Partnerland der ITB: Malaysias Tourismusminister: Haben keine Homosexuellen
Bei der Auftaktpressekonferenz zur Tourismusmesse ITB Berlin löst der Tourismusminister des Partnerlandes Malaysia Irritationen aus - auch bei Landsleuten.
Pressekonferenz im Palais unterm Funkturm zum Start der weltgrößten Tourismusmesse ITB Berlin, die am Dienstagabend feierlich eröffnet werden soll. Es war die erste und vorerst beste Chance für Regierungsvertreter des südostasiatischen Landes Malaysia, dem diesjährigen Partnerland der ITB, aktueller Kritik an dem örtlichen Umgang mit Juden, Israelis sowie mit sexuellen Minderheiten zu begegnen. Unter anderem hatte das Paralympische Komitee dem Land Anfang des Jahres wegen Israel-Feindlichkeit die Schwimmweltmeisterschaften 2019 entzogen. Der Grünen-Politiker Volker Beck hatte am Wochenende die Messe Berlin für die Kür Malaysias kritisiert mit dem Argument, die Veranstalterin hofiere damit eine Regierung, die Homosexualität mit „körperlicher Züchtigung und Peitschenhieben bestraft“, wie er sagte.
"Ist es für Juden und Homosexuelle sicher, in Ihr Land zu reisen?"
Auf dem Podium am Dienstagvormittag geladen war der Minister für Tourismus, Kunst und Kultur des islamisch geprägten Landes, Datuk Mohamaddin bin Ketapi. Der Tagesspiegel sprach ihn auf diese Themen an und fragte direkt: „Ist es für Juden und Homosexuelle sicher, in Ihr Land zu reisen?“ Der Minister, ein älterer Herr, bedankte sich für die Frage, sagte dann aber auf Englisch: „Ich denke, ich würde diese Frage gern nicht beantworten.“ Die Partnerschaft mit der ITB in Deutschland sei hier das Thema. „Das ist hier das falsche Forum, um das zu beantworten. Wir sind hier auf Urlaubsmission auf der ITB Berlin.“
Nachgefragt, die Frage sei ja schließlich sicherheitsrelevant für Deutsche, die jüdisch oder homosexuell sind. „Ist es für sie sicher, in Ihr Land zu reisen?“ Mit Blick auf Homosexuelle in Malaysia sagte Minister Bin Ketapi: „Ich glaube, das haben wir nicht in unserem Land. Ob es sicher ist oder nicht, kann ich nicht beantworten.“ Er sei nicht informiert genug. „Aber eine Sache kann ich sagen: Wir haben nicht diese Art Situation“.
Der Minister provozierte damit Kopfschütteln nicht nur unter einigen der deutlich mehr als 100 anwesenden Journalisten. Ein Vertreter der Tourismusbranche aus dem malaiischen Bundesstaat Malakka sagte abseits der Mikrofone: „Das ist Unfug, das ist ein alter Mann, das darf man nicht so ernst nehmen“. Nach der Veranstaltung sah sich auch Malaysias Botschafterin in Deutschland, Shahafeez Shaharis, berufen, die Aussagen des Ministers einzuordnen. „Sexualität ist Privatsache in Malaysia“, stellte sie klar. Zudem werde das islamische Rechtssystem der Scharia, das gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen in einigen Ländern unter Strafte stellt, nur bei Muslimen angewandt. Auch Religion sei Privatsache, erklärte die Botschafterin. Allerdings erkenne Malaysia den jüdischen Staat Israel wegen des Konfliktes mit den Palästinensern nicht an. Somit könnten israelische Staatsbürger nicht einreisen, deutsche Juden aber sehr wohl.
Messe-Chef Göke: "Ein Gastgeber akzeptiert nicht, sondern hört zu“
Noch auf dem Podium vor laufenden Kameras wurde Christian Göke, Geschäftsführer der Messe Berlin, gefragt, ob die Wahl Malaysias als Partnerland wirklich akzeptabel sei. „Wir sind Gastgeber. Und ein Gastgeber akzeptiert nicht, sondern hört zu“, sagte Göke. Die Sache habe zwei Aspekte. Darf man das? Und sollte man das?
„Das Dürfen ist eine rechtliche Frage. Die Messe Berlin ist ein privatrechtliches Unternehmen mit privaten und öffentlich-rechtlichen Gesellschaftern. Wir sind keine Anstalt des öffentlichen Rechts, wir sind kein Teil der Judikative, der Exekutive oder Legislative in Deutschland. Wir sind ein auf Gewinnziele ausgerichtetes Unternehmen, das Kunden hat. Das Kunden hat, wie eine Zeitung, ein Rundfunksender oder ein Fernsehsender“. Man sei also ein Kommunikationsdienstleister, bei dem man entgeltliche Anzeigen schalten könne, führte der Messe-Chef aus.
„Was die Frage des Sollens angeht, beziehungsweise konkreter ausgedrückt: Ist es in Ordnung, dass Malaysia Partnerland hier ist? Da haben die letzten zehn Minuten gezeigt, dass es sehr, sehr richtig ist und sehr in Ordnung ist. Weil wir dazu beitragen, dass Sie die Informationen nicht aus zweiter, dritter oder vierter Hand bekommen, sondern aus erster.“
Im nächsten Jahr soll Oman Partnerland der ITB sein
Man adressiere diese Themen nicht nur heute und hier, sondern auch in verschiedenen Formaten während der ITB, „wo die lokalen Autoritäten und die lokalen Betroffenen“ eingeladen würden. Insofern schaffe die ITB erstmals eine Kommunikationsmöglichkeit und trage so zur Versachlichung der Diskussion bei. Er glaube, dass umgekehrt „ein Schuh draus wird“, sagte Göke. Je exponierter ein Kunde sich präsentiere auf der ITB, desto höher sei auch seine Verpflichtung, sich solchen Fragen zu stellen und Antworten zu geben, „deren Bewertung unseren Kunden und Gästen und Ihnen obliegt, aber nicht uns als Gastgebern“, schloss der Chef der Berliner Messe.
Göke schien auf Fragen zu Malaysia besser vorbereitet zu sein als der Minister des Partnerlandes selbst. Immer wieder gab es in vergangenen Jahren politische Kritik an der Auswahl des einen oder anderen ITB-Partnerlandes, das für diese Wahl Geld bezahlt. So wurde 2016 die Kür des ebenfalls muslimischen Partnerlandes Malediven kritisiert. Dort gab es Unruhen und angebliche Menschenrechtsverletzungen nach einem Putsch. Auch die Wahl Ägyptens (2012) sorgte im Umfeld der Unruhen des „arabischen Frühlings“ für Debatten. Im kommenden Jahr soll das arabischen Sultanat Oman Partnerland der ITB sein.
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der nicht bei dem Termin anwesend war, erinnerte Urlauber zum Auftakt ITB an die politische Dimension ihres Urlaubs. „Reisen ist heute längst politisch“, teilte er mit. Reisende hätten Mitgefühl, wenn Beschäftigte der Tourismuswirtschaft in Elend lebten. „Immer mehr Urlauber fühlen sich abgestoßen, wenn Regimes Freiheits- und Menschenrechte missachten.“ Und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), stellvertretende Aufsichtsratschefin der Messe Berlin, sagte nach der Pressekonferenz ihre Teilnahme an der ITB ab.
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