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Ramona Pop (Bündnis 90/Die Grünen) ist Berlins Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe - und "Bürgermeisterin", also Stellvertreterin des "Regierenden Bürgermeisters".
© Paul Zinken/dpa

Berlins Wirtschaftssenatorin zum CSD: Ramona Pop fordert Kampf gegen "homophobe Hetze" in Polen

Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop hat Firmen aufgefordert, "klare Kante" im Kampf gegen Homophobie zu zeigen – auch im Ausland, konkret in Polen.

Die Grünen-Politikerin äußerte sich unmittelbar vor Beginn des diesjährigen Christopher Street Day (CSD) in Berlin, der für Sonnabend angesetzt ist. „Berlin ist Regenbogenhauptstadt und Sehnsuchtsort für viele queere Menschen“, sagte sie dem Tagesspiegel. Berlins Wirtschaft profitiere davon – müsse aber auch selbst mit gutem Beispiel voran gehen. „Diversity beflügelt Innovation und ist ein Wachstumsmotor. Das muss sich in den Strukturen wiederfinden – reine Lippenbekenntnisse genügen nicht."

Sie erwarte von großen Konzernen nicht nur Sichtbarkeit auf dem CSD in Berlin, sondern auch klare Kante in Ländern, wo so ein Engagement nicht unumstritten ist, erklärte Pop. „Mich besorgt zum Beispiel die aktuelle Lage in Polen, wo nur wenige Kilometer von Berlin entfernt offen homophobe Hetze betrieben wird.“

Konkrete Vorfälle, die kritikwürdig wären, oder Unternehmen, die in Polen Flagge zeigen könnten, nannte die Senatorin nicht. Gleichwohl gibt es seit Jahren regelmäßig Kritik an dem Umgang mit Homosexuellen in dem bis heute teils sehr streng katholischen und konservativen Land. Seit 2015 bestimmt die rechtskonservative Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS, deutsch "Recht und Gerechtigkeit") die nationale polnische Politik und bietet gesellschaftspolitisch liberalen Kreisen im In- und Ausland stetig Anlässe für Proteste und Kritik – nicht nur wegen Diskriminierung sexueller Minderheiten.

In dieser Woche sorgte zum Beispiel das Politikmagazin "Gazeta Polska", das der PiS-Partei nahe steht, international für Aufmerksamkeit, da es seiner gedruckten Ausgabe einen Aufkleber mit durchgekreuzter Regenborgenflagge beilegte. Dazu der Spruch: "Frei von LGBT-Ideologie".

Homophobie in Polen: Die aktuelle Ausgabe (24. Juli 2019) des Politik-Magazins "Gazeta Polska" wirbt mit einem beigelegten Gratis-Aufkleber mit durchgekreuzter Regenbogen-Flagge und dem Spruch "Frei von LGBT-Ideologie". Das Magazin steht der regierenden PiS-Partei nahe.
Homophobie in Polen: Die aktuelle Ausgabe (24. Juli 2019) des Politik-Magazins "Gazeta Polska" wirbt mit einem beigelegten Gratis-Aufkleber mit durchgekreuzter Regenbogen-Flagge und dem Spruch "Frei von LGBT-Ideologie". Das Magazin steht der regierenden PiS-Partei nahe.
© Reuters/Kacper Pempel

Insgesamt gelten die bilateralen Beziehungen zwischen Polen und Deutschland als angespannt. Gleichwohl ist es Verhältnismäßig ungewöhnlich, dass Politiker in Regierungsverantwortung ein Nachbarland so offen kritisieren. Der Tagesspiegel hat die polnische Botschaft am Freitag um eine Stellungnahme zu den Äußerungen Pops gebeten.

Dariusz Pawłoś, Pressesprecher der Botschaft der Republik in Berlin, erklärte daraufhin: "Wir freuen uns immer, wenn die deutschen Politiker und Politikerinnen sich für Polen interessieren. In diesem Fall, können wir jedoch die Sorge von Frau Wirtschaftssenatorin und Bürgermeisterin Ramona Pop um Polen überhaupt nicht nachvollziehen." In Polen gebe es keine „offene homophobe Hetze“ oder homophobe Kampagne. Zudem betonte er die Rechtsstaatlichkeit Polens, "wo keine Gewalttaten unterstützt oder akzeptiert werden, insbesondere wenn sie gegen eine Minderheit oder gegen Personen gerichtet sind, die eine Minderheit unterstützen".

Die letzten Ereignisse in Białystok, "die vielleicht Grund für die Sorge mancher Politiker und Medien wurden", seien auf eine starke Reaktion der staatlichen Behörden gestoßen. Es seien bereits mehrere Dutzend Teilnehmer dieser Ausschreitungen bestraft worden, das Festnahmeverfahren dauere noch an. Auch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki habe die Ereignisse stark verurteilt. Er habe gesagt: „In Polen gibt es Platz für jeden. Doch sicher gibt es keinen Platz für solch hooliganartiges aggressives Benehmen.“

Nach Malaysia-Eklat auf der ITB: Neue Regeln für die Messe Berlin

Ramona Pop ist als Senatorin für Wirtschaft, Energie und Berlins landeseigenen Betriebe zuständig - darunter für die Stadtreinigung BSR, die Verkehrsbetriebe BVG und die Messegesellschaft Messe Berlin. In letztgenanntem Unternehmen vertritt sie zum Beispiel als stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates die Interessen des Senats.

Vergangenen März hatte es zwischen ihr und der Geschäftsführung heftig geknirscht. Anlass war ein Vorfall auf der Tourismusmesse ITB, wo ein Minister des Partnerlandes Malaysia mit homophoben Äußerungen aufgefallen war (Homosexualität? "Ich glaube, das haben wir nicht in unserem Land"). Pop forderte daraufhin Messe-Chef Christian Göke auf, den Prozess zur Auswahl der Partnerländer transparent zu machen und das Verfahren neu zu entwickeln.

Auf der Tourismusmesse ITB im März 2019 erklärte Datuk Mohamaddin bin Ketapi, der Tourismusminister des Partnerlandes Malaysia, er glaube in seinem Land gebe es keine Homosexualität. Ob es für Homosexuelle sicher sei, in seinem Land zu reisen, könne er daher nicht sagen. Für den Eklat erntete auch die Gastgeberin, die Berliner Messegesellschaft, Kritik.
Auf der Tourismusmesse ITB im März 2019 erklärte Datuk Mohamaddin bin Ketapi, der Tourismusminister des Partnerlandes Malaysia, er glaube in seinem Land gebe es keine Homosexualität. Ob es für Homosexuelle sicher sei, in seinem Land zu reisen, könne er daher nicht sagen. Für den Eklat erntete auch die Gastgeberin, die Berliner Messegesellschaft, Kritik.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Mittlerweile habe man sich darauf verständigt, dass ab dem Jahr 2022 alle ITB-Partnerland-Bewerber den - bereits seit Jahren bestehenden - „Code of Conduct“ für Geschäftspartner der Messe Berlin unterzeichnen, teilte ihre Verwaltung dem Tagesspiegel mit. Zudem müssten alle künftigen ITB-Partnerländer der Messe Berlin zusichern, dass Reisende in ihrer Destination weder wegen ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung noch ihrer Herkunft diskriminiert werden.

Zusätzlich forderte die Messe Berlin eine detaillierte Strategie, wie die entsprechenden Anti-Diskriminierung-Maßnahmen im jeweiligen Land umgesetzt werden.

Bewerber müssen demnach künftig auch einen Aktions-Plan vorlegen, in dem verschiedene nachhaltige Projekt-Ideen verfasst sind. heißt es. Diese sollen in dem Jahr ihres Partnerland-Status gemeinsam mit der ITB Berlin kommuniziert und von dem jeweiligen Land umgesetzt werden. Wie ausführlich dieser Plan ist und wer über dessen Einhaltung wachen soll, bleibt indes offen.

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Laut Senatsverwaltung habe man sich zudem darauf verständigt, dass die Messe bei den Vorbereitungen mit den bereits bestehenden ITB-Partnerländern Oman (2020) und Sachsen (2021) den Verantwortlichen gegenüber stets deutlich mache, "dass menschenrechtsrelevante Themen vor und während der Messe behandelt werden und ein offener Dialog von der Messe ausdrücklich erwünscht ist."

Berlins Landesbetriebe geben sich queer-freundlich

Pops Verwaltung fragt auch regelmäßig bei den anderen großen Landesbetrieben ab, was diese für die Diversität tun, wobei die meisten nicht erst seit Pops Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren im Zeichen des Regenbogens aktiv sind. So sind die Verkehrs- und Wasserbetriebe mit eigenen Trucks beziehungsweise einem Boot beim CSD unterwegs und auch sonst sehr engagiert. Die Stadtreinigung BSR lässt jedes Jahr ein eigene Sprüche-T-Shirts für die Mitarbeiter bedrucken, die am Morgen nach dem CSD aufräumen. 2018 bekannten sich so 130 Stadtreiniger „Für euch gehen wir auf die Straße“.

Wie andere Landesbetriebe, sucht auch die BSR mit einem extrem hohen Männeranteil dringend motivierte Mitarbeiter (und Mitarbeiterinnen) jedweder Orientierung – und präsentiert sich auch deshalb auch auf der queeren Jobmesse Sticks & Stones, genau wie die Berliner Wasserbetriebe.

Erstmals will die Stadtreinigung im Herbst auch eine Fortbildungsveranstaltung "zur Verbesserung des Verständnisses und des Umgangs für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Zusammenarbeit" anbieten - in Kooperation mit der Schwulenberatung Berlin. Die Wasserbetriebe berichten unter anderem an Pops Verwaltung, dass sie ab September die neu geschaffene Stelle eines/einer Diversity-Beauftragten besetzen werden.

Gemeinsam mit der Charta der Vielfalt veranstaltet der Tagesspiegel-Verlag auch in diesem Jahr wieder die „Diversity-Konferenz“ mit Experten aus Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Wissenschaft: diesmal am 14. und 15. November 2019. Infos und Anmeldung unter www.diversity-konferenz.de . Mehr zu queeren Themen lesen Sie auch in unserem Queerspiegel.

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