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SPD-Politiker Ernst Reuter (l.) war der erste Regierende Bürgermeister. Beinahe wäre es 1951 Walther Schreiber von der CDU geworden, als es zum Patt bei der Abstimmung kam.
© Gert Schuetz/picture-alliance / akg-images

Nach der Berlin-Wahl: Rückblick: Das erste Dreierbündnis im Senat

Einst hielt Ernst Reuter ein widerspenstiges Bündnis aus SPD, CDU und FDP zusammen. Eine Opposition im Parlament gab es nicht

Drei Parteien, die zusammen regieren – das hat es in Berlin schon mal gegeben. Aber es ist eine Weile her. Der Regierende Bürgermeister, der das widerspenstige Dreierbündnis seit Dezember 1948 führte, hieß Ernst Reuter. Die Koalition aus SPD, CDU und FDP löste sich sofort auf, als der legendäre Sozialdemokrat im Oktober 1953 nach einem Herzanfall verstarb. Ohne ihn wäre die Allparteien-Regierung, die ohne parlamentarische Opposition auskam, kaum überlebensfähig gewesen. Es waren schwere Zeiten, die eine Leitfigur wie Reuter brauchte.

Berlin war politisch geteilt und die Bewohner litten sehr unter den wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Krieges. Die kriegszerstörte Stadt stand im Fokus des Kalten Krieges zwischen Ost und West und zwischen der Bundesregierung in Bonn und dem West-Berliner Senat lief es nicht rund.

Dem christdemokratischen Kanzler Konrad Adenauer war es gar nicht recht, den populären Reuter als Ansprechpartner zu haben. Beinahe wäre es auch anders gekommen. Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 3. Dezember 1950 stürzten die Sozialdemokraten um 20 Punkte ab – auf 44,7 Prozent. Die CDU kam auf 24,6 und die FDP auf 23 Prozent der Stimmen, anderen Parteien gaben die Wähler keine Chance.

Das Mühsal ohne Opposition

Das hätte gereicht für ein schwarz-gelbes Bündnis, die bürgerlichen Parteien hätten das Stadtoberhaupt Reuter, der seit zwei Jahren regierte, ablösen können. Der CDU-Landes- und Fraktionsschef Walther Schreiber trat auch gegen den SPD-Mann an, erreichte in einer Kampfabstimmung aber nur ein Patt. Mit 62 zu 62 Stimmen. Schreiber gab auf, und man raufte sich mit den Sozialdemokraten im ersten Berliner Senat zusammen. Damit wurde ein Zweckbündnis aus SPD, CDU und FDP fortgesetzt, das Ende 1948 im Magistrat begründet wurde. In den ersten drei Nachkriegsjahren war an der Verwaltung der noch nicht geteilten Stadt zusätzlich die SED beteiligt worden, aber das steht auf einem anderen Blatt der Berliner Geschichte. Obwohl die SPD im ersten Berliner Abgeordnetenhaus trotz großer Stimmenverluste die mit Abstand stärkste Partei blieb, kam man im Senat, der sich im Februar 1951 konstituierte, auf Augenhöhe zusammen. Die Sozialdemokraten bekamen sechs Ressorts (einschließlich Regierender Bürgermeister), die FDP fünf und die CDU vier Senatsposten. Und weil es im Parlament keine Opposition gab, machten sich die Regierungsparteien gegenseitig das Leben schwer.

Gelegentlich funkte auch noch die Bundesregierung dazwischen, die dem Senat beispielsweise vorwarf, für die Verbesserung der Lebenssituation in der Stadt „keine konstruktiven Pläne“ zu entwickeln. Schöne Worte halfen in dieser Lage nicht. Als das Abgeordnetenhaus am 11. Januar 1951 zu seiner konstituierenden Sitzung im Rathaus Schöneberg zusammenkam, hatte Parlamentspräsident Otto Suhr (SPD) noch gemahnt: „Möge sich die schöpferische Kraft der Abgeordneten darin beweisen, dass sie eine funktionsfähige und Berlin angemessene Regierung wählen.“

Ein dreiviertel Jahr später diskutierten die Genossen auf einem SPD-Landesparteitag in der Neuköllner Onkel-Bräsig-Schule zwölf Stunden lang über die Frage, ob man in der Koalition bleiben oder aussteigen solle. Reuter und Suhr, aber auch Willy Brandt plädierten dafür, dass sich die Sozialdemokraten in dieser äußerst komplizierten historischen Lage Berlins nicht ins Abseits stellen dürften. Reuter beklagte sich über die eigenen Leute: „Mit meinen Feinden werde ich fertig, aber der Widerstand aus den eigenen Reihen macht mir oft das Leben schwer.“

Die Parteilinke hielt gegen und kritisierte, dass sich der Allparteien-Senat nicht genügend um die sozialen Nöte der Bevölkerung kümmere. Es werde nur noch daran gedacht, Senatspolitik zu machen, die Linie der Partei werde vernachlässigt. Doch am Ende setzte sich Reuter auf dem Parteitag in einer Vertrauensabstimmung durch.

Bezahlbares Wohnen, bessere Löhne

Was waren das für Probleme, die das Dreierbündnis wenige Jahre nach dem Krieg zu lösen hatte? Es ging um den Neubau bezahlbarer Wohnungen, um bessere Löhne, sozialpolitische Verbesserungen und ein neues Beamtenrecht. Und natürlich um den freien Zugang nach Berlin und möglichst enge Anbindungen von West-Berlin an den Bund. Ein großes Thema war auch die Finanzpolitik, denn Berlin war klamm und ohne die Hilfe des Bundes nicht überlebensfähig. Alle drei Parteien ermahnten sich immer wieder gegenseitig, loyal zusammenzuarbeiten. Doch schon im Spätsommer 1951 brachte der SPD-Abgeordnete Brandt in einer vierzehnstündigen Debatte des Abgeordnetenhauses die Sache auf den Punkt: Wir möchten von einer Koalition wider Willen sprechen, die wir nicht auf alle Ewigkeit fortsetzen werden.“ Der Senat hielt noch bis zum Tod Ernst Reuters durch.

Der Tagesspiegel kommentierte damals in einem politischen Nachruf: „Es ist dem großen Geschick Reuters und seiner Fähigkeit zu ausgleichendem Wirken zu verdanken, dass die mehrfachen Krisen überwunden und der Zusammenhalt der Koalition bewahrt wurde.“ Damit war es nun vorbei. Das Dreierbündnis löste sich rasch auf, und der Christdemokrat Walther Schreiber übernahm für zwei Jahre das Ruder, gestützt von einer CDU/FDP-Regierung.

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