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Vor der Obdachlosenhilfe am Bahnhof Zoo warten Menschen am Eingang zur Essensausgabe auf Einlass.
© Doris Spiekermann-Klaas

Berlin-Charlottenburg: Prügeleien vor der Bahnhofsmission am Zoo

In der Anlaufstelle für Obdachlose wird das Essen derzeit sicherheitshalber nur noch hinausgereicht. Leiter Dieter Puhl fordert mehr Sozialeinrichtungen in der Innenstadt.

In der Bahnhofsmission am Zoo wird das Essen vorerst nicht mehr im Speisesaal serviert, sondern aus dem Fenster hinausgereicht zu den Obdachlosen und anderen Bedürftigen in der Jebensstraße. Außerdem steht dort ein Mannschaftswagen der Polizei. Das sind die sichtbaren Folgen gewaltsamer Auseinandersetzungen unter Besuchern und zunehmender Übergriffe auf die Mitarbeiter. Eskaliert war die Situation am Wochenende, als sich „unsere haupt- und ehrenamtlichen Helfer bedroht fühlten“, wie der Leiter Dieter Puhl auf Nachfrage bestätigte.

Täglich versorgt die Bahnhofsmission etwa 700 Menschen mit Essen. Dass es mal Ärger gibt, gehört für Puhl zum „Tagesgeschäft“. Er arbeitet seit 25 Jahren bei der evangelischen Berliner Stadtmission und leitet das Haus am Zoo seit neun Jahren. Laut einer Studie seien mehr als die Hälfte aller Wohnungslosen psychisch erkrankt, sagt er, darin liege häufig auch ein Grund für Obdachlosigkeit. „Das heißt nicht, dass diese Menschen gefährlich sind“, betont Puhl. Doch ein kleiner Prozentsatz der Wohnungslosen verhalte sich aggressiv. Dabei spiele oft auch übermäßiger Alkoholkonsum eine Rolle.

Dritter größerer Polizeieinsatz in zwei Monaten

Samstagabend „flogen vor unserer Tür die Fäuste und Flaschen, Messer wurden gezückt“. So machte es Puhl zunächst auf seiner Facebookseite publik. Die Polizei rückte mit rund 25 Beamten an. „Es war der dritte Einsatz dieser Größenordnung innerhalb von zwei Monaten.“ Vom Hergang erfuhr Puhl durch seine Mitarbeiter. Eine wohnungslose Frau hatte in der Kleiderkammer eine Jacke verlangt. Diese bekam sie nicht, weil sie bereits eine Jacke trug, die noch in Ordnung schien. Daraufhin soll die Frau „circa acht Freunde“ aus der Umgebung zu Hilfe geholt haben, die in die Bahnhofsmission stürmen wollten. Zwei andere Männer stellten sich in den Weg. Als sich eine Schlägerei entwickelte, soll einer dieser Männer ein Messer gezogen haben, ohne zuzustechen.

Puhl traf erst später ein und stoppte um 23 Uhr die Essensausgabe, die sonst bis Mitternacht läuft. Wegen Drohungen gegen das Personal spendierte er einer Mitarbeiterin ein Taxi. „Der Weg durch die Straße schien uns zu gefährlich für sie.“

Es fehlt die „psychiatrische Grundversorgung“

In Notübernachtungen werden Hilfesuchende abgetastet, damit sie weder Alkohol noch Drogen oder Waffen hineinbringen. So etwas sei beim Andrang in der Bahnhofsmission nicht praktikabel, sagt Puhl. Zudem finde er „nicht die Jebensstraße bedrohlich, sondern die Unterversorgung der wohnungslosen Menschen“, von denen es in Berlin inzwischen wohl etwa 8000 gebe. Die Sozialarbeit in der City West müsse „dezentralisiert“ werden, es fehle eine „solide psychiatrische Grundversorgung“.

Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) führe „seit dem Beginn ihrer Amtszeit“ Gespräche mit der Stadtmission, der Deutschen Bahn und dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, teilte ihre Verwaltung dazu mit. Auch sie wünsche sich mehr Anlaufstellen, sofern man geeignete Räume und Träger finde.

Am Bahnhof Zoo gibt es auch Fortschritte

Die Einrichtung am Zoo hat viele Unterstützer. So konnte Ende 2015 nebenan ein „Hygienecenter“ mit Duschen, Toiletten, Frisierstube und Waschmaschinen öffnen. Die Bahn investierte etwa 300 000 Euro, das Land Berlin zahlt für den Betrieb jährlich 150 000 Euro. Zusätzlich entsteht bis 2018 ein Beratungs- und Veranstaltungszentrum. Dafür spendete auch der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) 50 000 Euro aus einem Preisgeld.

Im Juli halfen Diplomaten aus Südafrikas Botschaft zum wiederholten Mal anlässlich des „Nelson-Mandela-Tags“ bei der Essensausgabe. Und Puhl wurde im Februar für seine Verdienste mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

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