Kriminalität in Brandenburg: Raubserie verunsichert Grenzstadt Guben
Einn Serie brutaler Raubüberfälle versetzt die Einwohner im brandenburgischen Guben in Angst. Über die Herkunft der Täter ist nicht bekannt. Opfer berichten, dass die Täter über die Grenze nach Polen entkommen - wo es ebenfalls Überfälle gibt.
Nie hätte Norbert K. (Name geändert) damit gerechnet, am helllichten Tag in seinem Heimatort überfallen zu werden. Der 73-Jährige war wie so oft mit dem Rad in Guben unterwegs. Als er auf die Unterführung der alten Eisenbahnbrücke zufuhr, bemerkte er einige junge Männer, die offenbar von der polnischen Seite der Neiße kamen. Norbert K. dachte sich nichts dabei, doch unter der Brücke stellte sich ihm plötzlich ein schwarz gekleideter Mann, der seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte, in den Weg.
„Er riss mich vom Rad, sprühte mir Pfefferspray in die Augen, trat und schlug auf mich ein“, erzählt der Rentner und kämpft auch ein halbes Jahr nach dem Überfall noch mit den Tränen: „Die Schläge und Tritte waren äußerst brutal – irgendwie habe ich es geschafft, nicht zu Boden zu gehen, das war wohl mein Glück.“ Ein weiterer Kapuzenmann sei hinzugekommen, ein dritter habe oben auf der Brücke Schmiere gestanden, sagt Norbert K., der weder Geld noch Wertsachen bei sich trug. Als die Räuber das bemerkt hätten und sich ein Ehepaar auf Fahrrädern genähert habe, seien sie getürmt – über die Neiße, zurück nach Polen. K. musste ins Krankenhaus, die körperlichen Verletzungen hielten sich in Grenzen, die seelischen wiegen schwerer.
Seit anderthalb Jahren häufen sich die Fälle
Und er ist kein Einzelfall. „Seit mindestens eineinhalb Jahren werden immer wieder Menschen überfallen“, sagt Gubens amtierender Bürgermeister Fred Mahro: „In den vergangenen Wochen wurde ein älterer Mann bei einem Überfall eine Treppe hinuntergestoßen, eine alte Frau brutal geschlagen, eine 49-jährige Krankenschwester vom Fahrrad gezerrt und auf sie eingeprügelt.“
Deshalb berieten die Gubener Stadtverordneten nun auf einer außerordentlichen Versammlung gemeinsam mit Bürgern über die Situation. „An Diebstähle und Einbrüche sind wir hier in der Grenzregion seit Jahren gewöhnt“, sagt Fred Mahro: „Was Angst macht und nicht mehr hinnehmbar ist, ist die brutale Gewalt der Täter.“ Bei der Versammlung berichteten denn auch viele Betroffene von ihren Ängsten. „Ich kann die Sorgen der Gubener absolut nachvollziehen“, sagt der Leiter der zuständigen Polizeidirektion Süd, Sven Bogacz. „Wir haben unsere Präsenz in den vergangenen drei Jahren immer wieder erhöht und gemeinsame Streifen mit polnischen Kollegen eingerichtet. Wegen der aktuellen Raubserie wurde eine spezielle Ermittlungsgruppe mit zwölf Beamten gegründet.“
Rätseln über die Herkunft der Täter
Bislang gibt es aber noch keine Erkenntnisse, was die Herkunft der Täter anbelangt. Zwar berichten Opfer wie Norbert K., dass sich die Räuber nach den Taten auf die andere Seite der Neiße zurückziehen, da sie aber nicht sprechen, könnten es durchaus auch Deutsche, Litauer oder Ukrainer sein, heißt es aus Ermittlerkreisen. Aufgrund des jugendlichen Alters, der zumeist geringen Beute und der hohen Brutalität der Täter schließe man auch nicht aus, dass es sich um Beschaffungskriminalität handelt.
Gubens Bürgermeister Fred Mahro hat das Problem schon des Öfteren mit seinem Amtskollegen im benachbarten Gubin besprochen, ihn sogar zu Stadtverordneten- und Bürgerversammlungen eingeladen. Es gibt Stimmen diesseits und jenseits der Neiße, die Mahro deshalb Populismus oder gar Polenfeindlichkeit vorwerfen. Doch beides liegt dem 54-Jährigen fern. Er ist amtierendes Stadtoberhaupt, seit Bürgermeister Klaus Dieter Hübner (FDP) beurlaubt wurde, weil gegen ihn ein Prozess wegen Bestechlichkeit und Untreue am Cottbuser Landgericht läuft. Am kommenden Mittwoch wird das Urteil erwartet.
Auch im polnischen Gubin gibt es Überfälle
Wegen des Vorwurfs der Polenfeindlichkeit muss selbst Gubins Bürgermeister Jakub Bartczak lachen: „So ein Quatsch. Fred Mahro liegt sehr viel an einer guten Partnerschaft. Dazu gehört aber auch, sich gemeinsamen Problemen gemeinsam zu stellen. Und die Grenzkriminalität ist ein gemeinsames Problem. Auch in Gubin gibt es Raubüberfälle."
Bartczak schlägt vor, mehr Überwachungskameras in Guben einzusetzen. „In Gubin haben wir das schon und damit gute Erfahrungen gemacht“, sagt er. Allerdings habe man in Gubin auch genügend Polizei – und das sei ja wohl in Guben nicht der Fall. Den Ernst der Lage hat man mittlerweile aber auch in Potsdam erkannt. Der Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums Ingo Decker sagt: „Die Sorge der Bevölkerung ist absolut nachvollziehbar, zumal sich in einer Stadt mit 18 000 Einwohnern so etwas sofort herumspricht.“
Dass Videokameras ein Allheilmittel sein könnten, glaubt Decker aber nicht. Auch Opfer Norbert K. sagt: „Noch wichtiger wäre, dass wir wieder genug Polizei auf den Straßen hätten.“ Dann hätten die Täter, egal woher sie kommen, nicht so ein leichtes Spiel.
Sandra Dassler