Berliner Mietendeckel zerrupft: Rot-Rot-Grün lässt die Mieter am Ende doch allein
Berlins Koalitionäre haben ihren Mietendeckel stark verändert, um die angekündigten Klagen zu überstehen. Das Nachsehen haben die Mieter. Ein Kommentar.
Jene Bürger, die für sich selbst Verantwortung tragen, sind das Idealbild des liberalen Staates. Andererseits hat die öffentliche Hand eine Fürsorgepflicht gegenüber denen, die aus sozialen oder anderen Gründen auf einen starken Staat angewiesen sind. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch der Berliner Mietendeckel, der im Februar voraussichtlich an den Start gehen wird.
Das neue Gesetz verbietet überhöhte Mieten und verpflichtet die Wohnungseigentümer bei Androhung hoher Bußgelder zur transparentem Preisgestaltung. Aber wenn sich ein Vermieter an diese gesetzlichen Vorgaben nicht hält, bleibt es Sache der betroffenen Mieter, sich juristisch zu wehren. Sie müssen den Mieterverein um Hilfe bitten oder sich einen Rechtsanwalt nehmen, um die öffentlich-rechtlich verfügte günstige Miete im Einzelfall auch durchzusetzen.
Von Amts wegen? Von wegen!
Im Gesetzentwurf des Senats, der von den rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen noch einmal gründlich überarbeitet wurde, war etwas anderes vorgesehen. Von Amts wegen sollte den Vermietern untersagt werden können, die landesgesetzlich festgelegten Höchstmieten oder Mietsenkungen zu überschreiten. In diesem Fall hätten die Eigentümer vor Gericht ziehen müssen, um sich gegen den Eingriff des Staates in das einzelne Mietverhältnis zu wehren.
Nun ist es umgekehrt. Mit der Gesetzesänderung in letzter Minute wollte Rot-Rot-Grün jeden Verdacht von sich weisen, juristisch unzulässig in das Mietvertragsrecht eingreifen zu wollen, das im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist.
Stattdessen will sich Berlin geradezu demonstrativ auf eine öffentlich-rechtliche Regulierung des angespannten Berliner Wohnungsmarkts beschränken. In der Hoffnung, die angekündigte Normenkontrollklage von CDU und FDP vor dem Bundesverfassungsgericht einigermaßen heil zu überstehen.
Konjunkturprogramm für Anwälte
Für die Berliner Mieter wird es dadurch schwieriger, den Mietendeckel für die Stabilisierung oder gar Senkung der eigenen Miete zu nutzen. Sie müssen eigenverantwortlich abwägen, ob sich der Rechtsstreit mit dem Vermieter lohnt.
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Viele Bürger werden davor wahrscheinlich zurückschrecken. Zumal das neue Mietengesetz noch völlig unerprobt und reichlich unübersichtlich ist. Möglicherweise wird der Mietendeckel erst einmal ein Konjunkturprogramm für Mieterbüros und Anwaltskanzleien.
Die Bezirksämter und für den Mietendeckel zuständigen Senatsbehörden dürfen erst einmal aufatmen. Sie können auf die massenhafte Einstellung von Juristen vorläufig verzichten. Das dürfte wohl auch ein Grund sein, warum die Koalition jetzt den Mietern das Feld überlässt.