zum Hauptinhalt
Tod in der Nacht. Die Polizei hat den Tatort abgeriegelt.
© dpa
Update

Toter bei Polizeieinsatz gegen Bande in Berlin: Polizist erschießt mutmaßlichen Einbrecher

Bei einem Polizeieinsatz gegen eine Bande mutmaßlicher Einbrecher ist Mittwochfrüh ein Verdächtiger an der Ecke Rhinstraße/Landsberger Allee erschossen worden. Es gab zwei Festnahmen, ein vierter Verdächtiger ist flüchtig.

Bei einem Polizeieinsatz an der Grenze der Bezirke Marzahn und Lichtenberg ist am frühen Mittwochmorgen ein Verdächtiger erschossen worden. Nach den bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft gaben Beamte "mindestens einen Schuss" auf einen Wagen ab, in dem zu diesem Zeitpunkt vier Personen saßen. Der Fahrer des Wagens wurde tödlich getroffen, zwei weitere Männer wurden bei einem Fluchtversuch festgenommen. "Einem vierten Insassen des Autos gelang die Flucht", sagte Martin Steltner von der Staatsanwaltschaft. Er war bis zum Mittwochnachmittag noch nicht gefasst.

Steltner zufolge handelte es sich bei den Männern um eine mutmaßliche Einbrecherbande, die schon seit längerem im Visier der Behörden steht und observiert worden war. Die Männer sollen unter anderem Einbrüche in Kleidergeschäfte und Bäckereien begangen haben. In der Nacht habe man das Quartett bis nach Werneuchen in Brandenburg verfolgt, wo sie beim Einbruch in einen Tabakladen beobachtet worden seien. Als das Quartett zurück nach Berlin gefahren sei, habe man sich zum Zugriff an der Kreuzung entschlossen.

Mehrere Zivilfahrzeuge einer Spezialeinheit hätten versucht, den Wagen zu stoppen. "Beim Zugriff brach der Fahrer des Fluchtwagens aus", sagte Steltner. Nach momentanem Kenntnisstand der Sicherheitsbehörden eröffnete ein Polizist aus seiner Dienstwaffe das Feuer auf das Fahrzeug. Der Fahrer des Wagens wurde tödlich getroffen. "Der Wagen fuhr dann noch einige hundert Meter weiter und prallte gegen eine Laterne", so Steltner.

Nach Angaben der Feuerwehr wurden um 3.07 Uhr ein Rettungswagen und ein Notarzt an den Tatort beordert. "Es wurde ein Schusswaffengebrauch gemeldet, die Polizei war schon vor Ort", sagte ein Sprecher. Um 3.14 Uhr seien die Retter eingetroffen. Kurz darauf sei ein technisches Fahrzeug dazu gerufen worden, um den Tatort auszuleuchten. "Gegen 4.04 Uhr wurde dann gemeldet, dass es eine leblose Person gibt", hieß es bei der Feuerwehr.

Die Spurensicherung vor Ort dauerte bis in den späten Mittwochvormittag an. Auch eine Polizeidrohne wurde eingesetzt, um Bilder vom Tatort zu machen. Erst gegen 11.45 Uhr wurde die Rhinstraße wieder vollständig für den Verkehr freigegeben. Der Getötete soll laut Justiz am Mittwochmittag obduziert werden. Steltner zufolge stammt der Mann ebenso wie seine mutmaßlichen Komplizen vom Balkan, sie waren in einem Berliner Flüchtlingsheim gemeldet.

Schusswaffengebrauch durch Polizisten streng geregelt

Die Mordkommission muss nun klären, ob der Polizeibeamte rechtmäßig zur Dienstwaffe gegriffen hatte. Ermittelt werde wegen des Anfangsverdachts des Totschlags, hieß es aus der Justiz.

Der Einsatz der Dienstwaffe durch Polizisten gegen dringend Tatverdächtige ist gesetzlich streng reglementiert. Sie darf – außer in Notwehr – nur dann eingesetzt werden, wenn andere Zwangsmaßnahmen wie körperliche Gewalt oder der Einsatz von Hilfsmitteln wie Pfefferspray erfolglos blieben oder laut Gesetz "offensichtlich keinen Erfolg versprechen." Ziel ist, eine Person angriffs- oder fluchtunfähig zu machen; kann das Ziel durch Gewalt gegen Gegenstände – zum Beispiel den Fluchtwagen – erreicht werden, darf nicht auf Menschen geschossen werden. Bevor ein Beamter schießt, muss er den Gebrauch der Waffe außerdem per Warnruf oder Warnschuss androhen.

Opposition: Vorfall muss politisch aufgeklärt werden

Politiker der Oppositionsparteien kündigten am Mittwochnachmittag an, den Vorfall politisch aufarbeiten zu lassen. Hakan Tas von der Linkspartei sagte, dass nach dem bisherigen Kenntnisstand nicht erkennbar sei, "inwieweit Leib und Leben der beteiligten Beamten bedroht waren." Daher sei fraglich, ob der Schusswaffengebrauch rechtmäßig gewesen sei. Christopher Lauer von der Piratenfraktion kündigte eine entsprechende Anfrage an die Senatsinnenverwaltung an. Die ließ am Mittwochmittag durch einen Sprecher ausrichten, dass man sich mit Blick auf die laufenden Ermittlungen nicht zum Vorfall äußern werde.

Im September hatte ein Beamter einen Islamisten erschossen

Dass Polizisten im Einsatz Menschen erschießen, ist relativ selten. Ein Fall aus dem Juni 2013 hatte eine große öffentliche Debatte in Berlin ausgelöst: Ein Polizist erschoss im Neptunbrunnen am Alexanderplatz einen psychisch Verwirrten, der mit einem Messer auf ihn losgegangen war. Die Ermittlungen gegen den Beamten wurden später eingestellt, weil er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in Notwehr handelte.

Die letzte tödliche Schussabgabe durch Polizisten datiert aus dem September 2015. Damals hatte ein Streifenbeamter in Spandau den Islamisten Rafik Y. erschossen, nachdem dieser seine Kollegin auf offener Straße mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt hatte.

Sind Taser eine Alternative?

In diesem Zusammenhang wird immer auch die Frage diskutiert, ob Polizisten über Taser verfügen sollten. Diese Elektroschockwaffen ermöglichen es, Menschen kurzzeitig außer Gefecht zu setzen. Sie könnten eine nicht-tödliche Alternative zum Einsatz von Schusswaffen sein. Menschenrechtsorganisationen kritisieren aber, Taser seien nichtsdestotrotz lebensgefährlich - die Hemmschwelle, sie einzusetzen, für Polizisten aber viel niedriger als bei Schusswaffen.

Erst vor wenigen Tagen hatte die CDU im Abgeordnetenhaus zu einer Diskussionsveranstaltung über Taser geladen. Einen Bericht von der Veranstaltung lesen Sie hier.

Zur Startseite