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Analoge Kindheit. Die Kinder der 80er Jahre hörten ihre Geschichten noch auf Kassetten. Für den Nachwuchs heute sind das alles unbekannte Dinge. Eine Reise in die Vergangenheit.
© dpa/picture-alliance

Familienkolumne: Reise in die analoge Welt

Kassetten - was soll das sein? Unsere Redakteurin erklärt ihrer Tochter die analoge 80er-Jahre-Kindheit und erkennt, wie frauenfeindlich und stereotyp ihre liebste Hörspielreihe war.

Kürzlich, meine Tochter fragte: „Mama, wo bist du da auf dem Foto? Sind die Palmen echt?“ „In Hollywood, USA“, antwortete ich. „Wow, dann gibt es Hollywood ja wirklich. Wie in meinem Hörspiel!“

Meine Siebenjährige ist voll drin in den Audio-Geschichten. Zu meiner Freude neigt sich die „Conni“-Hörzeit dem Ende zu. Über die angepasste Streberin mit den perfekten Eltern und den wahnsinnig langweiligen Erlebnissen („Conni backt Pizza“, „Conni bekommt eine Katze“) habe ich schon einmal an dieser Stelle gelästert. Mittlerweile bevorzugt meine Tochter die „Drei Fragezeichen“ und die tagebuchartig erzählten Geschichten „Mein Lotta Leben“.

Ich erinnerte mich an die eigene Kinderhörspiel-Zeit und erzählte von den vielen Kassetten, die sich in meinem Zimmer stapelten. „Kassetten? Ah, diese eckigen Dinger?“ Ohje. Mein kleiner digital native hatte natürlich keine Ahnung von den Tonträgern meiner Kindheit, von Bandsalat, vom Walkman und umständlichen Bügelkopfhörern mit Schaumstoffschutzhülle. Wir machten einen Abstecher in die analoge Zeit: Ich zeigte ihr Bilder von Kompaktkassetten, von Rekordern, auch ein orangefarbenes Telefon mit Wählscheibe präsentierte ich – im Internet. Einen Plattenspieler konnte sie sich kürzlich bei meiner Freundin real anschauen und zerstörte gleich mal die Nadel, als sie die „Drei Fragezeichen“ auf Vinyl abspielen wollte.

Als Kind der 80er Jahre stand ich damals voll auf TKKG. Ich erzählte meiner Tochter von der Abenteuerreihe um die jungen Detektive Tarzan (später Tim), Karl, Klößchen und Gaby und widmete mich alten Folgen mit reißerischen Titeln („Der blinde Hellseher“, „Angst in der 9a“). Erst jetzt fiel mir auf, wie recht mein lieber Kollege Sebastian Leber doch hatte, als er kürzlich schrieb, dass die Reihe unter anderem aus Gendersicht problematisch sei. Der sportliche Tarzan/Tim verprügelt ständig jemanden – beispielsweise, weil er Gaby nach einer Entführung befreien muss. Das passiert ziemlich oft, weshalb Gaby wohl die meist entführte Person der Erde ist. Sie trägt den albernen Spitznamen „Pfote“ (Hundeliebhaberin) und hat außer Tarzan zu bewundern, nicht viel zu tun. Wird es ernst, muss sie zu Hause bleiben. („Das ist nichts für Mädchen“). Außerdem werden Minderheiten diskriminiert („Finstere Typen. Sehen aus wie Zigeuner“) und Bösewichter stereotyp dargestellt – sie haben Hakennasen oder Narben. Wie gut, dass meine Kleine sich für TKKG wenig begeistert. Sie braucht keinen Tarzan/Tim. Neuerdings trainiert sie Judo. Wie er.

Hörenswert: „Mein Lotta Leben" von Alice Pantermüller. Alte Telefone und andere analoge Dinge sind im „Museum für Kommunikation“, Leipziger Straße 16, 10117 Berlin-Mitte zu sehen.

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