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Clubs und Betriebe auf dem RAW-Gelände an der Warschauer Brücke in Berlin-Friedrichshain: Der Besitzer will nun Büsche roden und die Beleuchtung verbessern.
© Thilo Rückeis

Gewalt in Berlin-Friedrichshain: RAW-Gelände: „Alle überfordert, Richter, Politik, alle einfach“

Das Gebiet rund um die Revaler Straße entwickelt sich vom Drogenumschlagplatz zu einer Zone der Gewalt. Am Wochenende fanden gleich zwei Angriffe statt, einer gegen einen Freund der "Jennifer-Rostock"-Sängerin Jennifer Weist.

Die Stimme von Jennifer Weist, der Sängerin der Rockband „Jennifer Rostock“ zittert. Der Schock sitzt noch immer tief, auch zwei Tage, nachdem ein Freund auf dem Friedrichshainer RAW-Gelände mit einem Messer am Hals verletzt wurde, nach einem missglückten Taschendiebstahl.

„Ich finde es einfach krass, dass Leute für eine Scheißkette töten würden“, sagt die 28-Jährige am Montag. „Ich hab die offene Wunde und die pulsierende Schlagader gesehen, da ging es nur um Millimeter.“ Ihrem 26-jährigen Bekannten geht es den Umständen entsprechend gut, er konnte das Krankenhaus bereits wieder verlassen.

Am Montagabend hatte Weist ein Foto der etwa zehn Zentimeter langen und mit zahlreichen Stichen genähten Narbe ihres Freundes auf Facebook veröffentlicht, um auf die grassierende Gewalt rund um das frühere Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) aufmerksam zu machen. Wenige Stunden vor dem Angriff waren wie berichtet bereits zwei niederländische Touristen krankenhausreif geprügelt worden – ebenfalls, nachdem sie einen Taschendiebstahl abwehren wollten.

„Ich will keine Panik schüren, aber die Lage dort hat sich in den letzten Jahren einfach verschlimmert“, sagt die Sängerin, die seit rund zehn Jahren im Kiez wohnt.

Um die Revaler Straße hängen ständig Drogendealer ab

Auch am Dienstag, zwei Tage nach der brutalen Nacht, geht es dort alles andere als entspannt zu. „Ey Mädschen“, kommt die Stimme von rechts. „Drogen? Drugs? Weed?“ Starr blickt die Touristin geradeaus, tut, als hätte sie den Lockruf nicht gehört, die Gruppe der Drogendealer nördlich des S-Bahnhofs Warschauer Straße nicht bemerkt. Geradeaus die Revaler Straße hoch, bis zur Kreuzung zur Warschauer Straße, dann ist sie raus aus dem Risikobereich, zumindest dem schlimmsten.

Das RAW-Gelände an der Revaler Straße ist einer der Party-Hotspots. Nach einem Club-Besuch im Astra wurde ein Mann am Wochenende durch einen Messerstich verletzt.
Das RAW-Gelände an der Revaler Straße ist einer der Party-Hotspots. Nach einem Club-Besuch im Astra wurde ein Mann am Wochenende durch einen Messerstich verletzt.
© Tsp/Bartel

Das Areal rund um das RAW-Gelände ist nicht nur eines der populärsten Ausgehviertel Berlins und eine auch bei Besserverdienenden zunehmend angesagte Wohngegend. Es ist auch einer der bekanntesten Drogenumschlagplätze der Stadt, an dem sich in jüngster Zeit Gewalttaten häufen, oft in Verbindung mit versuchtem Raub.

Aus Sicht vieler Menschen, die auf dem Areal oder in der Nähe arbeiten, hat sich die Situation verschlimmert. Ein Gastronom, der anonym bleiben möchte, hebt mit einer resignierenden Geste die Arme. „Diese Typen haben keinen Respekt, beklauen meine Gäste, dealen direkt vor meinem Laden.“

Man muss sich nicht wundern, in Berlin will jeder frei leben und nur die Gesetze beachten, die man persönlich für richtig hält. Die Polizei wird hier von der Bevölkerung immer als der Schuldige angesehen und die Politik hält uns für ein notwendiges Übel.

schreibt NutzerIn Oberfoerster

Kurz vor der Warschauer Brücke stehen am Dienstagmittag zwei Polizeibeamte und Mitarbeiter des Ordnungsamtes. Sie verweisen alkoholisierte Punks des Platzes. Der Grund: Ruhestörung. Auf den Hinweis, dass fußläufig entfernt Menschen stehen, die illegale Drogen verkaufen, reagiert einer der Polizisten mit Achselzucken. „Sind Sie das erste Mal hier? Selbst wenn wir die jetzt festnehmen würden, morgen stünden sie wieder dort.“ Auf die Frage, wie das passieren könne, schaut er belustigt. „Alle überfordert, Richter, Politik, alle einfach.“

Polizei veröffentlichte "Tipps für Nachtschwärmer" auf Facebook

Auf Facebook veröffentlichte die Polizei währenddessen Tipps, wie sich Besucher der Gegend verhalten sollten. Unter anderem sollen Partygäste Schmuck zuhause lassen, in brenzliger Situation raten die Beamten einfach: „Hau ab!“ Auch Innensenator Frank Henkel (CDU) ist alarmiert: „Wir werden das RAW-Gelände weiter sehr intensiv im Blick behalten müssen. Die Polizei wird alles daransetzen, solchen Tätern das Handwerk zu legen“, sagte er am Dienstag.

 Ich hab noch nie erlebt, dass ein Kiez in so kurzer Zeit derartig gekippt ist - und dann auch noch in eine solch seltsame Richtung. 

schreibt NutzerIn Diskutant999

Erst im April wechselten Grundstücke auf dem RAW-Gelände die Besitzer. Seitdem gehören zwei Drittel des Areals einem Göttinger Familienunternehmen, der Bau- und Immobilienfirma Kurth-Gruppe. Diese teilte mit, an Verbesserungen wie der „Rodung von Büschen und der Entwicklung eines neuen Beleuchtungskonzepts im Gelände“ zu arbeiten.

Sven Heinemann, SPD-Vorsitzender von Friedrichshain und Anwohner, sieht „Verdrängungseffekte“ durch die strengeren Kontrollen im Görlitzer Park, wodurch noch mehr Dealer nach Friedrichshain strömten. Er fordert einen Runden Tisch mit Polizei, Stadtreinigung, Eigentümern, Clubbetreibern und Politik, um das Problem anzugehen.

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