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Geteiltes Lichtenrade - das zumindest befürchten zumindest die Mitglieder der Bürgerinitiative, wenn die Dresdner Bahn überirdisch durch den Ortsteil führt
© Simulation: Deutsche Bahn AG/vectorvision

Bürgerversammlung zur Dresdner Bahn: "Lichtenrade soll wieder gespalten werden?"

Die Lichtenrader hoffen weiter auf einen Bahntunnel. Bei der Bürgerversammlung über den Ausbau der Dresdner Bahn warnten sie vor den geplanten, bis zu sechs Meter hohen Lärmschutzwänden

Im Lichtenrader Gemeindehaus blieb kein Platz mehr frei. Sogar in den Eingängen drängten sich die Zuhörer, am Ende werden es etwa 400 gewesen sein, die sich das Neueste zum Thema Bahnbau nicht entgehen lassen wollten. Eingeladen zur Infoveranstaltung hatte die Bürgerinitiative Dresdner Bahn. Mit dabei: Vertreter von Bund, Senat, Bahn sowie die Bundestagsabgeordneten Renate Künast (Grüne) und Jan-Marco Luczak (CDU).

Sie alle stritten über eine Frage, die mittlerweile seit fast zwei Jahrzehnten ungeklärt ist: Wie erfolgt der Ausbau der Dresdner Bahn, der den Fern- und Regionalverkehr zwischen Berlin und Dresden, aber vor allem zum Flughafen BER und zum Hauptbahnhof, erheblich beschleunigen soll? Die Lichtenrader wollen einen Tunnel für die zwei Gleise, die ihren Ortsteil durchschneiden würden. Bund und Bahn lehnen das ab – zu teuer. Wie berichtet, hat das Eisenbahn-Bundesamt Mitte August entschieden: Die Trasse der Dresdner Bahn wird ebenerdig ausgebaut.

„Seit 18 Jahren läuft das Planfeststellungsverfahren“, sagt Manfred Beck, Vorsitzender der Bürgerinitiative, der die Versammlung moderierte. „Es kann doch nicht sein, dass das so lange dauert.“ Der Senat habe ganz schön geschlafen. „Wir wollen einen Tunnel!“, forderte er. Denn wenn die Bahn ebenerdig gebaut wird, soll die Bahnhofstraße unter den Gleisen hindurchgeführt werden. Das erfordert ein achtprozentiges Gefälle und Eingriffe ins Stadtbild. Die Lichtenrader sorgen sich auch wegen der Abgase, die sich in dieser Senke stauen würden.  Im Winter könnte es zudem sehr glatt werden. Und: Es könnte laut werden. Beck zitiert aus einem Gutachten, in dem von 90 bis 100 Dezibel die Rede ist, wenn ICEs und Regionalzüge vorbeirauschen.

Sechs Meter hohe Lärmschutzwand? "Ich möchte keine neue Mauer!"

Laut bisherigen Plänen soll eine Lärmschutzwand den Krach minimieren. Doch auch die zwischen drei und sechs Meter hohen Wände stoßen auf massive Ablehnung. Der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak drückt einen Hauptkritikpunkt so aus: „Bis 1989 begrenzte die Berliner Mauer unseren tollen Ortsteil. Und nun soll Lichtenrade wieder in zwei Teile gespalten werden? Ich möchte keine neue Mauer!“ Er spricht vielen Bürgern aus dem Herzen. Luczak wendet sich an Christian Gaebler, Staatssekretär aus der Senatsverwaltung für Verkehr. Dieser beschwichtigt: „Wir möchten keine Mauer errichten, die Lösung soll für alle verträglich sein.“ Er sehe auch, dass der Tunnel die beliebteste Variante ist. „Aber sie ist auch mit Abstand die teuerste.“ Die ebenerdige Lösung soll 128 Millionen kosten, zusätzliche 130 Millionen Euro koste die Untertunnelung.

Doch das will die Bahn, wie berichtet, nicht bezahlen, auch der Bund, der offen ist für den Tunnel, will sich an den Kosten bislang nicht beteiligen. Das Land Berlin, das sich in seinem Koalitionsvertrag für einen Tunnelbau ausspricht, müsste die Mehrkosten tragen, ist dazu aber nicht bereit. Gaebler sagt während des Abends zu, gemeinsam mit seinem Kollegen vom Bundesverkehrsministerium Michael Odenwald, der ebenfalls eingeladen war, einen Vorschlag dem Abgeordnetenhaus vorzulegen.

„Sie müssen endlich zu Lösungen kommen“, wirft Grünen-Politikerin Renate Künast ein, „machen Sie endlich eine Vorlage, und tragen Sie die ins Abgeordnetenhaus. Darauf warte ich seit vielen Jahren!“ Sie verweist auf das nach ihrer Meinung positive Beispiel Baden-Württemberg. „Hier ist man viel weiter, das Land ist ein Musterbeispiel für eine frühe Planung von Großprojekten.“ Gaebler hält dagegen: „Baden-Württemberg kann sich sämtliche Mehrkosten der Planung von Bauprojekten leisten – das Land Berlin nicht.“ Zudem sei zu bedenken, dass beim jahrelangen Bau des Tunnels mit einem enormen Aufkommen an LKW-Fahrten zu rechnen ist. CDU-Mann Luczak hält dagegen: „Die Erde kann über die Schienen abtransportiert werden.“

Die Initiative droht mit einer Klage

Die Bürgerinitiative macht an diesem Abend deutlich: Notfalls zieht sie vors Gericht, aber eine politische Lösung wäre ihr lieber. Für die sind alle Beteiligten, auch der CDU-Vertreter Luczak: „Wir reden hier über die Belange von 50.000 Menschen, so ein Projekt muss man politisch entscheiden, nicht juristisch.“ Und sein Parteikollege Odenwald ergänzt: „Ich finde das Engagement der Bürger sehr wichtig. Es könne nicht sein, dass kein Ende des Planfeststellungsverfahrens in Sicht sei. „18 Jahre - das ist zu lang.“

Außer Stadtbild, Verkehrsaufkommen und drohender Wertverluste ihrer Grundstücke bewegt die Anwohner auch ein grundlegendes Problem der Politik: Sie vermissen die Beteiligung  an den Entscheidungen. Manfred Beck von der Bürgerinitiative formuliert es so: „Wir wählen Politiker, ohne später in irgendeiner Form mitentscheiden zu können. Kein Wunder, dass die Wahlbeteiligung in Deutschland so gering ist und Frust entsteht.“

Bigna Fink

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