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Der Stadtsoziologe Andrej Holm ist jetzt Staatssekretär.
© dpa

Stasi-Vorwürfe gegen Berliner Staatssekretär: Rot-Rot-Grün hat den Fall Holm unterschätzt

Statt Transparenz herrschte Desinteresse: Der Fall Holm wäre anständig zu kommunizieren gewesen - egal, wie die Bewertung seiner Akte ausfällt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Der Senat hat also nicht das Ergebnis der Regelanfrage zu seinem Wohnungs-Wunsch-Staatssekretär Andrej Holm abgewartet, sondern ihn gleich ernannt. Damit verschiebt sich der Fokus von der Frage, was der damalige Stasi-Kader eigentlich genau getan hat für das „Schild und Schwert“ der SED, während auf der Straße nicht nur viele seiner Altersgenossen für ihre Freiheit demonstrierten, einstweilen auf die Frage, was die Koalition da eigentlich tut. Ihr Anspruch ist ja grenzenlos: „Gutes Regieren“ hat sie versprochen.

Unabhängig davon, ob es eine gute Idee ist, einem verwaltungsunerfahrenen Theoretiker mit radikal anderen als den bisher von der SPD verfolgten politischen Vorstellungen eine der heikelsten stadtpolitischen Aufgaben zu übertragen, ist hier von „gutem Regieren“ nichts zu sehen. Gerade die Linken haben sich seit Monaten auf die von ihr erhofften Aufgaben vorbereitet – da werden sie sich ja auch Gedanken ums Personal gemacht haben. Dass Holm da einen kritischen Punkt in der Biografie hat, war bekannt. Aber weder wurde versucht, das genauer auszuleuchten, noch hat sich irgendwer Gedanken darüber gemacht, wie das in der Öffentlichkeit ankommt. Vermutlich war es ihnen egal.

Dabei verspricht Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag noch: „Für eine neue Gedenkkultur suchen wir den Dialog mit Opfergruppen.“ Wie der Senat sich den vorstellt, wissen wir jetzt: Wer die Personalie Holm kritisch hinterfragt, wird einfach als „rechts“ diffamiert.

„Herr Müller kann googeln“, erklärt Senatskanzleichef Böhning

Bausenatorin Lompscher verteidigt ihre Entscheidung mit der irrwitzigen Behauptung, es habe doch Transparenz geherrscht: Holms „Umfeld“ wusste Bescheid, sie auch. Eine Unverschämtheit ist das gegenüber den im Koalitionsvertrag dann wohl doch nur pflichtschuldigst genannten Opfergruppen. Außerdem kennt Lompscher die Akte Holm bisher nur aus der „B.Z.“, sie selbst hatte sich nicht um Klärung bemüht.

Das gilt auch für den Regierenden Bürgermeister: „Herr Müller kann googeln“, erklärt Senatskanzleichef Böhning forsch – so sieht also „Gutes Regieren“ unter R2G aus. Vielleicht hat Müller ja inzwischen auch ergoogelt, dass Holm im ebenfalls rot-rot-grün regierten Thüringen kaum hätte Staatssekretär werden können.

Vollends absurd erscheint das Desinteresse des Senats an der politischen Geschichte eines der wichtigsten Staatssekretäre in einer weiteren Erklärung Lompschers: Mit 14 habe sich Holm für die Stasi entschieden, mit 16 habe er sich ihr verpflichtet, mit 19 sei er dann, Achtung: „wieder ausgestiegen“. Dass dem jungen Offiziersanwärter, der nach eigenen Angaben sich in seiner Stasi-Stube nur gelangweilt und „viel Radio gehört“ hat, seine geliebte DDR unterm Hintern weggezogen wurde, ohne dass er auch nur im Traum daran gedacht hat, „auszusteigen“, ist der Senatorin wohl entfallen.

Die Koalition hat den Vorgang jedenfalls völlig unterschätzt – ganz egal, wie die Bewertung der Akte Holm am Ende ausfällt. Verständigt hatte sich die Koalition auf einen „Einsatz gegen die Engstirnigen und Ewiggestrigen“. Dass ausgerechnet diese wegen eines vergleichsweise harmlosen Falls, der bei besserer Vorbereitung anständig zu kommunizieren gewesen wäre, jetzt zu ganz mieser Eiferei auflaufen, hat sich Rot-Rot-Grün selbst zuzuschreiben.

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