SUV-Unfall in Berlin-Mitte: Anwalt von Michael M. äußert sich zu Epilepsie-Verdacht
Vier Menschen starben. Erst durchsuchten Ermittler die Wohnung des SUV-Fahrers nach Epilepsie-Hinweisen. Nun erklärt der Anwalt: Es war ein akuter Notfall.
Eine Woche nachdem vier Menschen in der Invalidenstraße bei einem Unfall zu Tode gekommen sind, ist die Wohnung des SUV-Fahrers durchsucht worden. Das erfuhr der Tagesspiegel aus Polizeikreisen.
Zugleich bestätigte ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft einen entsprechenden „Bild“-Bericht. Es sei ein Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des 42-Jährigen erwirkt und am vergangenen Freitag vollstreckt worden.
Die Ermittler haben bei der Durchsuchung Hinweise darauf gesucht, ob der SUV-Fahrer Michael M. tatsächlich an Epilepsie erkrankt ist. Zur Frage, ob dort Hinweise darauf gefunden wurden, dass der Beschuldigte an Epilepsie oder einer anderen chronischen Krankheit leidet, teilte die Staatsanwaltschaft mit, es seien Beweismittel sichergestellt worden, die nun ausgewertet würden.
Nach dem Unfall vom 6. September in Mitte soll die 67-jährige Mutter des Unternehmers angeben haben, dass er einen epileptischen Anfall gehabt habe. Die Frau saß als Beifahrerin in dem Wagen, auf der Rückbank saß ein Kind des Mannes.
Gegen Michael W. wird wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung ermittelt. Er lag nach dem Unfall für kurze Zeit unter Polizeischutz im Krankenhaus. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft schweigt der Mann bislang zu dem Unfall und lässt sich durch einen Anwalt vertreten.
Bislang hat der Mann zu dem Unfall geschwiegen und lässt sich durch einen Anwalt vertreten. Und der hat sich nun auch gegenüber der Staatsanwaltschaft geäußert. Wie ein Sprecher dem Tagesspiegel am Abend sagte, habe der Anwalt des SUV-Fahrer erklärt, dass ein „akuter medizinischer Notfall“ vorgelegen habe.
Bei den Ermittlungen gehe es jetzt um die Frage, ob der Mann die gesundheitliche Situation vorhersehen konnte, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Übersetzt bedeutet das: Die Ermittler prüfen also, ob der Fahrer nicht nur fahrlässig, sondern im festen Wissen um die Gefahr sogar vorsätzlich gehandelt haben könnte.
Bei dem Unfall an der Kreuzung Invaliden-, Ecke Ackerstraße starben am Abend des 6. September eine 64-jährige Frau, ihr drei Jahre alter Enkel und zwei Männer, ein Spanier, 28, und ein Brite, 29.
Die Mutter des getöteten Kindes und ihr weiteres Kind mussten den Unfall mitansehen. Das 64-jährige Opfer lebte in Hessen, soll dort als Berufsschullehrerin tätig gewesen und im Sommer pensioniert worden sein.
Ermittlungen zur Unfallursache gestalten sich schwierig
In Berlin soll sie zu Besuch gewesen sein, um ihrer Tochter bei der Betreuung ihrer drei Kinder zu helfen. Der Brite und der Spanier waren ein Paar und wollten sich in Berlin ein gemeinsames Leben aufbauen.
Der SUV war auf der Invalidenstraße in Richtung Osten auf der Gegenfahrbahn an einer Reihe Autos vorbeigefahren, die an der Ampel warteten. Dann raste der Porsche an der Kreuzung gegen eine Ampel, überschlug sich mehrfach, riss die vier Opfer und einen Bauzaun mit sich.
Die Ermittlungen zur Unfallursache gestalten sich schwierig. Bislang haben sich rund 50 Zeugen gemeldet. Sie werden nach und nach von der eigens gegründeten Ermittlungsgruppe „Invalidenstraße“, die aus sechs Beamten besteht, vernommen.
Es besteht allerdings das Problem, dass die meisten Zeugen nicht gesehen haben, wie der Porsche auf der Invalidenstraße entlang gerast ist. Die meisten gelten als sogenannte „Knallzeugen“: Sie haben erst hingeschaut, als sie den Aufprall des Wagens gehört haben.
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Die Staatsanwaltschaft hat auch einen Gutachter eingeschaltet, der den Hergang des Unfalls untersuchen soll. Auch die Daten des SUV und das Dashcam-Video eines Taxifahrers, die den Unfall gefilmt hat, werden ausgewertet.
Ermittler kommen nicht an Patientenakten heran
Die Durchsuchung bei dem Porsche-Fahrer ist auch notwendig geworden, weil die Ermittler bei den Ärzten des Mannes nicht einfach an dessen Patientenakten herankommen. Selbst ein Richterbeschluss wäre dafür nur schwer zu bekommen, für Patientenakten bei sogenannten Berufsgeheimnisträgern besteht nach der Strafprozessordnung ein Beschlagnahmeverbot.
Sollten sich jedoch Unterlagen zu einer möglichen Erkrankungen in der Wohnung befunden haben, können diese bei der Durchsuchung beschlagnahmt und als Beweismittel genutzt werden.
Ein epileptischer Anfall, bei dem Betroffene die Kontrolle über ihren Körper verlieren oder Handlungen ohne Bewusstsein fortführen, lässt sich nur bei einem Fünftel der Patienten nachweisen. Falls der SUV-Fahrer tatsächliche Epileptiker ist, müsste auch geklärt werden, ob er dies dem Führerscheinbehörde mitgeteilt hat und ob er die Fristen eingehalten hat.
Epileptikern wird ein Verbot des Fahrens von Fahrzeugen ausgesprochen, der Führerschein wird ihnen nicht entzogen. Erst nach verschiedenen Zeitabläufen, in denen sich nachweisbar keinen Anfall mehr hatten, dürfen sie wieder hinter das Steuer.