Brandenburg: Rechtsaußen Kalbitz führt AfD in die Landtagswahl
Brandenburgs AfD hat sich für die Landtagswahl aufgestellt. Rechtsaußen Andreas Kalbitz ist Spitzenkandidat, dann folgt ein Vertreter einer rechten Demo-Truppe.
Die Brandenburger AfD zieht mit Partei- und Fraktionschef Andreas Kalbitz als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf. Nach einem mehrstündigen Auszählungsmarathon bei dem Parteitag in Rangsdorf, der am Freitagabend eröffnet worden war, konnte das Ergebnis der Wahl erst am Montagmorgen gegen 7 Uhr bekannt gegeben werden. Kalbitz, der zum völkisch-nationalistischen Flügel der AfD um dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zählt, wurde mit 319 Ja- und 113 Nein-Stimmen bei 43 Enthaltungen auf Platz eins der Kandidatenliste gewählt.
Nach Umfragen liegt die Partei gleichauf mit der SPD bei 20 bis 23 Prozent, womit sie Chancen auf 20 bis 23 Abgeordnete hätte, die über die Liste ins Parlament einziehen. Aktuell zählt die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag - nach zwei Austritten wegen des Rechtsrucks - neun Abgeordnete. Mit Andreas Kalbitz schickt die AfD einen Politiker als Spitzenkandidat ins Rennen, der enge Verbindungen in die rechtsextremistische Szene hatte. So war er 2007 bei einem Pfingstlager der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ). Der Verein völkischer Nazis, der sich als "paramilitärisch auftretende Elite" verstand, mit militärischem Drill und Hitler-Verehrung Kinder und Jugendliche aufzog, war 2009 vom Bundesinnenministerium verboten worden.
Kein Problem hatte Kalbitz trotz Abgrenzungsbeschlüssen seiner Partei damit, dass Mitarbeiter der Fraktion Verbindungen zur Identitären Bewegung (IB) haben, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird. Kalbitz war Autor für rechtsextreme Publikationen wie das Vereinsblatt der „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“. Er war bei den vom Verfassungsschutz beobachteten Republikanern aktiv. Und er leitete einen von Nazis, SS-Offizieren und NPD-Funktionären gegründeten Kulturverein.
Bemerkenswert: Die AfD will sich die Proteste des Vereins "Zukunft Heimat" vor allem in Cottbus zunutze machen. Christoph Berndt, Sprecher des Vereins, wurde auf Platz zwei der Liste gewählt. Er lag mit 314 Ja-Stimmen nur knapp hinter Kalbitz. Zwischendurch galt es sogar als möglich, dass er ungeplant Spitzenkandidat wird. Die Demonstrationen des Vereins hatten vor einem Jahr massiven Zulauf erfahren, nachdem Flüchtlinge durch Gewalttaten in Cottbus aufgefallen waren. Bei den Demonstrationen, bei denen der Zulauf inzwischen wieder abgeebbt ist, duldet der Verein auch Rechtsextremisten und Neonazis. Berndt sagte: "Wir dürfen die Parlamente nicht den Deutschland abschaffern überlassen." Der natürliche Bündnispartner der AfD seien die patriotischen Bürgerbewegungen. Dieses erfolgreiche Brandenburger Kooperationsmodell müsse ausgeweitet werden.
Kalbitz gab nach seiner Wahl als Ziel aus, dass die AfD bei der Landtagswahl am 1. September stärkste politische Kraft in Brandenburg werden wolle. "Ich nehme den Auftrag der Spitzenkandidatur voller Kampfeslust an", sagte Kalbitz. "Die Altparteien haben abgewirtschaftet." Auf die Landesliste der AfD sei er besonders stolz. "Sie besteht nicht – wie bei den Altparteien – aus Kadern, die nur lange genug brave Parteisoldaten waren, um dann mit einem Mandat belohnt zu werden. Unsere Landesliste ist ein Spiegel der Brandenburger Bevölkerung", sagte Kalbitz. "Wir holen uns unser Land zurück – die AfD-Brandenburg steht – geschlossen wie immer – bereit."
Nach seiner Wahl sagte Kalbitz zu dem zeitraubenden Wahlverfahren beim Parteitag: "Demokratie tut manchmal weh." Aber das entscheide die AfD eben von den anderen Parteien. "Wir können uns auf unsere Basis verlassen. Die Entscheidungen sind klug und solide." Die AfD könne mit einer Mannschaft in den Wahlkampf ziehen, die durchmischt ist und die Vielfalt des Landes widerspiegle, es seien nicht abgehalfterte Berufsfunktionäre wie in anderen Parteien. "Ich freue mich auf den Wahlkampf und noch mehr darauf, nach der Wahl zu liefern."
Trotz der von Kalbitz gelobten Einigkeit der Partei, zeigte sich bei der Listenaufstellung auch wie zerstritten die AfD ist. Tatsächlich war eine Liste von 40 Kandidaten geplant, dafür gab es 87 Bewerber. Am Ende wurde eine Liste mit 28 Kandidaten beschlossen. Nur bis zu Platz 28 hatten die Bewerber mehr Ja- als Nein-Stimmen bekommen. Ab Listenplatz 13 haben die Kandidaten jeweils weniger als 50 Prozent der Stimmen erhalten. Wären - wie sonst bei anderen Parteien durchaus üblich - die Enthaltungen nicht mitgezählt worden, wäre nicht Kalbitz sondern Christoph Berndt Spitzenkandidat geworden. Dann hätte Berndt ein Ergebnis von 79 Prozent und Kalbitz von 74 Prozent bekommen.
Von den neun Landtagsabgeordneten hatten sich sieben für einen Listenplatz beworben. Die beiden Abgeordneten Rainer van Raemdonck und Sven Schröder, die beide durch Sacharbeit aufgefallen waren, schafften es nicht auf die Liste. Auf Platz drei wurde Daniel Freiherr von Lützow gewählt, er ist Vize-Landesparteichef, AfD-Ortschef in Blankenfelde-Mahlow und Parteistratege für kommunale Basisarbeit. Auf Platz vier landete Birgit Bessin, sie ist Vizechefin der AfD-Landtagsfraktion und tritt regelmäßig bei den Demonstrationen von "Zukunft Heimat" in Cottbus auf.
Auf Platz fünf landete Steffen Kubitzki aus Spree-Neiße. Als Mann aus der Kraftwerksbranche ist er in Spree-Neiße gut vernetzt und verwurzelt. Bei der Landratswahl in Spree-Neiße im Mai 2018 kam er in der Stichwahl gegen den Amtsinhaber von der CDU auf 40 Prozent. Auf Platz sechs der Landesliste wurde AfD-Landesgeschäftsführer Lars Hünich gewählt, der in der Landtagsfraktion Referent für Veranstaltungen ist. Sollte die AfD wie jetzt in den Umfragen bei der Landtagswahl bei 20 Prozent landen, dürften die AfD 20 Mandate bekommen.
Der Potsdamer Dennis Hohloch, Lehrer in Berlin und zuletzt AfD-Kandidat bei der Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt, hat Listenplatz zehn. Er warf der Bildungspolitik in Brandenburg vor, "alles Deutsche und Identitätsstiftende aus den Lehrplänen zu entfernen." Er ist auch Landeschef der Jungen Alternativen, des Jugendverbands der AfD.
Auf Platz 19 kam Leyla Bilge. Sie war mit ihrer kurdischen Familie in den 1980er Jahren nach Deutschland gekommen und hatte 2018 zwei rechte "Frauen-Märsche" vor dem Kanzleramt in Berlin organisiert. Sie sei eine "stolze Deutsche", sagte Bilge, die sich als "erfahrene und kämpferische Aktivistin" bezeichnete. Es gebe eine "tödliche Toleranz" gegenüber dem Islam, der nicht zu Deutschland gehöre. "Der Osten ist der neue Sturm der AfD." Für den Auftritt erhielt sie frenetischen Beifall.
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