Nach SUV-Unfall in Berlin-Mitte: Polizei befragt 50 Zeugen – der Fahrer schweigt
Was führte zum tödlichen Unfall in Berlin-Mitte? Viele Zeugen haben sich gemeldet. Weiterhin offen ist, ob der Fahrer einen epileptischen Anfall hatte.
Nach dem schweren SUV-Unfall am Freitagabend in der Invalidenstraße in Mitte kann die sechsköpfige Ermittlergruppe auf 50 Zeugen zurückgreifen. Das sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Mittwoch dem Tagesspiegel. Am Montagabend hatten Staatsanwaltschaft und Polizei einen Zeugenaufruf veröffentlicht. Jetzt werden die Zeugen nach und nach vernommen. Es geht um Angaben zum Unfallhergang, denn der ist weiter unklar.
Dazu gehört die Frage, unter welchen Umständen es dazu kommen konnte, dass der 42-jährige Fahrer mit seinem SUV Porsche Macan am Freitag gegen 19 Uhr in eine Gruppe von Passanten raste und vier Menschen tötete. Doch es gibt ein Problem: Die meisten Zeugen haben den eigentlichen Unfall nicht gesehen, sondern erst hingeschaut, als sie den Aufprall des Wagens hörten. Auch ein Gutachter wurde eingeschaltet, die Auswertung eines Dashcam-Videos und der Daten des Unfallwagens dauern an.
Die Polizei will zudem prüfen, ob der Mann tatsächlich einen epileptischen Anfall hatte und vor der Fahrt Medikamente eingenommen hatte. Das soll seine 67 Jahre alte Mutter, die bei der Fahrt neben ihm saß, erklärt haben. Die Staatsanwaltschaft gestand am Mittwoch ein, dass sie nicht einfach die Patientenakten beschlagnahmen könne. Denn dafür besteht nach der Strafprozessordnung ein Beschlagnahmeverbot bei Berufsgeheimnisträgern. Wenn sich die Unterlagen in Obhut der Ärzte befinden, können die Ermittler die Akten nicht mitnehmen.
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Bislang ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung. Dafür dürfte ein Richterbeschluss für die Beschlagnahme der Akten nur schwer zu bekommen sein. Damit wächst der Druck auf den Fahrer, sich selbst zu einer möglichen Erkrankung zu erklären. Ein epileptischer Anfall, bei dem Betroffene die Kontrolle über ihren Körper verlieren oder Handlungen ohne Bewusstsein fortführen, lässt sich nur bei einem Fünftel der Patienten nachweisen.
Im Krankenhaus stand der Fahrer unter Polizeischutz
Der 42-Jährige, der in Berlin mit Wohnsitz gemeldet ist und als Unternehmer tätig sein soll, war bei dem Unfall verletzt worden. Im Krankenhaus soll er nach Tagesspiegel-Informationen unter Polizeischutz gestanden haben. Inzwischen ist er entlassen worden. Laut Staatsanwaltschaft hat er sich bislang nicht geäußert und lässt sich durch einen Anwalt vertreten.
Bei dem Unfall an der Kreuzung Invaliden- Ecke Ackerstraße starben eine 64-jährige Frau, ihr drei Jahre alter Enkel und zwei Männer, ein Spanier, 28, und ein Brite, 29, der in Berlin lebte. Die Mutter des getöteten Kindes und ihr weiteres Kind mussten den Unfall mitansehen. Das 64-jährige Opfer lebte laut „Bild“-Zeitung in Hessen, soll dort als Berufsschullehrerin tätig gewesen und im Sommer pensioniert worden sein. In Berlin soll sie zu Besuch gewesen sein, um ihrer Tochter bei der Betreuung ihrer drei Kinder zu helfen.
Der SUV war auf der Invalidenstraße in Richtung Osten auf der Gegenfahrbahn an einer Reihe Autos vorbeigefahren, die an der Ampel warteten. Dann raste der Porsche an der Kreuzung gegen eine Ampel, überschlug sich mehrfach, riss die vier Opfer und einen Bauzaun mit sich.