Berliner Koalition: Rot-Rot-Grün will Untersuchungsausschuss im Fall Amri - jetzt doch
Erst hatte sich die Regierung gegen einen Untersuchungsausschuss gewehrt. Nun wird er wohl doch kommen. Am heutigen Dienstag wollen die Regierungs-Fraktionen diesen Sinneswandel erklären.
- Jörn Hasselmann
- Laura Hofmann
Die rot-rot-grüne Koalition hat sich auf einen Untersuchungsausschuss zum Fall Anis Amri geeinigt, das geht aus einer gemeinsamen Pressemitteilung von Montagmittag hervor. Darin heißt es:
„Die gute Arbeit des vom Senat eingesetzten Sonderermittlers Bruno Jost hat sehr schnell gravierende Einzelfehler der Sicherheitsbehörden aufgezeigt. Damit werden aber auch strukturelle Fragen des Berliner LKA und unserer gesamten Sicherheitsarchitektur, auch im Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern, aufgeworfen, die eine parlamentarische Befassung erfordern. Deshalb haben wir die Parlamentarischen Geschäftsführer beauftragt, mit den anderen Fraktionen Gespräche zur Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses aufzunehmen. Dieser könnte seine Arbeit auf der Basis des Zwischenberichts des Sonderermittlers nach dem 3. Juli aufnehmen.“
Am Dienstag wollen nun die Parlamentarischen Geschäftsführer der Koalitionsfraktionen, Torsten Schneider (SPD), Steffen Zillich (Linke) und Daniel Wesener (Grüne) Details erklären und die Entscheidung begründen.
Burkard Dregger, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, erklärte am Montag: "Die Sondersitzung des Innenausschusses des Abgeordnetenhauses hat heute leider mehr Fragen aufgeworfen, als dass sie Antworten geben konnte. Die von Innensenator Geisel (SPD) erwarteten Antworten blieben genauso aus wie die versprochene Transparenz im Fall Amri. Die CDU-Fraktion hat immer deutlich gemacht, dass wir für diesen Fall auch einen Untersuchungsausschuss unterstützen, um Aufklärung sicherzustellen." Seine Fraktion werde den U-Ausschuss unterstützen und den Vorsitz beanspruchen. Der steht ihr auch turnusgemäß zu.
Bisher hatte sich Rot-Rot-Grün stets gegen einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen. CDU und AfD hatten dafür plädiert. Zuletzt war Kritik am ehemaligen Innensenator Frank Henkel laut geworden, unter dessen Verantwortung die möglichen Vertuschungen im Berliner LKA passiert waren. Hakan Tas, Innenexperte der Linken, twitterte nach Bekanntgabe der Entscheidung für einen Untersuchungsausschuss dazu:
Manipulationsvorwürfe gegen Polizei
Der Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses tagte am Montagvormittag in einer Sondersitzung zu den Manipulationsvorwürfen im Fall des Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri. In den Akten über den Tunesier sollen womöglich nicht nur Angaben zu Amri selbst, sondern auch über dessen Bekannte geändert worden sein. Namen anderer Dealer könnten gelöscht worden sein, um Amri als Kleinhändler erscheinen zu lassen und nicht als Teil einer Bande.
Innensenator Andreas Geisel erklärte zu Beginn der Sitzung, er habe heute einen Brief an alle 17.000 Polizisten in Berlin geschrieben, in dem er ihnen versicherte, dass sein Vertrauen in die Berliner Polizei ungebrochen sei.
Polizeipräsident Klaus Kandt berichtete, der jetzt im Polizeicomputer aufgetauchte große Bericht zu Amri sei zehn Seiten lang und dokumentiere 73 abgehörte Telefonate, die einen bandenmäßigen Drogenhandel belegen. Auch Mittäter würden genannt. Der bisher bekannte, "kleiner Bericht" genannte Vermerk sei quasi eine Abschwächung des großen, er ist nur vier Seiten lang, nennt nur sechs Telefonate, die alle nichts mit bandenmäßigen Drogenhandel zu tun haben. Mittäter werden nicht genannt.
Sonderermittler Jost: Noch ist nichts bewiesen
Datiert ist er auf den 1. November 2016, tatsächlich verfasst wurde er allerdings am 17. Januar 2017. Sonderermittler Jost zeigte sich vorsichtig: Die Abänderung des Berichts spreche zwar für eine Vertuschung, bewiesen sei aber noch nichts. Theoretisch sei auch möglich, dass der Verfasser des kleinen Berichts an die Staatsanwaltschaft mehr Sachkompetenz gehabt habe.
Geisels Staatssekretär Torsten Akmann betonte, die entsprechenden Dokumente seien ihm und Geisel bis vergangene Woche nicht bekannt gewesen. Er kündigte außerdem eine Task Force zu Amri an, die alle Akten nochmal umdrehen und Sonderermittler Jost informieren solle. Die gesamte Struktur beim LKA solle hinterfragt, das ganze System auf den Prüfstand gestellt werden. Kriminaldirektor Golcher aus der Direktion 6 werde die Task Force leiten.
Am Mittwoch hatte Innensenator Andreas Geisel das Berliner LKA angezeigt. Er wirft Ermittlern Vertuschungen vor. Möglicherweise hätte der Tunesier vor dem Anschlag aufgrund seiner Tätigkeit als Drogendealer verhaftet werden können.
Unterwegs mit Innensenator Geisel in Neukölln, auf Streife mit Polizisten durch Schöneberg - eine Reportage zur rot-rot-grünen Sicherheitspolitik lesen sie hier. Außerdem: Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.
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