A100: Ramsauer bremst Rot-Grün aus
Geld soll es nur für den Autobahn-Bau geben. Und der neue Senat muss sich schnell entscheiden. Tempo ist auch bei der Zukunft der S-Bahn und der Straßenbahn gefragt
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat die Hoffnungen der Grünen, die Verlängerung der Stadtautobahn mithilfe des Bundes wegverhandeln zu können, erheblich getrübt. Geld könne es allein „für das konkrete Projekt A 100“ geben, sagte Ramsauer. SPD und Grüne hatten vereinbart, dass das Projekt nicht grundsätzlich aufgegeben werde. Aber die Koalition wolle sich in Verhandlungen mit dem Bund „aktiv und ernsthaft“ dafür einsetzen, dass die Autobahngelder für andere Projekte umgeschichtet werden. Ob der Bund nach Ramsauers Erklärung zu solchen Gesprächen noch bereit ist, blieb am Dienstag ungeklärt.
Der Verkehrsminister blieb bei der Linie seines Hauses: „Wer glaubt, Gelder könnten bei konkreten Straßenbauprojekten des Bundes einfach in Lärmschutzmaßnahmen umgewidmet werden, der täuscht sich. Eine Verlagerung der A-100-Mittel in andere Berliner Projekte ist nicht möglich. Diese verkehrspolitische Realität muss ein künftiger Senat zur Kenntnis nehmen“, erklärte Ramsauer. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), bestätigte dies. Wenn Berlin die A 100 nicht ausbauen wolle, würden die Mittel in anderen Ländern verbaut. Zwar könne Berlin versuchen, mehr Geld aus anderen Finanztöpfen für die Sanierung von Straßen und für den Lärmschutz zu erhalten. Aber nur, wennn der Senat im Gegenzug auf die A 100 verzichte.
Die künftige Landesregierung muss dem Bund übrigens schnell mitteilen, ob das Land bei den Autobahnplänen bleiben will. Das Projekt ist jetzt im Bundesverkehrswegeplan von 2003 festgezurrt, für die nächste Fassung ab 2015 müsste es erneut angemeldet werden. Automatisch wird es nicht übernommen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist überzeugt, mit dem Bau bereits 2012 beginnen zu können. Das Geld sei im Bundeshaushalt vorhanden und könne je nach Baufortschritt abfließen, sagte er am Dienstag. Für Entschädigungen und Grundstückskäufe habe der Bund schon 17,4 Millionen Euro ausgegeben. Sogar für den Bauabschnitt über Treptow hinaus seien bereits 16,5 Millionen Euro für bauvorbereitende Maßnahmen gezahlt worden.
Lesen Sie auf Seite 2, welche Probleme außerdem noch auf Rot-Grün warten.
Die A 100 gehört zu den Verkehrsprojekten, für die ein „vordringlicher Bedarf“ anerkannt wird. Hofreiter verweist allerdings darauf, dass bundesweit vordringliche Projekte mit einem Volumen von 47 Milliarden Euro angemeldet sind. Für den Straßenneubau seien im Haushalt pro Jahr aber nur 1,5 Milliarden Euro vorhanden. Deshalb sei der A-100-Weiterbau keineswegs ausfinanziert. Dass dem Bund das Geld ausgehen könnte, hoffen auch die Grünen in Berlin. „Ich sage den grünen Wählern, die A 100 wird nicht kommen“, sagte der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann.
Trotz des anhaltenden Streits geht die SPD davon aus, dass ein Landesparteitag der Grünen am Freitag Koalitionsverhandlungen zustimmt. Den Antrag von Union und FDP auf eine Aktuelle Stunde im Bundestag zur A 100 wertete Wowereit als „koalitionsspalterische Aktivität“. Auch Ratzmann sagte: „Es ist augenfällig, dass Ramsauer versucht, seine Freunde von der Berliner CDU ins Spiel zu bringen“. Darauf fielen die Grünen nicht rein.
Nicht nur bei der A 100 muss der künftige Senat schnell Flagge zeigen. Auch bei der S-Bahn sind rasche Entscheidungen erforderlich, die der rot-rote Senat vertagte. Die Grünen wollen den Betrieb der S-Bahn europaweit ausschreiben, während die SPD zuletzt damit liebäugelte, den Auftrag wieder an die Bahn AG direkt zu vergeben. Offen ließ der noch amtierende Senat auch den Ausbau des Straßenbahn-Netzes, den SPD und Grüne in ihren Wahlprogrammen versprachen. Hier drängt auch die BVG auf schnelle Entscheidungen – vor allem bei der künftigen Trassenführung am Bahnhof Ostkreuz, der momentan für 411 Millionen Euro aufwendig saniert und umgebaut wird. Ob dann auch die Gleise der Straßenbahn näher an den Bahnhof verlegt werden, der 2016 fertig sein soll, ist ungewiss. „Hier brauchen wir schnell Planungssicherheit, weil davon auch der Kauf neuer Bahnen abhängig ist“, sagte BVG-Straßenbahnchef Klaus-Dietrich Matschke am Montagabend.
Politisch müsse auch umgehend entschieden werden, wer auf den Straßen Vorrang haben sollte: der Auto- oder der Nahverkehr. Die – mit einem Millionenaufwand installierten – Vorrangschaltungen für Busse und Straßenbahnen an Ampeln hätten schon besser funktioniert als zurzeit, sagte Matschke zurückhaltend. Noch nicht einmal an der 1,5 Kilometer langen Neubaustrecke in Adlershof funktioniere die Vorrangschaltung.
Einig sind sich SPD und Grüne immerhin bei einem Vorhaben, das unter Rot-Rot ebenfalls nicht vorankam: Dem Bau der sogenannten Tangentialen Verbindung Ost (TVO), die Marzahn und Köpenick entlang dem Außenring der Bahn verbinden soll.
Sabine Beikler, Klaus Kurpjuweit, Ulrich Zawatka-Gerlach