Unfall in Berlin: Porschefahrer könnte epileptischen Anfall gehabt haben
Drei Tage nach dem schweren Unfall in Berlin-Mitte gibt es erste Hinweise zur Unfallursache. Möglicherweise war ein medizinischer Notfall Auslöser des Crashs.
Nach dem tödlichen Unfall am Freitagabend verdichten sich am Montagmittag die Hinweise, wonach der Fahrer des Unfallwagens einen epileptischen Anfall gehabt haben soll.
Das erfuhr der Tagesspiegel aus Polizeikreisen. Noch kurz vor der Fahrt soll der Mann ein Medikament genommen haben. Das soll die Beifahrerin, die Mutter des Unfallfahrers, der Polizei gesagt haben.
Offiziell konnten diese Information weder Staatsanwaltschaft noch Polizei am Montagnachmittag bestätigen. Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte am Rand des Innenausschusses nur: „Wir schließen nach wie vor definitiv medizinische Gründe nicht aus.“
Bei dem Unfall in der Invalidenstraße starben am Freitagabend vier Personen. Bereits am Sonnabend teilte die Polizei Berlin mit, sie gehe Hinweisen nach, wonach ein medizinischer Notfall die Ursache des Unfalls gewesen sein soll.
Bereits kurz nach dem Unfall kursierten Gerüchte, der Fahrer könne einen Herzinfarkt erlitten haben. Gegenüber dem Verkehrsunfallkommando soll die Beifahrerin, die 67 Jahre alte Mutter des Fahrers, noch unmittelbar nach dem Unfall angegeben haben, ihr Sohn habe einen Beinkrampf gehabt und daher das Gaspedal durchgedrückt.
Die genaue Unfallursache ist noch immer unklar. Deshalb bat die Polizei am Montag Zeugen des Unglücks, sich bei den Ermittlern unter der Telefonnummer 030-4664- 372800 zu melden.
Epilepsie im Straßenverkehr?
Epilepsien zählen zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Laut Deutscher Epilepsievereinigung sind bundesweit rund 500.000 Menschen davon betroffen. Epilepsien basieren auf Fehlfunktionen des Nervengewebes in bestimmten Hirnregionen: Blitzartig können sich elektrische Impulse entladen. Bei einem epileptischen Anfall kann es neben einer kurzen Bewusstseinsveränderung zu Zuckungen, Verspannungen oder Krampfanfällen des Körpers kommen.
Daher sprechen Neurologen für viele Epileptiker ein striktes Fahrverbot aus, weil diese nicht in der Lage sind, alle erforderlichen Kriterien der Führerscheinrichtlinie zu erfüllen. Allerdings folgt aus der Aufklärung durch den Neurologen keine Meldepflicht für den Patienten und der behandelnde Arzt unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht – es sei denn, er schätzt das Ausmaß an Eigen- und Fremdgefährdung höher ein und meldet die Diagnose der Straßenverkehrsbehörde.
Neben Epileptikern, die trotz ausgesprochenem Fahrverbot Auto fahren, gibt es aber auch viele an Epilepsie erkrankte, die ganz normal Auto fahren dürfen. Das gilt beispielsweise für Epileptiker, die nachweisbar ausschließlich in Schlafphasen einen Anfall bekommen.
Und das gilt auch, wenn Epileptiker einen gewissen Zeitraum schon keinen Anfall mehr hatten. Für normale Autos der Führerscheinklasse B ist das zum Beispiel der Zeitraum von einem Jahr, für die Klassen C und D ist das ein anfallsfreier Zeitraum von fünf Jahren.
Momentan werden die Beweisstücke ausgewertet
Fest steht nur, dass der Mann mit viel zu hoher Geschwindigkeit fuhr. Deshalb werden derzeit auch die Softwaredaten des Porsche-SUV ausgewertet. Seit 2014 speichern neue Autos die letzten fünf Sekunden vor einem Aufprall, darin enthalten: Raddrehzahl sowie Stellung von Gas- und Bremspedal, außerdem oft Navi-Daten zur Tempoermittlung.
Der Unfallhergang
Nach bisherigen Erkenntnissen stand der Porsche-SUV noch kurz vor dem Unfall, etwa 90 Meter vom Unfallort entfernt, vor dem Schaufenster eines Feinkostgeschäftes in der Invalidenstraße. Von dort fuhr der 42 Jahre alte Fahrer dann mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit links an den auf der Invalidenstraße wartenden Autos vorbei, die Fußgängerampel an der Kreuzung Invalidenstraße und Ackerstraße hatte zuvor Rot gezeigt.
Das belegt auch ein Video, welches vom Armaturenbrett eines Taxis gefilmt wurde und der Polizei vorliegt, es wird derzeit noch gemeinsam mit anderen Hinweisen ausgewertet.
Warum überholte der Fahrer?
Unklar ist, warum der Fahrer an der Autoschlange vorbeifuhr und dann auf den Gehweg zusteuerte. Zeugen gaben im Gespräch mit dem Tagesspiegel an, der Porschefahrer habe auf der Kreuzung versucht, einem Auto oder Fußgänger auszuweichen.
Das Video stützt diese Wahrnehmung nicht, vielmehr ist zu sehen, wie der Wagen schon beim Passieren der Autos vor der Ampel nach links zieht und direkt auf die Ecke des Bürgersteigs zufährt. Zu diesem Zeitpunkt leuchten allerdings die Bremslichter des Wagens kurz auf. Bremsspuren waren am Tag nach dem Unglück auf dem Asphalt der Kreuzung nicht zu sehen.
Allerdings ist das bei modernen Antiblockiersystemen ohnehin nur noch selten der Fall.
Der Porsche prallte am Freitagabend gegen den Ampelpfosten des Fußgängerüberwegs und mehrere Metallpfosten und raste in die dort stehende Menschengruppe. Erst als der Wagen noch den Bauzaun einer angrenzenden Grünfläche durchbrochen hatte, kam er mit der vorderen Stoßstange zur Straße zum Stehen.
Vier Menschen wurden durch den Wagen getötet
Zwei Männer im Alter von 28 und 29 Jahren, eine 64 Jahre alte Frau und ein drei Jahre alter Junge wurden durch das heranrasende Fahrzeug getötet. Fünf weitere Menschen wurden teils schwer verletzt. Bei der Frau und dem kleinen Jungen soll es sich um Großmutter und Enkel gehandelt haben.
In dem Unfallwagen selbst befanden sich neben dem Fahrer noch als Beifahrerin seine Mutter. Auf dem Rücksitz saß die sechs Jahre alte Tochter des Fahrers.
Der Fahrer musste aus dem Unfallwagen freigeschnitten werden und wurde danach schwerverletzt in ein Krankenhaus gebracht, die Beifahrerin und das Kind konnten den Unfallwagen selbst verlassen und wurden nur zur Beobachtung in einem Krankenhaus behandelt. (mit dpa)