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Da war die Laune noch besser: Matthias Platzeck auf dem Vorfeld des BER, aufgenommen im Mai 2010.
© dpa
Update

Flughafen in Berlin: Platzeck will vom BER lieber nichts mehr wissen

Matthias Platzeck, ehemaliger Flughafen-Aufsichtsrat und als solcher faktisch gescheitert, sagt zur Stunde vor dem BER-Untersuchungsausschuss aus. Thema ist auch, wie er nach seinem Rücktritt mit dem BER-Desaster umging.

Brandenburgs Ex-Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) hat den Aufsichtsrat des unvollendeten Hauptstadtflughafens, dessen Vizechef er über zehn Jahre war, gegen den Vorwurf des Versagens und der Untätigkeit verteidigt. Im BER-Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses sagte Platzeck am Freitag: Im Kontrollgremium sei "sehr klar und teilweise hart" nachgefragt worden. Berlins Ex-Regierender Klaus Wowereit (SPD) sei exzellent vorbereitet gewesen. Er habe sich "nicht vorstellen können", dass die damalige Geschäftsführung kein zutreffendes Bild der Lage vermittelt. Das "Desaster" sei erst nach der Nicht-Eröffnung deutlich geworden. Auf präzise Nachfragen konnte er sich häufig nicht erinnern. Zur eigenen Rolle sagte Platzeck: "Ich habe mich für das, was schiefgelaufen ist, entschuldigt. Ich hätte als Mitglied des Aufsichtsrates misstrauischer sein müssen."

Platzeck hatte im Sommer 2013 einen Schlaganfall erlitten und war kurz darauf von seinen politischen Ämtern zurückgetreten. Vor dem Untersuchungsausschuss sagte er nun, nach seinem Schlaganfall habe er das Desaster um den BER-Pannenflughafen bewusst verdrängt. Es sei ihm geraten worden zu versuchen, "sich von allem, was belastet zu lösen", der "Flughafen sei das zuvorderst gewesen". So erklärte er seine Erinnerungslücken bei vielen Fragen. Er habe als Privatperson zum BER nichts mehr gelesen, auch nicht den aktuellen Rechnungshofbericht aus Brandenburg. Auf die Befragung hatte sich Platzeck nicht vorbereitet. Er sei in Russland gewesen, habe als Mitglied der Atomkommission und als Schlichter bei der Lufthansa derzeit viel zu tun. "Ich habe relativ ausgefüllte Tage.

Platzeck war einer der Chefkontrolleure des neuen BER-Hauptstadtflughafens, denen der jüngste Rechnungshofbericht faktisch Totalversagen attestiert. Er sagt am heutigen Freitag seit 12 Uhr vor dem BER-Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus als Zeuge aus. Vor der geplatzten BER-Eröffnung 2012 war Platzeck der Stellvertreter von Berlins Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) im Aufsichtsrat. Nach der erneuten Absage eines Eröffnungstermins Anfang 2013 hatte Platzeck bis zu seinem gesundheitsbedingten Rücktritt im Herbst des gleichen Jahres den Vorsitz übernommen. Er war es, der damals Hartmut Mehdorn als BER-Chef holte.

Anders als Klaus Wowereit, der seit seinem Rückzug aus dem Roten Rathaus weitgehend von der Bildfläche verschwunden ist, blieb Platzeck auch ohne Amt öffentlich präsent und aktiv: Er war Schlichter im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn, ist es jetzt bei dem der Lufthansa. Er ist Mitglied der Expertenkommission zum Atomausstieg in Deutschland und engagiert sich im Deutsch-Russischen Forum, wo seine prorussischen, Putin-freundlichen Aussagen Kritik auslösten.

In seiner politischen Karriere hat Platzeck nach dem Oderhochwasser 1997 einen Preis für persönliche Glaubwürdigkeit erhalten. Über seine Verantwortung am BER-Debakel, den größten Misserfolg seines Wirkens als Regierungschef  von 2002 bis 2013, äußerte er sich bislang allerdings nur selten und allgemein, so etwa im Tagesspiegel-Interview nach seiner Rücktrittsankündigung im August 2013. Auf die Frage, wie ihm das mit dem BER passieren konnte, hatte Platzeck damals geantwortet: „Das ärgert mich schwarz.“ Und: „Noch kann ich das in Gänze nicht erklären.“  Damals, im August 2013, erklärte Platzeck auch, dass der Flughafen „in absehbarer Zeit funktionieren“ werde. „Wir können uns ja in drei Jahren noch mal dran erinnern, ich will´s nur jetzt schon gesagt haben, weil es so sein wird.“  Sein Nachfolger Dietmar Woidke (SPD) hatte jetzt im Tagesspiegel-Interview über die Rolle Wowereits und Platzeck gesagt: "Ohne die Fehler, auch die politischen, wäre der Flughafen wahrscheinlich längst eröffnet."

Aktuell steht die für 2017 geplante Eröffnung des BER, dessen Kosten von einst 2,5 Milliarden Euro derzeit auf 6,6 Milliarden steigen, auf der Kippe. Nach dem jetzt veröffentlichten Rechnungshofbericht aus Brandenburg war das Fiasko auf der BER-Baustelle 2012 weit schlimmer als bekannt. Danach war der neue Airport am Tag der Absage der Eröffnung am 8.Mai 2012 gerade einmal zur Hälfte fertig. Und es wurden, so der Bericht, von Wowereit und Platzeck gleich wieder, und wieder ohne belastbare Grundlage, neue Eröffnungstermine festgelegt, die dann ebenfalls platzten.

Der neue Flughafen ist seitdem in jeder Hinsicht eine Baustelle geblieben. Seine Startkapazität liegt statt der jahrelang von allen – auch von Platzeck – verkündeten 27 Millionen Passagieren gerade einmal bei 22 Millionen Passagieren, dem Niveau von Tegel. Ohne eine Weiternutzung des alten DDR-Flughafens Schönefeld gibt es keine Chance, die steigenden Passagierzahlen – 2017 werden 34 Millionen Fluggäste erwartet - der Hauptstadtregion zu bewältigen. Das wiederum führt zu Problemen mit dem auf dem Areal geplanten neuen Regierungsflughafen, um den sich der Streit zwischen Flughafenchef Karsten Mühlenfeld und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) jetzt zuspitzt. Wegen der Kündigung des Mietvertrages für das alte Schönefelder Terminal durch Mühlenfeld fordert Dobrindt eine Sondersitzung des Aufsichtsrates. Das Bundesverkehrsminister wies in einer offiziellen Stellungnahme Aussagen von Mühlenfeld als falsch zurück, dass die Fachebene des Ministeriums – der Flughafenstab – vor der Kündigung mündlich vom Flughafen informiert worden sei. Das hatte Mühlenfeld im Tagesspiegel erklärt. Ein Sprecher des Dobrindt-Ministeriums teilte dazu dem Tagesspiegel mit: „Die Behauptung, die FBB habe die Fachebene auch im Bundesverkehrsministerium mündlich von der Kündigung des Mietvertrages zum Terminal A (SXF) informiert, ist nicht zutreffend. Kein Mitarbeiter vom Stab FBB hat eine solche Information erhalten.“ Nur eine Version kann stimmen.

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