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Zerstört: Der Tatort am Dienstagmorgen.
© Luisa Jacobs
Update

Brandstiftung am Oranienplatz in Kreuzberg: „Das war ein gezielter Anschlag“

Es war Mahnmal und Veranstaltungsort für in Berlin lebende Flüchtlinge – jetzt ist das „Haus der 28 Türen“ in Kreuzberg abgebrannt. Die Polizei geht von Brandstiftung aus.

Alekos Hofstetter ist fassungslos. „Der Anblick ist schwer zu ertragen“, sagt der Künstler. Er ist am Dienstagmorgen gleich zum Oranienplatz geeilt, als er gehört hatte, was dort in der Nacht zuvor passiert ist: Das „Haus der 28 Türen“ ist abgebrannt. Hofstetter war einer der Künstler der Gruppe „Bewegung Nurr“, die den Rundbau zusammen mit Flüchtlingen in jahrelanger Arbeit entwickelt und aufgebaut hatten. „Das war ein gezielter Anschlag“, vermutet er. Darauf deuten auch erste Erkenntnisse der Ermittler hin. Die Polizei bestätigte dem Tagesspiegel inzwischen, dass sie von Brandstiftung ausgehe und festgestellt habe, dass die Täter vor dem Anschlag in das Haus eingedrungen waren.

Die Ermittler haben außerdem beobachtet, dass das Feuer sehr heiß gewesen sein muss – was darauf hindeutet, dass jemand Brandbeschleuniger benutzt hat. Wie Hofstetter bereits zuvor vor Ort im Gespräch mit Brandermittlern erfahren hat, ist wahrscheinlich zunächst die Tür des Pavillons aufgebrochen und ein Brandsatz im Inneren abgelegt worden.

„Ich denke, dass es sich gezielt gegen Flüchtlingen richtet“, sagt auch Harald Glöde. Der Politikwissenschaftler arbeitet seit langem mit Asylbewerbern in Berlin und ist Gründer des Vereins „borderline europe - Menschenrechte ohne Grenzen e.V.“, der anfangs das Programm im „Haus der 28 Türen“ mitgestaltet hatte. Da stand es noch auf dem Tempelhofer Feld, im vergangenen Herbst wurde der Rundbau dann auf den Oranienplatz verfrachtet. Dort wurde es in Absprache mit dem Bezirk offiziell den Flüchtlingsgruppen übergeben, die den Ort seit langem für ihre Proteste gegen die europäische Asylpolitik benutzt hatten. „Das Haus hätte ein Treffpunkt für Flüchtlinge und eine Informationszentrale werden sollen“, sagt Glöde. Daher sei die Zerstörung durch den Brand ein herber Schlag für die Flüchtlingsbewegung.

Der materielle Schaden beläuft sich auf einige Zehntausend Euro, schätzt Denhart von Harling, der in der Anfangszeit des „Hauses der 28 Türen“ als Pressesprecher des Projektes fungierte. Das Geld sei damals von der Lottostiftung Berlin und anderen Quellen der Projektförderung gekommen. Der aus Holz und Metall bestehende Rundbau mit seinen 28 Türen, die symbolisch für die Abschottung der 28 EU-Staaten gegenüber Flüchtlingen stehen, sei sehr aufwändig konstruiert gewesen. „Es ist dramatisch, dass jetzt zum zweiten Mal ein Bau abgebrannt ist, der für die Sichtbarkeit der Flüchtlinge steht“, sagt von Harling.

Vollständig zerstört: Feuerwehrleute löschten den Brand, aber vom "Haus der 28 Türen" blieben nur noch verkohlte Träger übrig.
Vollständig zerstört: Feuerwehrleute löschten den Brand, aber vom "Haus der 28 Türen" blieben nur noch verkohlte Träger übrig.
© Thomas Schröder

Bürgermeisterin Herrmann: „Kein Ort der Provokation“

Der innen- und flüchtlingspolitische Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus, Hakan Taş, erklärte am Dienstagmittag: „Der feige Brandanschlag gilt zweifelsohne dem Unterstützernetzwerk der Berliner Flüchtlinge“. Er forderte eine „zügige und umfassende polizeiliche Aufklärung des Falles“. Das „Haus der 28 Türen“ sich mit dem Leben von Flüchtlingen beschäftigt und „die unwürdige Aufnahmepraxis“ in Europa veranschaulicht. Das Kunstprojekt habe „den Widerstandsgeist der Refugee-Proteste getragen“. Bis zuletzt seien die Räumlichkeiten von Flüchtlings-Aktivisten als Veranstaltungsort und Treffpunkt genutzt worden.

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen) bewertete den Anschlag in einer ersten Stellungnahme als „sehr irritierend“. Um den temporären Bau habe es - anders als um das dort zuvor geräumte Flüchtlingslager - „keine Auseinandersetzungen“ in Kreuzberg gegeben. Das „Haus der 28 Türen“ sei ein Kunst- und Kulturprojekt gewesen, „kein Ort der Provokation“. Es habe hier zwar einzelne Veranstaltungen zum Thema Flucht und Asyl gegeben, „aber das hat die Bevölkerung nicht genervt“.

Ein Zeuge sah, wie ein Mann weglief

Der Notruf war am frühen Dienstagmorgen um 0.50 Uhr bei der Berliner Polizei eingegangen: Das „Haus der 28 Türen“ stand in Flammen. Vor gut sieben Monaten war das Veranstaltungszelt und Kunstprojekt zur Flüchtlingsthematik auf dem Kreuzberger Oranienplatz eröffnet worden. Jetzt sind von dem 57 Quadratmeter großen Rundbau nur noch verkohlte Metallträger übrig.

Alarmiert worden war die Polizei von einem Zeugen, der einen Mann vom Tatort wegrennen sah. Als die Beamten am Tatort eintrafen, nahmen sie einen 25-Jährigen fest, auf den die Beschreibung des Verdächtigen passte. Er wurde aber nach einer Gegenüberstellung mit dem Zeugen wieder laufengelassen. „Der ist das nicht“, sagte der Zeuge laut Polizei.

Das „Haus der 28 Türen“ war im vergangenen September von einer Künstlerinitative an einem politisch aufgeladenen Ort errichtet worden. Zuvor hatten hier Flüchtlinge und ihre Unterstützer mehr als eineinhalb Jahre lang mit einem Zeltlager gegen die EU-Flüchtlingspolitik protestiert. Neben Zuspruch von Anwohnern hatte es immer wieder auch Kritik und einzelne tätliche Auseinandersetzungen zwischen Passanten und Camp-Bewohnern gegeben.

EU-Sterne auf schwarzem Hintergrund: Das Kunstprojekt sollte ein Zeichen der Trauer um die im Mittelmeer ertrunkenen Bootsflüchtlinge setzen.
EU-Sterne auf schwarzem Hintergrund: Das Kunstprojekt sollte ein Zeichen der Trauer um die im Mittelmeer ertrunkenen Bootsflüchtlinge setzen.
© Promo

Nach schwierigen Verhandlungen wurde das Lage im vergangenen Sommer geräumt. Die Flüchtlinge vom Oranienplatz hatten vor der Räumung der Grünanlage ausgehandelt, dass sie neben einem Infocontainer auch ein Veranstaltungszelt erhalten. Im Juni war das Zelt von Unbekannten angezündet worden und komplett abgebrannt.

Kurz darauf wurde im Einvernehmen mit dem Bezirk das Kunstprojekt dort aufgebaut, das zuvor auf dem Tempelhofer Feld gestanden hatte. Die Türsymbolik soll auf die 28 EU-Staaten verweisen, die ihre Außengrenzen gegen den Zustrom von Flüchtlingen abgeschottet haben. Die EU-Sterne prangen auf schwarzem Hintergrund, als Zeichen der Trauer um die im Mittelmeer ertrunkenen Bootsflüchtlinge.

Jetzt ermittelt das Brandkommissariat, dessen Mitarbeiter am Dienstagmorgen den Tatort weiter untersuchten. Zudem ist es laut Polizei möglich, dass der Polizeiliche Staatsschutz sich einschalte, da ein politischer Hintergrund nicht auszuschließen sei.

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