Berlin-Friedrichshain: Rigaer Straße - Autonome wollen nicht reden
Der Bezirk sucht an der Rigaer Straße den Dialog. Das Projekt könnte aber an mangelnder Gesprächsbereitschaft scheitern.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es am besetzten Haus Rigaer Straße 94 in Friedrichshain wieder knallt. Die Hausbesetzer haben das Gebäude zur Festung ausgebaut, die Polizei kommt nicht mehr rein und scheint es auch nicht zu versuchen. Fährt sie Streife, muss sie damit rechnen, dass ihr Wagen mit Gegenständen beworfen wird, wie kürzlich passiert. Sogar Rettungssanitäter werden bei der Arbeit behindert. Immer wieder werden Autos angezündet. Um die Gegend – nicht nur die Rigaer Straße, sondern den Samariterkiez, in dem sie liegt – zu befrieden, hat der Bezirk ein Dialogprojekt gestartet.
Ein Treffen mit den dort engagierten sozialen Einrichtungen gab es bereits, demnächst kommen die Gewerbetreibenden dran. Vom heutigen Montag an werden auch die Anwohner eingebunden. Sie können in der Passage an der Frankfurter Allee 35-37, die zum Büro von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) führt, in dem leeren Ladenlokal eines Bäckers ihre Wünsche und Vorschläge abgeben.
„Wir haben bewusst keine Podiumsdiskussion gewählt“, sagt Bürgermeisterin Herrmann. „Das Ganze ist ein längerer Prozess. Wir sammeln erstmal Material von allen Beteiligten und dann werten wir es aus.“ Dies geschehe in Absprache mit dem Senat. Das Ergebnis sei offen, vielleicht komme auch ein Milieuschutzgebiet dabei heraus, ein Stadtteilbüro oder ähnliches.
Zur Gewalt bereit
Der SPD-Politiker Tom Schreiber hat sich intensiv mit der Thematik befasst und begrüßte das Vorhaben, die Gegend zu befrieden, wenngleich ihm bewusst ist, dass dies schwierig bis unmöglich erscheint. Man könne in alle Richtungen denken, so Schreiber; vielleicht lohne es sich auch, in der „eigentlich ja spannenden Straße“ ein Fest zu organisieren. Nur eines gehe nicht: „Mit Menschen, die vor Gewalttaten nicht zurückschrecken, kann und darf man nicht reden.“ Die große Mehrheit der Kiezbewohner wolle in Frieden hier leben.
Es gibt aber eine aggressive Minderheit, die genau das nicht will. Die gewaltbereiten Autonomen sind an keiner Befriedung interessiert, wie sie auf ihrer Internetseite auch explizit schreiben. „Die Verwaltung kommt dann mit Runden Tischen. Die Idee ist, Bewohner des Nordkiezes mit Vertretern von Politik und Verwaltung zusammenzubringen und gemeinsam eine Lösung zu entwickeln, um den sozialen Frieden wiederherzustellen. Diesen Versuch der Integration müssen wir genauso bekämpfen wie die Repression“, heißt es auf der Seite rigaer94.squat.net auf Englisch, datiert am 11. November.
Auf Twitter werden Polizisten als „behelmte Schweine“ bezeichnet, die Gesellschaft wird als faschistisch angesehen, der Kapitalismus soll zerstört werden. Angeblich gab es vor zwei Wochen eine Krisensitzung bei der Polizei zum Thema. Selbst Bewohnern des Vorderhauses geht die Militanz des harten Kerns mittlerweile zu weit.
Auch die Immobilie Rigaer Straße 94 ist immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen. Darin sind Wohnungen und das Lokal im Erdgeschoss besetzt; alle Versuche des Eigentümers, eine Räumung zu erreichen, sind bisher gescheitert. Die Rechtsverhältnisse des Objekts sind weiter verworren.
Die Eigentümerin ist eine britische Gesellschaft. Ihr Geschäftsführer gab den Job im Juli 2016 auf, als neuer Geschäftsführer fungierte ein Busfahrer von der Kanalinsel Sark. Dieser ist nun tot. Es gibt einen Nachfolger, so dass die Firma nun wieder klagen kann. Die Räumungsklage kann also fortgesetzt werden. Die landeseigene Wohnungsgesellschaft Degewo hatte erwogen, das Haus zu kaufen, offenbar aber einen weitaus zu niedrigen Kaufpreis geboten.