zum Hauptinhalt
Dilek Kolat (rechts) und Frank Henkel (2. von links) verkünden am 18. März die Einigung mit den Flüchtlingen. Doch offenbar war diese nicht rechtswirksam, da Henkels Unterschrift fehlt.
© dpa

Debatte im Senat: Henkel und Kolat streiten per Rechtsgutachten um Flüchtlinge

Ist das Einigungspapier vom Oranienplatz rechtskräftig gültig? Der Streit darum zwischen Frank Henkel und Dilek Kolat wird mit Rechtsgutachten ausgetragen.

Der Konflikt zwischen Innensenator Frank Henkel (CDU) und Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) spitzt sich weiter zu. Das Mittel, mit dem beide Seiten den Zwist austragen, sind Rechtsgutachten, die jedes der beiden Häuser in Auftrag gegeben hat und die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Es geht darum, ob das von Kolat mit den Flüchtlingen vom Oranienplatz im März ausgehandelte Einigungspapier überhaupt Rechtskraft hat. Damals hatten Flüchtlinge den Oranienplatz seit 18 Monaten besetzt. Das Einigungspapier, das die Besetzung beendete, hielt fest, dass die Flüchtlinge selbstständig den Abbau aller Zelte und Unterkünfte auf dem Platz organisieren und in vom Senat bereitgestellte Unterkünfte umziehen. Die Flüchtlinge haben diesen Teil der Abmachung eingehalten.

Der Senat erklärte sich bereit, die Einzelfallverfahren der Flüchtlinge im Rahmen aller rechtlichen Möglichkeiten umfassend zu prüfen. Dies ist Innensenator Henkel zufolge auch geschehen – die ersten 108 Anträge wurden abschlägig beschieden, die betroffenen Flüchtlinge mussten vergangene Woche ihre Unterkünfte verlassen und in die Bundesländer zurückkehren, in denen sie zuerst registriert waren. Neun Flüchtlinge haben sich dagegen geweigert und sind zur Stunde immer noch in einem Hostel in der Gürtelstraße in Friedrichshain.

Kolat kann nichts zusichern, wofür sie nicht zuständig ist

Nun kommt ein von Henkel in Auftrag gegebenes Gutachten aus der Feder des Ausländerrechts-Experten Kay Hailbronner von der Universität Konstanz zu dem Ergebnis, dass es sich bei diesem Einigungspapier um keinen bindenden öffentlich-rechtlichen Vertrag handle, da Dilek Kolat die Verhandlungen mit den Flüchtlingen geführt und die Abmachung unterzeichnet hat; zuständig gewesen wäre jedoch der Senator für Inneres. Frank Henkel hat also ein Gutachten in Auftrag gegeben, demzufolge ein Papier, das er seit Monaten vorgibt zu befolgen, nicht rechtswirksam ist, da er selbst es nicht unterzeichnet hat.

Mit diesem Gutachten reagiert Henkel auf ein von Kolats Haus in Auftrag gegebenes und von dem Bremer Juristen Andreas Fischer-Lescano verfasstes Gutachten vom Juni diesen Jahres, demzufolge das Papier mehrere verbindliche Zusicherungen des Senats beinhalte. Diese Aussage kassiert Hailbronner jetzt: Kolat könne nichts verbindlich zusichern, wofür sie nicht zuständig sei, und das Verhalten des Senats und des Innensenators könne „nicht als rechtlich verbindliche Zusage eines bestimmten ausländerbehördlichen Verhaltens“ gedeutet werden. Eine Sprecherin von Frank Henkel bekräftigt: „Verhandlungsparteien waren Senatorin Kolat und die Flüchtlingsvertreter.“

Darüber ist man in Kolats Haus sehr verwundert: „Jedes Wort im Einigungspapier wurde in Chefgesprächen zwischen Senatorin Kolat, Senator Henkel und damit dem Leiter der Ausländerbehörde abgestimmt“, erklärt ein Sprecher. Aziz Borkut, der Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der Berliner SPD, sagt sogar: „Das Vorgehen und Verhalten von Frank Henkel ist eines Innensenators unwürdig“ und „armselig“.#

Taş: Flüchtlinge "amtlich hinters Licht geführt"

Der flüchtlingspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Hakan Taş, nennt Henkels Vorgehen einen „unglaublichen politischen Vorgang“, die Flüchtlinge seien „amtlich hinters Licht geführt“ worden. Denn auch in einem weiteren Punkt gehen die Gutachten auseinander: Während das erste Gutachten besagt, dass die Berliner Ausländerbehörde die Flüchtlinge gewissermaßen so lange geduldet habe, dass daraus „konkludent“, also schlüssig folge, dass sie jetzt für sie zuständig sei, verwirft Hailbronner auch diese Aussage und erklärt lapidar: „Das geltende Recht erlaubt keine konkludenten rechtswidrigen Verwaltungsakte durch unzuständige Behörden.“

Monika Lüke, selbst Juristin und als Integrationsbeauftragte des Senats Kolat untergeordnet, meint dazu: „Diese formaljuristische Argumentation ist sehr einfach gestrickt und lässt die im März herrschenden besonderen Gegebenheiten völlig außer Acht.“

Zur Startseite