Lageso-Affäre in Berlin: Rechnungshof lässt Mario Czaja abblitzen
Gab es krumme Geschäfte mit Firmen, die Flüchtlinge Unterkünfte bieten? Sozialsenator Mario Czaja hatte versichert: Der Rechnungshof in Berlin prüft. Doch der widerspricht.
Der Berliner Rechnungshof hat Sozialsenator Mario Czaja die erhoffte Entlastung in der so genannten Patenkind-Affäre verweigert. In einem Brief an Czaja erinnert Rechnungshof-Präsidentin Marion Claßen-Beblo an die Spielregeln der unabhängigen obersten Landesbehörde, die an keinerlei Weisungen gebunden ist. Die Klarstellung war erforderlich geworden, weil Czaja zuletzt in der eigens einberufenen Sondersitzung des Sozial-Ausschusses am Dienstag den Eindruck erweckt hatte, dass Prüfungen der Vorwürfe durch den Rechnungshof bereits laufen.
"Wir bitten um Verständnis", schreibt die Präsidentin
„Wir bitten um Verständnis dafür, dass der Rechnungshof die von Ihnen angesprochene Fragestellungen aktuell nicht prüft“, schreibt Rechnungshof-Präsidentin Claßen-Beblo an Czaja. Der Sozialsenator hatte erklärt, die höchst umstrittenen Vergaben von Aufträgen zur Unterbringung von Flüchtlinge an undurchsichtige private Unternehmer dahingehend prüfen lassen zu wollen, „ob der Präsident des Lageso“, Franz Allert, sich rechtswidrig verhalten haben könnte. Schon wegen der starken Begrenzung der Prüfung auf strafrechtliche Aspekte und der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen gab der Rechnungshof Czaja einen Korb, sagte Rechnungshof-Mitarbeiter Tobias Kraft dem Tagesspiegel. Und weiter: „Sollten die zuständigen Prüfungsgebietsleitungen einen Prüfauftrag beschließen, dann würden Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns insgesamt untersucht“.
Durch den Rüffel des Rechnungshofs gerät das Krisenmanagement von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) noch stärker ins Gerede als es ohnehin bereits ist – und damit auch die Rolle des Senators selbst. Denn anders als bei sonstigen Fällen mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten oder sogar Vorteilnahmen – in Czajas Zuständigkeit jüngst etwa beim Klinikkonzern Vivantes – verzichtete der Sozialsenator in der Patenkind-Affäre bisher darauf, externe Wirtschaftsjuristen mit der Prüfung der Vorwürfe zu beauftragen.
"Die Lageso-Innenrevision arbeitet grundsätzlich unabhänging" so der Senator
Stattdessen geht nach der Absage des Rechnungshofes zurzeit nur noch das Lageso selbst den Vorwürfen gegen den Lageso-Chef nach – das Amt prüft also selbst die eigenen mutmaßlich faulen Geschäfte. Schreckt Czaja vor einer unabhängigen Prüfung zurück? „Die eingesetzte Innenrevision des Lageso arbeitet grundsätzlich unabhängig und gehört zu den verwaltungsüblichen Verfahren“, versichert eine Sprecherin auf Anfrage. Fragt sich nur, warum die Innenrevision vom Landesamt nicht schon früher auf den Plan trat, obwohl das Landesamt einem Betreiber von Flüchtlingsheimen monatelang Geld auszahlte, ohne dass es dafür eine vertragliche Grundlage gab. Im Fall des Heims in der Moabiter Levetzowstraße wurden der Firma nach der Eröffnung der Einrichtung fast ein Jahr lang Gelder ausgezahlt, Tagessätze, bis schließlich die Unterschriften unter den Verträgen standen, die gerichtsfest regeln, wofür das Land Berlin im Einzelnen wie viel bezahlt. Das Landesamt erklärt das so: „In Fällen, in denen eine kurzfristige Inbetriebnahme einer Notunterkunft erforderlich ist, werden diese Verträge unverzüglich nach Abschluss der Vertragsverhandlungen geschlossen“. Unverzüglich – das kann demnach wohl schon mal heißen: Monate später.
Tiefenentspannt gingen die Verantwortlichen offenbar auch beim Abschluss der Verträge vor: Im Fall des Flüchtlingsheims Levetzowstraße unterzeichnete zunächst nicht einmal der Geschäftsführer der Firma selbst, mit der das Lageso seinen Deal abschloss, sondern ein Mitarbeiter. Der Chef holte das Versäumte erst später nach.
Warum stehen nur die Privaten im Visier?
Verwunderlich ist, dass der laxe Umgang mit Verträgen und Finanzmitteln nach bisherigen Erkenntnissen nur zwei private Betreiber von Heimen betrifft. Auf beide hat der berüchtigte Firmenjongleur Helmuth Penz Einfluss. Und bei einer dieser beiden Firmen führt das Patenkind des Lageso-Präsidenten Franz Allert die Geschäfte. Allert selbst will nach eigenen Angaben keinen Einfluss auf die Verträge seines Amtes mit Firmen seines Patenkindes gehabt haben: Er erklärt, „sowohl den zuständigen Mitarbeitern als auch Vorgesetzten unverzüglich mitgeteilt zu haben“, dass persönliche Beziehungen bestehen. Immerhin, nach dem Aufflammen der Patenkind-Affäre reagierte das Landesamt und prüfte alle Abrechnungen. Das Ergebnis: 170000 Euro wurden zuviel bezahlt. Nachweislich.