Kleinster Beitrag: Raed Saleh will Krippengebühren abschaffen
50 Millionen Euro bringen die Krippengebühren ein. Saleh will sie abschaffen – gegen den Willen der SPD.
Mit einem Versprechen für gebührenfreie Krippenplätze wird die SPD nicht in den nächsten Herbstwahlkampf ziehen. Soviel steht fest seit der jüngsten Mitgliederbefragung: Zwei Drittel der Genossen finden es wichtiger, erstmal in eine verbesserte Betreuungsqualität zu investieren. „Die Kostenfreiheit ist daher nachrangig“, sagt SPD-Sprecherin Josephine Steffen. Dies werde sich natürlich im Wahlprogramm niederschlagen.
Mit ihrem Votum liegt die SPD-Basis auf einer Linie mit dem Landeselternausschuss. Der spricht sich seit Jahren dafür aus, mehr Geld in Personal zu investieren, anstatt die Eltern von den Gebühren freizustellen. Das war schon so, als der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kurz vor den Wahlen 2006 die kostenfreien Kindergartenplätze versprochen hatte.
Gesetzlicher Anspruch auf Krippenplatz
Inzwischen steht fest, was dieses Wahlgeschenk kostete – und was es bewirkte: Es gingen dem Land pro Jahr rund 50 Millionen Euro an Elternbeiträgen verloren – macht 250 Millionen Euro seit Komplettabschaffung der Beiträge Ende 2010. Anders als erhofft stieg die Betreuungsquote in dieser Zeit aber nur um rund ein Prozent an – von 93 auf 94 Prozent. Damit wurde deutlich, dass es offenbar kaum die Gebühren sind, die Eltern davon abhalten, ihr Kind in die Kita zu schicken: Die letzten sechs Prozent haben demnach andere Gründe – und sei es auch nur der Wunsch, das Kind so lange wie möglich bei sich zu behalten oder einen Spielkameraden für die jüngeren Geschwister im Haus zu behalten.
Was nicht nur die Genossen interessieren dürfte: In den Krippen stieg die Betreuungsquote viel rasanter an – obwohl hier nach wie vor Elterngebühren zu bezahlen sind: Statt 62 sind inzwischen 70 Prozent der Ein- bis unter Dreijährigen, in einer Krippe. Fachleute führen diesen deutlichen Anstieg darauf zurück, dass das Kitaplatzangebot ausgebaut wurde, seitdem es einen gesetzlichen Anspruch auf einen Krippenplatz gibt.
Gebühren sind nicht die Haupthürde
Dem SPD-Fraktionschef Raed Saleh reicht dieser Befund allerdings nicht: Er hatte den kostenlosen Krippenbesuch ins Spiel gebracht, weil er die inzwischen erreichten 70 Prozent für zu gering hält: Noch immer gehe wertvolle Zeit für die so wichtige Frühförderung verloren, beklagt Saleh. Die Frage ist allerdings, ob die Krippen-Abstinenz an den Gebühren liegt, wie sein Vorstoß vermuten lässt.
Ein Blick in die Gebührentabelle zeigt, dass die von Saleh angepeilten armen und bildungsfernen Familien kaum zur Kasse gebeten werden: Bei einem Kind zahlen sie für einen Halbtagsplatz nur 15 Euro pro Monat, der Ganztagsplatz kostet 25 Euro. Selbst wer rund 3800 Euro pro Monat brutto hat, muss für einen Ganztagsplatz nicht mehr ausgeben als das Kindergeld, das zurzeit bei 188 Euro liegt. Wer beim gleichen Einkommen drei Kinder hat, zahlt für den Ganztagsplatz 111 Euro und hat 194 Euro Kindergeld.
Der Landeselternausschuss sieht diese Gebühren nicht als Haupthürde bei der Erhöhung der Krippenquote.
An- oder Ausbau ist ausgeschöpft
Er würde zuallererst mehr Erzieher einstellen und sicherstellen, dass es genügend Betreuungsplätze gibt. Denn hier gibt es ein doppeltes Problem: Erzieher sind knapp, zumal andere Bundesländer besser bezahlen. Zudem haben die Kita-Träger ihre Möglichkeiten für einen raschen An- oder Ausbau ausgeschöpft. Künftig wird es daher vor allem darum gehen, dass teure Neubauten finanziert werden müssen.
Für diesen Posten sind im neuen Haushalt 2016/17 aber nur insgesamt 40 Millionen Euro eingeplant. Ob dies – zumal angesichts der Zuzüge – reicht, weiß bisher niemand. Klar ist nur, dass dieser Betrag geringer ist als das, was pro Jahr aus den Krippenbeiträgen eingenommen wird. Anders gesagt: Wenn die SPD die Krippengebühren von 2016 und 2017 komplett in den Ausbau steckte, hätte sie dafür statt 40 Millionen ganze 140 Millionen Euro.