Berliner Falschparker im Visier der Polizei: "Jede Minute ein Falschparker auf Berlins Radwegen"
Nicht nur Knöllchen für Parksünder: Diese Woche kündigen die Berliner Polizei und die Ordnungsämter ein „konsequentes gebührenpflichtiges Umsetzen“ an.
"Von Prenzlauer Berg nach Mitte - jede Minute ein Falschparker auf dem Radstreifen", twittert Tagesspiegel-Polizeireporter Jörn Hasselmann am Montagmorgen über seine Eindrücke aus dem Berliner Straßenverkehr. Auf den Radwegen und Bürgersteigen parken vor allem Lieferfahrzeuge, die Ware in die Geschäfte bringen. Unterwegs ist auch die Fahrradstaffel der Berliner Polizei. Was das Falschparken auf dem Radweg kostet? "30 Euro", berichten die Polizisten.
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Auf 40 ausgewählten Straßenzüge sollen Falschparker wie berichtet von Montag bis Freitag auf Radwegen und Busspuren kontrolliert werden. Innensenator Frank Henkel (CDU) und Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) unterstützen die Aktion.
Die Realität ist eine ganz andere: Falschparker werden nicht konsequent umgesetzt, sondern selbst bei grob verkehrswidrigem Parken fast immer toleriert.
Zwei Ausreden hören Fahrradfahrer oder -aktivisten immer wieder, wenn sie Falschparker bei Polizei oder Ordnungsamt melden: „Da kommt man noch gut dran vorbei.“ Oder: „Wir haben Ermessensspielraum.“
Mittlerweile gibt es mehrere Berliner, die sich damit nicht zufriedengeben – sondern die 110 wählen und solange Druck machen, bis der Abschleppwagen da ist. Einer von ihnen ist Andreas Schwiede, er dokumentiert Falschparker bei Twitter unter „@Poliauwei“.
15.700 Knöllchen verschickte die Bußgeldstelle im Jahr 2015 wegen illegalen Parkens auf Radspuren. Nur 150 wurden umgesetzt, also ein Prozent.
Dabei drohen Radfahrern durch Falschparker „gefährlichen Folgen, weil sie regelmäßig zu Ausweichmanövern in den schnellen Fließverkehr gezwungen werden“, wie es in der Meldung der Polizei heißt. „Ein Knöllchen beseitigt aber nicht die Gefahr“, betont Schwiede.
Bereits vor zwölf Jahren hatte der damalige Abgeordnete Michael Cramer (Grüne) kritisiert, dass „das Umsetzen solcher Fahrzeuge fast durchgehend mit der Begründung verweigert werde, dass aktuell kein anderer Verkehrsteilnehmer bzw. Fußgänger behindert werde“.
Dabei ist das Recht auf Seiten der Radfahrer. Bereits 1998 stellte das Verwaltungsgericht fest, dass das Abschleppen eines Falschparkers schon dann verhältnismäßig sei, wenn der Wagen nur 40 Zentimeter in einen 1,75 Meter breiten Radweg hineinrage. „Es genüge, dass Radfahrer behindert werden könnten“, so die Richter damals. Parken auf Radwegen ist laut einer internen „Geschäftsanweisung“ der Polizei ein „Regelfall“ für den Abschleppwagen.
Dass 99 Prozent nicht abgeschleppt werden, liegt am Ermessensspielraum der Beamten: "Die einschreitende Polizeidienstkraft entscheidet in jedem Einzelfall eigenverantwortlich, ob die mit dem Umsetzen verbundenen Nachteile für den Fahrzeugverantwortlichen nicht möglicherweise außer Verhältnis zu dem erstrebten Erfolg stehen", sagte Rainer Paetsch von der Verkehrspolizei dem Tagesspiegel. Mittlerweile empfehlen Aktivisten, bei den Vorgesetzten im Abschnitt anzurufen, wenn sich Beamte auf der Straße weigern, den Abschleppwagen zu rufen. Paetsch ergänzt allerdings: „Für den Bürger gibt es keinen Rechtsanspruch auf eine polizeilich anzuordnende Umsetzung“.
In Berlin kommen also 99 Prozent der Falschparker auf Radwegen in den Genuss einer Einzelfallprüfung und mit einem Knöllchen (10 bis 35 Euro) davon. Vor zwei Jahren hatte Heinrich Strößenreuther, der jetzt den Fahrradvolksentscheid initiiert hat, deutlich höhere Strafen (etwa 100 Euro) für Falschparker per Petition gefordert. Strößenreuther vermutet, dass die Polizei-Aktion eine Reaktion auf seinen Radentscheid ist.
Obwohl 99 Prozent der gefährdenden Falschparker bislang mit einem Knöllchen davonkommen, meldeten sich die beiden zuständigen Senatoren nun mit erstaunlich deutlichen Worten: „Es gibt Verkehrsteilnehmer, die ihre eigenen Interessen über die der Allgemeinheit stellen und sich deshalb nur eingeschränkt an die verbindlichen Regeln des Straßenverkehrs halten", so Henkel.
Die Polizei zitierte Verkehrssenator Geisel so: Was nützt der beste Radweg, wenn er nicht uneingeschränkt genutzt werden kann? Widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge zwingen die Radfahrenden oft zu gefährlichen Ausweichmanövern. Das darf nicht sein und das nehme ich nicht hin." Die Initiative für den Radentscheid wirft Geisel und der Polizei jedoch genau das vor, nämlich gegen das Zuparken von Radspuren nicht einzuschreiten.
Einen anderen Weg wählte ein Moabiter Radfahrer. Etwa 3000 Falschparker hat er in den letzten 18 Monaten dokumentiert und beim Ordnungsamt angezeigt. Offenbar werden seine Anzeigen per Mail zumindest teilweise bearbeitet. „Es gab sachliche Rückfragen von der Bußgeldstelle, berichtete der Mann.