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Der neugewählte Parteivorstand von radikal:klima: Moritz Ellenberg (36), Sandra Wesemann (37), Janka Eckert (31), Antonio Rohrßen (27), Jeanette Krüger (31)
© Hendrik Lehmann

Konkurrenz für die Grünen?: Radikale Klimapartei in Berlin gegründet

Am Sonntag hat sich in einem Berliner Club die Partei radikal:klima gegründet. Sie wollen bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl kandidieren.

Die Berliner Grünen bekommen Konkurrenz. Am Sonntag hat sich eine neue Klimapartei gegründet –„radikal:klima” heißt sie, hat ihre Wurzeln in der Volksinitiative "Klimanotstand Berlin" und der Fridays-for-Future-Bewegung und ein einziges Ziel: Berlin soll bis 2030 klimaneutral werden.

Um das zu erreichen, will die Partei 2021 bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl antreten. Neben einem 100-prozentigen Umstieg auf erneuerbare Energien und einer größtenteils autofreien Innenstadt enthält ihr Grundsatzprogramm Forderungen nach regionaler Lebensmittelversorgung und einer mietenneutralen energetischen Modernisierung aller Altbauten.

Die Klimaschützer haben sich einen guten Tag ausgesucht für ihren Gründungsparteitag im Else-Club, einer Location für Open-Air-Konzerte in Treptow. Es sind 35 Grad, fast genauso heiß wie am Tag zuvor. 2003, 2018 und 2019 wurden die drei heißesten Sommer in Deutschland seit 1881 gemessen.  2020 zeigt der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung derzeit schon wieder in mehreren Teilen Deutschlands extreme Dürre.

So geht’s nicht mehr weiter, sagen gleich mehrere auf der kleinen Bühne an diesem Sonntagabend. Wenn es in den nächsten Jahren noch heißer wird, würden Leute sterben – erst recht in südlicheren Ländern.

„Es ist nicht so schwer, es besser zu machen als Rot-Rot-Grün”

Jeanette Krüger bedankt sich bei den bisherigen Unterstützerinnen und Unterstützern.
Jeanette Krüger bedankt sich bei den bisherigen Unterstützerinnen und Unterstützern.
© Hendrik Lehmann

„Wir kandidieren, weil wir sonst nur verlieren können”, sagt Jeanette Krüger, die gerade in den neuen fünfköpfigen Parteivorstand gewählt wurde. 2021 müsse eine Klimawahl werden, sonst sei es zu spät. „Wir sehen kein Parteiprogramm mit 1,5-Grad-Ziel”, sagt Line Niedeggen von Friday for Future, die als Gastrednerin auftritt. „Es ist nicht so schwer, es besser zu machen als Rot-Rot-Grün” sagt Antonio Rohrßen, ebenfalls frischgebackener Parteivorstand.

Die bisher circa 100 Parteimitglieder sind zuversichtlich, dass sie eine Chance haben, es bei der Landtagswahl 2021 tatsächlich ins Abgeordnetenhaus zu schaffen. Die Piraten hätten das damals schließlich auch geschafft. Außerdem will die Partei fester Bestandteil der Klimabewegung bleiben.

Die zahlreichen Klimagruppen in Berlin sehen sie als potenzielle Unterstützer. „Die Grünen in Berlin haben gerade das zehntausendste Parteimitglied gefeiert”, sagt Rohrßen. Letzten September seien aber 250.000 Menschen bei der Klimademo auf der Straße gewesen. Da seien sicher einige dabei gewesen, die nicht mit der Politik ihrer bisherigen Partei zufrieden sind.

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Schaut man sich im Publikum um an diesem Abend, dann sieht das allerdings nicht sonderlich radikal aus. Im Gegenteil: Neben den hauptsächlich sehr jungen Anwesenden finden sich auch ältere „Parents for Future”, Mitglieder von Bürgerinitiativen, Selbstständige und ein Investor, der sich nachhaltigere Startups wünscht. Die meisten sind ungefähr genauso gekleidet wie der Berliner Durchschnitt in ihrem jeweiligen Alter.

Wo steht die Partei im politischen Spektrum?

Und was, wenn sie es echt ins Abgeordnetenhaus schaffen würden? Koalitionen seien möglich, die „rote Linie” sei aber immer das 1,5-Grad-Ziel. Das sei unverhandelbar und habe sich immer an den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen auszurichten. Denn: „Fakten sind keine politische Meinung”, wie ein Vorstandsmitglied sagt.

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Letztlich geht es der neuen Partei aber gar nicht um Stimmenklau bei den Grünen. „Wenn wir Aufklärung betreiben und mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, dann wird das wahrscheinlich sowohl uns, als auch den Grünen mehr Stimmen bringen”, sagt Vorstandsmitglied Moritz Ellenberg.

Ob sie sie sich im politischen Spektrum einordnen können? „Nein, will ich nicht”, sagt Vorstand Sandra Wesemann. „Nicht rechts”, sagt Vorstand Janka Eckert. „Vielleicht ist der Klimawandel sein eigenes Spektrum”, sagt Vorstand Moritz Ellenberg. Man kann gespannt sein, was die Wählerinnen und Wähler dazu sagen.

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