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Auch das THW suchte mit und noch viel mehr: Bundeswehr, Polizisten, Nachbarn .... vergeblich.
© dpa

Vermisstes Kind in Potsdam: Polizei hält Elias für tot

Der Chefermittler geht im Fall Elias von einem Verbrechen aus. Doch es gibt auch Kritik an Polizeiarbeit bei der Suche nach dem Sechsjährigen aus Potsdam.

Die Polizei geht mehr als fünf Wochen nach dem Verschwinden des sechsjährigen Elias aus Potsdam davon aus, dass der Junge tot ist. „Wir rechnen nicht mehr damit, dass Elias noch lebt“, sagt Michael Scharf, Stabsleiter der Polizeidirektion West. Er gehe von einem Verbrechen aus. Wie berichtet, hatte die Polizei die intensiven Suchmaßnahmen schon vor knapp vier Wochen erheblich reduziert. Der Sprecher der Polizeidirektion West, Christoph Koppe, versuchte zwar die Aussagen des Chefermittlers etwas zu relativieren. Es sei „ein kriminalistischer Erfahrungswert. Je länger jemand vermisst wird, umso unwahrscheinlicher ist es, dass er noch lebend gefunden wird.“ Aus Polizeikreisen wurde dieser Zeitung die Aussage von Scharf, der im Urlaub ist, jedoch bestätigt. Hingegen sagte Sprecher Koppe zu den Angaben im Interview Scharfs in der „Berliner Zeitung“ , dass weder Unfall noch Verbrechen ausgeschlossen werden könnten. Es gebe nach wie vor keinen Anfangsverdacht für ein Verbrechen.

Suchten genug Polizisten?

Kritisch bewertete der innenpolitische Sprecher der brandenburgischen CDU-Landtagsfraktion, Björn Lakenmacher, den Einsatz der Polizei bei der Suche nach dem vermissten Jungen. Er habe den Eindruck, dass die Polizei nicht immer die Kontrolle über die Ermittlungen gehabt habe, so Lakenmacher. Er habe sich gefragt, warum in den ersten Tagen nach dem Verschwinden des Jungen nicht mehr Polizisten angefordert worden seien. Sich der mehreren Hundert Freiwilligen zu bedienen, die sich über soziale Netzwerke im Internet organisiert hatten, und keine zusätzlichen Beamten einzusetzen, sei nicht der richtige Weg. Lakenmacher kündigte an, im Innenausschuss des Landtags einen Bericht über den Einsatz einzufordern.

Seit 8. Juli vermisst: der kleine Elias.
Seit 8. Juli vermisst: der kleine Elias.
© dpa

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Brandenburg, Andreas Schuster, gab zu, es habe Abstimmungsprobleme mit den Freiwilligen gegeben. „Das hat sich verselbstständigt. Wir müssen die Bereitschaft der Bürger künftig besser kanalisieren.“ Zudem kritisierte Schuster, dass es häufige Führungswechsel in der Sonderkommission „Schlaatz“ gegeben habe. Es sei ein „taktischer Fehler“, innerhalb von drei Wochen drei neue Polizeiführer zu benennen. „Wenn ich weiß, dass in der nächsten Woche jemand in den Urlaub geht, brauche ich ihn nicht zum Polizeiführer zu machen. Hier muss Kontinuität hinein.“ Allerdings gebe es auch Stellvertreter, weshalb die Ermittlungsarbeit durch die Wechsel nicht gelitten habe.

Polizeisprecher Christoph Koppe wies die Darstellung von mehrfachen Wechseln in der Soko-Leitung zurück. Der Soko-Chef sei im Urlaub und werde vertreten. „Die Arbeitsfähigkeit der Soko ist immer gewährleistet.“ Auch Kritik an dem Einsatz wies er zurück: „Wir haben von Anfang an alles getan, was wir tun konnten.“ Auch der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jörg Radek verteidigte die Einsatzführung in Potsdam. Die Kollegen hätten großes Engagement gezeigt. Mehr Polizisten hätten nicht unbedingt mehr bewirkt, sagte Radek. „Viel hilft viel“ funktioniere nicht immer. Zudem habe es keinen konkreten Hinweis auf Elias gegeben. „Wenn sie nicht die Idee einer Spur haben, ist das unglaublich schwierig“, betonte er.

Derzeit werden Zeugen vernommen

Eine Spur zu dem Sechsjährigen gibt es auch mehr als fünf Wochen nach Verschwinden nicht. Bislang sind insgesamt mehr als 900 Hinweise bei der Polizei zu dem Fall eingegangen. Mittlerweile sei der allergrößte Teil abgearbeitet, sagte Polizeisprecher Koppe. Neue Hinweise gebe es nur vereinzelt: „Das ebbt alles ab.“ Momentan vernehme die Soko „Schlaatz“, die nach Abschluss der Großsuche wie berichtet auf 15 Polizisten verkleinert wurde, noch Zeugen. „Das ist die normale kriminalistische Arbeit“, erklärte der Sprecher. Wie lange die Zeugenvernehmungen noch dauern, hänge unter anderem auch davon ab, ob sich aus den Befragungen neue Anhaltspunkte ergäben.

Unterdessen fordert die „Initiative Vermisste Kinder“ weiter ein bundesweites Informationssystem für vermisste Kinder wie Elias oder die fünfjährige Inga aus Sachsen-Anhalt. Das System könne schnell viele Menschen erreichen, erklärte Vorstand Lars Bruhns. „Im Zweifel erreicht man so den einen Zeugen, der etwas gesehen hat.“ Die Initiative habe ein System entwickelt, bei dem Vermisstenanzeigen innerhalb kurzer Zeit auf bundesweit 2674 digitalen Bildschirmen in U- und S-Bahn-Stationen, in Fernbahnhöfen und auf Flughäfen gezeigt werden, wenn die Polizei grünes Licht für eine Veröffentlichung gibt.

Im brandenburgischen Polizeipräsidium sieht man das zwiegespalten. Eine vorschnelle Veröffentlichung könne zur Verunsicherung in der Bevölkerung beitragen, sagte Sprecher Rudi Sonntag. Die Polizei müsse zuerst vor Ort die polizeiliche Arbeit durchführen – Familie, Bekannte und Freunde kontaktieren –, bevor eine bundesweite Suche geschaltet werden könne.

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