzielt, Eltern und Träger wurden entsprechend informiert“, wundert sich die Kita-Referentin des Verbandes, Dorothee Thielen.
Bis zu 700 Euro werden aktuell von Kitas erhoben
Scheeres begründet ihren Vorstoß mit "Einzelfällen", in denen „die Sorge“ bestehe, dass Kindern, deren Eltern keine Zuzahlung leisten wollen oder können, „kein pädagogisch adäquates Alternativangebot unterbreitet wird“. Thielen betonte, dass auch ihr Verband es „aufs Schärfste“ ablehne, wenn Eltern „ein stückweit erpresst“ werden. Die Jugendverwaltung habe aber „noch nie Ross und Reiter genannt“.
"Bisher werden Zuzahlungen nicht registriert. Durch Elternbeschwerden kennen wir aber zahlreiche Beispiele von hohen Zuzahlungsforderungen", konterte die Sprecherin der Jugendverwaltung, Iris Brennberger. Der "Trend" gehe zum dreistelligen Beitrag im Monat. "Der höchste Betrag, der aktuell gefordert wird und von dem wir wissen, liegt bei 700 Euro im Monat", so Brennberger weiter. Im vorigen Jahr habe ein Träger einen Zusatzbeitrag von 1000 Euro im Monat durchsetzen und dennoch öffentlich finanziert werden wollen. "Er zog sich schließlich zurück", berichtet Brennberger. Aufgrund dieser Erfahrungen habe Scheeres entschieden, dass die Kita-Träger für die Zuzahlungen eine Zustimmung einholen müssen.
Das knappe Platzangebot setzt Familien unter Druck
Auch Langenbrinck findet, „dass Eltern abgezockt werden“. Daher begrüßt er es, dass die Zusatzbeiträge künftig kontrolliert werden sollen. Geplant ist, dass bei der nächsten Änderung des Kitagesetzes eine "Ermächtigungsgrundlage" für die genannte Rechtsverordnung geschaffen werden soll - so steht es in der Antwort auf seine Anfrage.
Langenbrinck ging nach den bisherigen Scheeres-Ankündigungen davon aus, dass es eine "Kontrollstelle" geben wird, der die Zuzahlungen künftig zur Genehmigung vorgelegt werden müssen. Seine Frage, wie diese Stelle personell ausgestattet werden soll, wurde aber von Jugend-Staatssekretärin Sigrid Klebba (SPD) nicht beantwortet. "Für eine detaillierte Antwort ist es noch zu früh", begründet Brennberger die unvollständige Beantwortung der Anfrage.
Für Eltern ist die bisherige Lage nicht einfach zu durchschauen. Zwar werden sie im Zusammenhang über das Thema „Zuzahlungen“ informiert, wenn sie im Jugendamt ihren Kita-Gutschein erhalten, und wissen daher, dass ihnen kein Platz vorenthalten werden darf, wenn sie einen Zusatzbeitrag ablehnen. Aber das sei "alles Theorie", berichten Eltern. In der Praxis hätten sie Angst, überhaupt keinen Kitaplatz zu bekommen, wenn sie der Zuzahlung nicht zustimmen. Und dies wolle angesichts der knappen Plätze niemand riskieren.
Früher zahlten die Eltern ans Land, jetzt an den Träger
Hinzu kommt, dass viele Eltern bereit sind, für Sonderleistungen zu zahlen, zumal sie es bis vor kurzem sowieso gewohnt waren, Kitagebühren zu zahlen. "Eltern, die bisher je nach Einkommen 300 oder 500 Euro Kita-Gebühren ans Land zahlen mussten und dazu noch eine Zuzahlung von 200 Euro an ihren Träger, sind nach Abschaffung der öffentlichen Gebühren gern bereit, stattdessen eine höhere Zuzahlung an ihren Kitaträger zu leisten", erläutert ein Elternvertreter. Es störe ihn wenig, wenn dadurch die soziale Entmischung vorangetrieben werde. "Das hat die SPD davon, dass sie die Elternbeiträge gestrichen hat", interpretiert eine Mutter aus Köpenick die Entwicklung, die zwei Kinder bei einem freien Träger untergebracht hat.