Lehrermangel in Berlin: Referendare: Jeder zweite Bewerber springt wieder ab
Berlin schafft es nicht, die Nachwuchskräfte zu halten: Mehr als 1000 Lehramtsabsolventen wurde ein Referendariat angeboten - nur 550 nahmen an. Kritisiert wird die Bildungsverwaltung.
Berlin muss in den kommenden sieben Jahren 16.000 neue Pädagogen einstellen – doch das Land schafft es offenbar nicht, genügend Nachwuchskräfte zu halten. Das belegen neue Zahlen der Senatsbildungsverwaltung, die die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) am Dienstag nannte. Bei der Einstellungsrunde im Februar 2017 haben demnach 1037 Lehramtsabsolventen, die sich für ein Referendariat in Berlin beworben hatten, eine Zusage von der Senatsbehörde bekommen. Doch 484 Bewerber – 47 Prozent – nahmen das Angebot nicht an.
„Die Senatsbildungsverwaltung muss dringend Maßnahmen ergreifen, um die hohen Schwundquoten zu senken“, sagte der GEW-Vorsitzende Tom Erdmann. Dazu gehörten eine bessere Bezahlung der Referendare und bessere Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte.
In Berlin bekommen Referendare knapp 1200 Euro, in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen rund 160 Euro mehr.
Forderung nach Sonderzuschlägen
Die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Maja Lasic, sagt: „Wir müssen dringend über die Gewährung von Sonderzuschlägen sprechen.“ Aus dem Haus der Bildungsverwaltung heißt es, dass Senatorin Sandra Scheeres (SPD) dies für sinnvoll halte, damit Berlin konkurrenzfähig bleibe. Mit Geld allein lasse sich das Problem nicht lösen, sagt dagegen die CDU-Sprecherin für Schule, Hildegard Bentele: „Die bildungspolitische Grundausrichtung stimmt in Berlin nicht mehr und das spüren die jungen Leute.“
Laut GEW mangelt es in Berlin bereits bei "scheinbar kleinen, aber wichtigen Dingen". Dazu gehöre, dass die Bewerber früher ihre Ausbildungsschule und ihre Seminarstandorte erführen. "Schulwünsche und eine wohnortnahe Seminarzuweisung, vor allem bei familiären Verpflichtungen, müssen noch stärker berücksichtigt werden. Auch Seminar- und Schulwechsel sollten leichter möglich sein", fordert Erdmann.
Eine andere Ursache für die vielen Absagen sieht Erdmann in einer mangelhaften Informationspolitik über die 2014 neu eingeführten Lehramtsstudiengänge. „Der Wegfall des eigenständigen Lehramts Sonderpädagogik, die Einführung des neuen Grundschullehramts und die Zusammenfassung der Ausbildung für Sek I und Sek II haben viele Fragen aufgeworfen, die bisher nicht ausreichend durch die Senatsverwaltung beantwortet wurden“, sagte Erdmann. Mit der Reform 2014 habe Berlin eine moderne und zukunftsweisende Lehrkräftebildung auf den Weg gebracht, was aber nicht ausreichend bei den Studierenden ankomme. Und auch die inzwischen errungene bessere Bezahlung der Grundschullehrkräfte sei unter den Lehramtsstudierenden "offenbar noch nicht gut kommuniziert“, befand der GEW-Vorsitzende.
"Bildet Berlin!" bemängelt Ungleichbehandlung
Die Bildungsinitiative "Bildet Berlin!" kritisiert, dass die Ungleichbehandlung zwischen verbeamteten und angestellten Lehrern nach wie vor zu groß sei: Die zuletzt erzielten Verbesserungen reichten nicht aus, so Sprecher Florian Bublys. Zudem schrecke es viele Absolventen ab, dass sie mit dem Einsatz an Grundschulen rechnen müssen, obwohl sie die Studienratslaufbahn eingeschlagen hatten.
Besonders gravierend ist und bleibt der Mangel an Lehrern in den Naturwissenschaften und Mathematik: Massenhaft müssen Quereinsteiger nachqualifiziert werden. Hochschullehrer berichten über bedenkliche Mängel bei den "notdürftig weitergebildeten" Absolventen. Da vom Senat "viel Output" gewünscht werde, müsse man auch Kandidaten "über die Hürde heben", die normalerweise nichts im Schuldienst verloren hätten.