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In diesem Haus wohnt Abdurlkadir O. mit seiner Frau – und die Hausgemeinschaft fühlt sich terrorisiert.
© Tsp
Update

Es soll Nachbarn terrorisiert haben: Prozess gegen „Tyson Ali“ – der Clan-Mann aus dem Spandauer Horrorhaus

Abdulkadir O. soll seine Nachbarn drangsaliert haben: Eier, Kot an der Tür, Schlösser kaputt. Vor Gericht schweigt er nun.

Der Mann, der seinen Nachbarn in einem Mehrfamilienhaus das Leben zur Hölle gemacht haben soll, ging mit gerecktem Kinn und breiter Brust in den Gerichtssaal: Abdulkadir O. soll für Eierwürfe, Kot an der Tür, zerstörte Schlösser, zerstochene Autoreifen und nächtliche Ruhestörungen verantwortlich sein.

Es ist ein Fall, der unter dem Titel „das Horrorhaus von Spandau“ Schlagzeilen gemacht hat. Abdulkadir O., Spitzname „Tyson Ali“, soll seine Nachbarn in der Falkenhagener Straße in Berlin-Spandau monatelang regelrecht terrorisiert haben.

Seit Freitag muss er sich nun vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Nachstellung, Sachbeschädigung, Körperverletzung und Nötigung verantworten. Die Spuren führen ins Clan-Milieu, der Fall ist in vielerlei Hinsicht bizarr.

„Tyson Ali“ soll seinen Nachbarn das Leben zur Hölle gemacht haben. Die Anklage bezieht sich lediglich auf Fälle zwischen April 2018 und Juni 2019. Die Auseinandersetzungen in dem Mehrfamilienhaus dauern schon länger an.

Laut Anklage soll O. einem benachbarten Ehepaar die Reifen am Auto zerstochen haben, wiederholt die Schlösser an deren Kellertür sowie den Türspion an deren Wohnungstür mehrfach zerstört haben.

Bei der dritten Nachbarin soll O. Wohnung und Balkon mit Eiern beworfen haben. Hinzu kommen Schikanen. O. soll die drei betroffenen Nachbarn verfolgt und fotografiert haben.

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Nachts soll er laut gegen die Heizungsrohre geschlagen haben – an Schlaf war nicht zu denken. Die Nachbarn wurden derart in ihrem Leben eingeschränkt, dass sie psychische und physische Krankheits- und Belastungssymptome gezeigt haben.

Beim Prozessauftakt am Freitag erklärten die Anwälte des Angeklagten, dass dieser sich zur Zeit nicht äußern werde. Zuvor wies das Amtsgericht einen Antrag der Verteidigung auf Einstellung des Verfahrens per Urteil zurück.

Verteidigung beklagt Berichterstattung über Abdulkadir O.

Die Verteidigung hatte argumentiert, O. sei einer vorverurteilenden und tendenziösen Berichterstattung ausgesetzt gewesen. „Die Unschuldsvermutung wurde verletzt. Dadurch wurde die Rechtsstaatlichkeit irreparabel beschädigt und ein fairen Verfahren nicht mehr möglich.“

Der Vorsitzende Richter erklärte hingegen, allein das Ergebnis der Beweisaufnahme sei für die Beurteilung des Falls entscheidend. O. zog etliche Papiere aus seiner Umhängetasche. „Alles Anzeigen, die ich gestellt habe, alle wurden eingestellt“, stöhnte er. 

Schon bevor „Tyson Ali“ einzog, gab es Streit

Monatelang soll der Mann aus dem Umfeld der mächtigen deutsch-arabischen Großfamilie Remmo seinen Nachbarn böse mitgespielt haben. Betroffen seien Eheleute im Alter von 62 und 69 Jahren sowie eine 60-jährige Frau. 

Die Wohnung des Angeklagten befindet sich im Erdgeschoss, das Ehepaar kaufte vor drei Jahren die Wohnung eine Etage höher. Bald nach ihrem Einzug hätten sie es mit Schikanen des Angeklagten zu tun bekommen, sagten nun die Eheleute. „Es fing mit Essensreste vor unserer Tür und demolierten Schlössern an“, sagte der 69-Jährige.

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„Immer wieder wurde unser Kellerschloss demoliert, der Türspion an der Wohnungstür mit einem spitzen Eisen zerschlagen, einmal drei Autoreifen zerstochen." Nachts hätten sie oft keine Ruhe gefunden. „Da wurde heftig gegen die Heizungsrohre geschlagen.“ Mit anderen Nachbarn habe er keinen Streit im Haus, sagte der Rentner. Warum das alles passierte? „Das müssen sie ihn fragen“, konterte der Zeuge. 

Für den Staatsanwalt ist es ein Nachbarschaftsstreit. Die Eheleute sagten: „Er terrorisiert die ganze Hausgemeinschaft. Man kann nicht mehr gehen, ohne dass man guckt, wo er ist.“

Reißzwecken vor der Tür und zerstörtes Spielzeug

Der Nachbar aus dem Erdgeschoss habe ihn und seine Frau immer wieder verfolgt. „Ich schleiche auf leisen Sohlen durch das Haus und so schnell wie möglich an seiner Wohnungstür vorbei“, schilderte die 62-Jährige. 

Schweigend verfolgte der Angeklagte die ersten Aussagen. Wann wurde die Stimmung im schönen Haus angespannt? Der Angeklagte sei 2018 zu seiner Partnerin gezogen, sagte der Rentner. Ob der Streit bereits mit ihr begonnen habe, wollten die Verteidiger wissen. „Im Prinzip ja“, sagte der Zeuge. „Auf ihrer Etage war alles zugestellt.“

Ob er sich mal über laute Kinder des Paares aus dem Erdgeschoss beschwert habe? „Das würde ich nie machen“, erklärte der 69-Jährige. Er und seine Frau hätten viele Enkelkinder. 

Die Verteidiger legten Fotos vor, die Attacken gegen ihren Mandanten belegen würden - „Reißzwecken vor der Tür, Müll, zerschnittene Kinderturnschuhe, zerstörtes Kinderspielzeuge“. Immer wieder habe auch ihr Mandant Anzeigen bei der Polizei erstattet, die allerdings alle eingestellt wurden. 

O. ist über eine Schwester verwandt mit der mächtigen deutsch-arabischen Großfamilie Remmo. Gemeinsam mit dem Clanboss erschien O. etwa im September 2018 bei der Beisetzung des Intensivtäters Nidal R.

Der 37-jährige war zumindest 2019 noch Sozialhilfeempfänger, lebte mit seiner Frau und mehreren gemeinsamen Kindern in der Wohnung in der Falkenhagener Straße – zur Miete. Die anderen Wohnungen sind Eigentumswohnungen.

Gekauft worden war die Wohnung, in der O. mit seiner Familie lebte, 2014 von einer Deutschen, einer Geringverdienerin, die als Strohfrau für den Remmo-Clan aufgetreten sein soll. Das Geld für den Wohnungskauf soll die Strohfrau direkt aus dem Libanon bekommen haben. Sie ist dafür wegen Hinterziehung der Schenkungssteuer belangt worden.

O. blieb lange Zeit unbehelligt

Im Fall O. wird offensichtlich, wie wenig sich Mitglieder des Clans um die hiesigen Werte, Normen und Regeln des Zusammenlebens scheren. Sie leben nach ihren eigenen Regeln – ohne Rücksicht auf andere.

Doch wegen des Terrors im Spandauer Horrorhaus blieb O. lange Zeit unbehelligt. Jahrelang geschah vonseiten der Polizei und der Staatsanwaltschaft nichts.

Im Frühjahr 2019 übernahm dann die für Clan-Kriminalität zuständige Abteilung des Landeskriminalamts die seit 2014 aufgelaufenen, hunderten Fälle von Bedrohung, Nötigung, Sachbeschädigung und Verstößen gegen das Postgeheimnis zentral. Dann wurde auch die Staatsanwaltschaft aktiv, die Polizei durchsuchte die Wohnung.

O. war bereits in einem anderen Fall verurteilt worden, weil er bei seinen syrischen Nachbarn Pfefferspray durchs Fenster gesprüht hatte: Körperverletzung, sechs Monate auf Bewährung.

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