Polizei-Aktion gegen Falschparker: Jetzt wird abgeschleppt in Berlin
Immer mehr Berliner ärgern sich über zugeparkte Rad- und Gehwege. Nun wurde die Polizei aktiv und wollte fünf Tage lang "konsequent gebührenpflichtig umsetzen".
Zahlen sind das eine, das Fazit ist das andere. Und das Fazit, das die Polizei am Mittwoch zu der fünftägigen Sonderkontrolle gegen Falschparker in de vergangenen Woche zog, ist verheerend. Absatzweise verteilt das Polizeipräsidium in der Meldung Ohrfeigen an die Berliner Autofahrer. Aus der Pressemitteilung im Wortlaut: „Erneut zeigte sich, dass allein die sichtbare Präsenz uniformierter Kräfte bereits sehr kurzfristig den Effekt hat, dass Fahrzeuge schnell entfernt werden und insbesondere Rad- u. Busspuren zumindest vorübergehend wieder frei befahrbar sind. Genauso schnell sind diese aber auch wieder blockiert, wenn die Streifen außer Sichtweite sind.“
In der vergangenen Woche sind die Ordnungsämter von sechs innerstädtischen Bezirken, die BVG und die Polizei zum wiederholten Male „gegen das verkehrswidrige Halten und Parken auf Rad- und Busspuren sowie in zweiter Reihe“ vorgegangen, die Falschparker, heißt es weiter handelten „überwiegend aus eigensüchtigen Motiven“ und riskierten dadurch bei anderen Verkehrsteilnehmern „in rücksichtsloser Weise gerade in verkehrsreichen Straßen lange Rückstaus und riskante Fahrstreifenwechsel“.
Bei der Aktion wurden 6795 Halt- und Parkverstöße zur Anzeige gebracht. In 282 Fällen wurden „Kraftfahrzeuge zur Gefahrenabwehr kostenpflichtig umgesetzt“ – das sind die wichtigsten Zahlen der Bilanz. Die Zahl der geahndeten Falschparker wird genau aufgeschlüsselt (in Klammern die Zahl der abgeschleppten Fahrzeuge). Radspuren und -wege: 1068 (35) Busspuren: 957 (194); zweite Reihe: 1212 (3) und sonstige Halt-/Parkverstöße: 3558 (50)
Die Zahlen zeigen, dass auf Busspuren am häufigsten abgeschleppt wird. Jedes fünfte Auto, das auf einer Busspur stand, wurde umgesetzt. Fahrzeuge, die in zweiter Reihe stehen, werden nur in extremen Ausnahmefällen abgeschleppt. In den fünf Tagen führten Polizisten tausende von Gesprächen, wie das Präsidium mitteilte. Die Betroffenen sollten für die aus ihrem Verhalten resultierenden Folgen für andere sensibilisiert und die Rechtslage aufgezeigt werden.
Doch die Beamten erlebten wenig Einsicht auf der Gegenseite, wie die Mitteilung des Präsidiums deutlich macht: „Es zeigte sich, dass das eigene Fehlverhalten sehr häufig bagatellisiert und verharmlost wird. Ein spürbares Unrechtsbewusstsein war kaum wahrzunehmen und es ist zu vermuten, dass viele der Betroffenen ihre individuellen Interessen hinsichtlich des Haltens und Parkens vor allem auf Busspuren und in zweiter Reihe regelmäßig sorglos über die Interessen der Allgemeinheit stellen.“
Fahrradaktivisten haben vor etwa zwei Jahren für solche Falschparker bei Twitter den Hashtag #asozial eingeführt. Rücksichtslose Autofahrer können nur über die Geldbörse zur Einsicht gebracht werden, davon ist nicht nur Heinrich Strößenreuther überzeugt. Bereits vor drei Jahren hatte der spätere Initiator des Volksentscheid Fahrrad eine Online-Petition gestartet, um höhere Bußgelder durchzusetzen. Falschparken sollte von heute meist 20 auf 80 oder gar 130 Euro steigen, wie es in vielen anderen EU-Ländern üblich sei.
Erst das Abschleppen wird für Falschparker teuer. Die Polizei kassiert für eine Umsetzung 136 Euro, das Ordnungsamt sogar 199. Im Jahr 2016 wurden berlinweit 28 431 Autos abgeschleppt, also fast 80 pro Tag. Die zunächst bedeutend klingende Zahl von 282 bei der jüngsten Sonderaktion abgeschleppter Wagen relativiert sich also erheblich. Allerdings verschärfte die Polizei ihre Gangart im Vergleich zu einer vorangegangen Aktion im Juni 2017 deutlich: Damals wurden 177 Autos umgesetzt.
Wo genau die 28 431 Abschleppwagen im Einsatz waren, kann die Polizei, wie berichtet, nur teilweise sagen. Auf Busspuren der BVG wurden demnach 5271 Falschparker beseitigt. Am Mittwoch korrigierte die Polizei ihre Angabe von Dienstag, dass auf Radspuren nur 210 Autos abgeschleppt wurden. Tatsächlich waren es 894. Sehr viele Autos werden bei Veranstaltungen mit Halteverboten abgeschleppt, zum Beispiel beim Marathon oder dem Myfest.
Nach Polizeiangaben werden Radwege und Busspuren „tagtäglich viel zu häufig auch durch den gewerblichen Lieferverkehr blockiert“. Gegenüber Lieferanten zeigte die Polizei allerdings Nachsicht, da dieser „vor allem in Geschäftsstraßen kaum Gelegenheiten findet, Lieferfahrzeuge ordnungsgemäß abzustellen“. Was das Präsidium nicht schreibt: Die Bezirke haben viel zu wenig Ladezonen eingerichtet. Und die vorhandenen Ladezonen sind durchgehend durch Dauerparker blockiert, dies zwingt den Lieferverkehr in die zweite Reihe. Die Dauerparker in Ladezonen wurden in der vergangenen Woche nicht behelligt.