Nach rassistischer Hetze auf Facebook: Polizeieinsatz nach zynischem Jubel über totes Flüchtlingskind
Ein Berliner feierte den Tod des ertrunkenen Flüchtlingskindes Aylan. Das rief Polizei und Justiz auf den Plan. Ermittler beschlagnahmten in Hellersdorf den Computer des 26-Jährigen.
Sonnabend früh durchsuchten Beamte des Polizeilichen Staatschutzes beim Landeskriminalamt Berlin als Reaktion auf ein zynisches Hass-Posting die Wohnung des mutmaßlichen Verfassers in Hellersdorf. Der 26-Jährige soll bei Facebook den auf der Flucht nach Europa ertrunkenen dreijährigen Aylan mit folgendem Kommentar verunglimpft haben: „Wir TRAUERN NICHT sondern wir FEIERN ES! Nur ein Flüchtling, ein Flüchtling ist zu wenig: Das Meer hat schon mehr Flüchtlinge geschluckt!" Dies teilte das Polizeipräsidium am Vormittag mit.
Bei der richterlich angeordneten Durchsuchung in der Ludwigsfelder Straße entdeckten die Polizisten bei dem Verdächtigen einen Computer sowie zwei Mobiltelefone und stellten diese als Beweismittel sicher. Nach Beendigung der polizeilichen Maßnahmen wurde der 26-Jährige entlassen. Die Ermittlungen gegen ihn dauern an.
Parallel ging die Boulevardzeitung "BZ" in die Offensive. Die BZ forderte Freitagabend die Facebook-Seite "Berlin wehrt sich" ultimativ auf, Links zu Zeitungsartikeln der BZ zu löschen. So war die Hetze gegen den ertrunkenen Aylan bei "Berlin wehrt sich" mit einem BZ-Foto des Kindes illustriert worden.
Peter Huth, Chefredakteur der BZ, postete um 17.21 Uhr dieses Ultimatum: "Ihr habt jetzt genau neun Minuten Zeit, diesen und alle anderen BZ-Links von Eurer Hohlkopf-Seite zu nehmen, um exakt 17.30 Uhr schicke ich Euch alles auf den Hals, was wir an Anwälten zu bieten haben und das sind auf jeden Fall mehr als ihr Gehirnzellen habt."
Zunächst soll sich Facebook geweigert haben, die beanstandete Hetze zu löschen. In der Nacht teilte Huth dann über Twitter mit, dass Facebook doch reagiert habe.
Nach Polizeiangaben hatte das LKA am Freitag eigenständig mit den Ermittlungen wegen der Aylan-Hetze begonnen, unabhängig von dem Streit zwischen BZ und der Facebook-Gruppe. Die Polizei ermittelt nun wegen Volksverhetzung und der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener". Nach § 189 des Strafgesetzbuch stehen darauf eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte am Sonnabend: "Man muss schon eiskalt und völlig hasszerfressen sein, um das Schicksal eines toten Kindes so widerlich zu kommentieren. Wir müssen ein klares Stoppzeichen gehen diese Ekelpropaganda setzen. Das tun die Berliner Sicherheitsbehörden. Wer hetzt, soll auch Druck spüren. Zuletzt hatte die Polizei Mitte August mitgeteilt, dass ein 34-Jähriger wegen fremdenfeindlicher Hetze im Internet 4800 Euro Strafe zahlen muss. Der 34-Jähriger habe zwischen dem 8. Dezember und dem 15. Dezember 2014 in mehreren Blogbeiträgen bei Facebook zum Hass und zur Gewalt gegen ethnische Minderheiten aufgerufen, so die Polizei. "Dieser Fall zeigt, dass trotz des vermeintlich anonymen Postens Straftäter von der Polizei ermittelt werden", so das Polizeipräsidium am 21. August. Im aktuellen Fall musste nicht viel ermittelt werden, der 26-Jährigen hatte seinen vollständigen Namen auf seiner Internetseite "berlinwehrtsich" genannt. Diese war am Sonnabend abgeschaltet, die Seite bei Facebook war weiter aktiv. Im August hatte Henkel an Facebook und Co appelliert: "Die Betreiber sozialer Netzwerke haben eine Verantwortung, noch entschiedener gegen Hasskommentare vorzugehen."
Benjamin Sch. ist in vielen sozialen Netzwerken aktiv, zuvor soll er auch den Mann als „unseren Held“ gefeiert haben, der vor einigen Tagen in einer S-Bahn auf Kinder urinierte und sie als „Asylantenpack“ beschimpfte.
Jörn Hasselmann