Abgeordnetenhaus: Piraten drohen gleich mit Klage
Das Berliner Abgeordnetenhaus hat sich konstituiert, Ralf Wieland ist zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt worden und die Piraten drohen gleich mal mit einer Organklage. Unser Live-Blog zum Nachlesen.
13:36: Die Stimmen sind ausgezählt, Ralf Wieland, der neue Berliner Parlamentspräsident, verkündet das Ergebnis und es wird klar: Auch die beiden Vizepräsidenten, Andreas Gram für die CDU und Anja Schillhaneck von den Grünen, sind mit breiter Mehrheit gewählt. Recht fix bestimmt das Plenum die weiteren Mitglieder des Präsidiums - sie sind keine Vize, haben also weniger Rechte. Über die gesamte Liste stimmen die Abgeordneten per Handzeichen ab, der Wahlakt geht reibungslos vonstatten.
Nun muss nur noch der Ältestenrat eingesetzt werden, und auch darum wird nicht viel Aufhebens gemacht. Um 13:31 schließt Ralf Wieland die erste Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses.
13:01: Die Würde des Parlaments bemesse sich nicht an Traditionen, sondern am gegenseitigen Respekt und am Umgang miteinander, sagt der neue Berliner Parlamentspräsident Ralf Wieland. Er dankt der FDP für ihr Engagement in den vergangenen Jahren - und begrüßt die Piraten: "Willkommen". "Wir alle warten mit Spannung auf ihre Vorschläge für die Zukunft unserer Stadt." Dann gratuliert Wieland den bereits gewählten Fraktionschefs - auch Ramona Pop und Volker Ratzmann von den Grünen, deren Wahl eine Parteikrise auslöste. Nicht alle Grünen klatschen, manche Hände bleiben verschränkt, die Mienen regungslos.
Nun geht es an die Wahl der Vizepräsidenten. Eine Vorstellung gibt es nicht, sondern es werden direkt wieder die Wahlkabinen aufgebaut.
12:45: Der SPD-Finanzexperte Ralf Wieland ist zum neuen Berliner Parlamentspräsidenten gewählt worden. Der 54-jährige Speditionskaufmann, der keinen Gegenkandidaten hatte, erhielt 129 von 149 Stimmen. Elf Parlamentarier votierten gegen ihn bei neun Enthaltungen. Wieland löst Walter Momper (SPD) ab, der bei der Berliner Wahl Mitte September aus Altersgründen nicht mehr angetreten war. Als erster Gratulant kommt Klaus Wowereit zu Wieland.
12:33: Nacheinander treten die Abgeordneten in eine der vier Wahlkabinen. Im Plenum herrscht Geschäftigkeit, in kleinen Gruppen stehen die künftigen Kollegen beieinander und plaudern. Während die Wahl zum neuen Parlamentspräsidenten läuft, ist Zeit für lockeres Beisammenstehen. Noch bleiben die Piraten eher unter sich, während viele andere sich in der Mitte des Plenarsaals tummeln.
Jetzt werden die Wahlzettel ausgezählt. Pirat Simon Kowalewski nutzt die Gelegenheit für eine Raucherpause vor dem Parlamentsgebäude und gibt zu Protokoll, dass er eine Klage gegen die Geschäftsordnung vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof unterstützen würde - schon aus "rechtlichem Klarstellungsinteresse". Das haben wohl mehrere Piraten: Einige haben die Geschäftsordnung abgelehnt. Eine gemeinsame Linie der Fraktion zum Thema einer möglichen Organklage gibt es aber noch nicht.
Im Plenarsaal fand Kowalewski reichlich Unterlagen auf seinem Tisch - die er gar nicht wollte. "Das war für mich eine Konfrontation mit Leuten, die noch Dinge auf Papier haben wollen", sagt Kowalewski. "Ich hätte am liebsten nur einen leeren Tisch, auf den ich meinen Rechner stellen kann". Der Berliner Chefpirat Andreas Baum sagt, es sei ein besonderes Gefühl gewesen, endlich im Plenarsaal Platz zu nehmen - und Verantwortung übernehmen zu dürfen.
12:15: Noch sitzt der bisherige Senat auf den Regierungsbänken. Klaus Wowereit wird dort wohl auch in den kommenden Jahren Platz nehmen können. Für die Senatoren der Linkspartei um Harald Wolf hingegen heißt es bald, Abschied zu nehmen. SPD-Innensenator Ehrhart Körting hat heute klargestellt, dass er dem nächsten Senat nicht wieder angehören wird und von Bildungssenator Jürgen Zöllner ist schon länger klar, dass er aus dem Regierungsgeschäft ausscheidet.
Unterdessen sorgen vor allem die Anträge der Piraten für Spannung. Die Kollegen aus den anderen Fraktionen aber gehen wohlwollend mit den Ideen um: Man wolle im Ausschuss ernsthaft diskutieren, heißt es. Nun spricht Pavel Mayer für die Piraten - und sagt, er sei schockiert, wie wenig Rechte der einzelne Abgeordnete habe. "Die Geschäftsordnung ist eine Misstrauenserklärung an uns selbst", sagt Pavel Mayer. Außerdem kündigt er an, er halte die Geschäftsordnung für unvereinbar mit dem Grundgesetz - und strebe deshalb eine Organklage vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof an. Die Piraten also fahren direkt schweres Geschütz auf. Der Antrag, den Hauptausschuss der Opposition zuzuschlagen, lehnt Rot-Schwarz wir erwartet ab. Zum ersten Mal steht die künftige Regierungsmehrheit. Die Anträge der Piraten hingegen werden an den zuständigen Ausschuss überwiesen. Dann geht es zum nächsten Punkt: der Wahl des Parlamentspräsidenten.
12:00: Es ist eine unterhaltsame Debatte zur Geschäftsordnung, denn es geht um die Frage, wem der Vorsitz im wichtigen Hauptausschuss zusteht. Bisher haben die Fraktionen je nach Größe Zugriffsrecht - zur Debatte steht, ob der Vorsitz künftig der größten Oppositionsfraktion, also den Grünen, zustehen soll. Auch über die Anträge der Piraten wird diskutiert, und der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier beschwert sich, dass er die Anträge erst eine Stunde vor der Sitzung bekam. Absicht der Piraten war das nicht, sie müssen sich an manches einfach noch gewöhnen. Kohlmeier zitiert unterdessen aus einem öffentlichen Protokoll der Piraten, und zwar einen gewissen Martin. Martin Baum, meint Kohlmeier - und liegt damit falsch, denn der Vorname des Piraten-Fraktionschefs ist Andreas. Mit Martin hingegen ist der Parlamentarische Geschäftsführer Delius gemeint. Man muss sich eben noch gegenseitig kennenlernen.
Die altgedienten Abgeordneten fallen sich gegenseitig schon wie gewohnt mit Zwischenrufen ins Wort. Die Piraten hingegen sitzen ruhig auf ihren Plätzen.
11:51: Pirat Heiko Herberg stolpert über den ein oder anderen Namen von Abgeordneten mit türkischen Wurzeln. Die vier jüngsten Abgeordneten müssen alle namentlich aufrufen - als Teil des Konstituierungszeremoniells. Herberg nimmt es mit Humor - und entschuldigt sich charmant. Zwei Piraten tippen mittlerweile auf ihren Laptops. Und Alexander Spies setzt einen kleinen Akzent: nicht mit einem simplen "Ja" meldet er sich anwesend, sondern mit dem Wort: "Ahoi".
Schon sind alle Namen verlesen, und der nächste Tagesordnungspunkt kann beginnen: Das Parlament berät seine Geschäftsordnung. Erst heute früh haben die Piraten zwei Änderungsanträge eingereicht. Sie wollen erreichen, dass kleine Fraktionen sowie einzelne Abgeordnete mehr Rechte bekommen. Fabio Reinhardt tritt ans Rednerpult, um den ersten der beiden Anträge zu begründen. Er fordert, jeder Fraktion solle ein Posten als Parlamentsvizepräsident zustehen und auch die kleinen Fraktionen sollten die Möglichkeit haben, Sondersitzungen einzuberufen - damit auch die kleinen Fraktionen wie die Piraten ihren Wählerauftrag erfüllen können.
Wie das Parlament auf die Neulinge reagiert, erfahren Sie auf der nächsten Seite.
11:28: Piratin Susanne Graf ist eine der vier jüngsten Abgeordneten und beginnt deshalb damit, alle Abgeordneten mit Namen aufzurufen. "Von der SPD: Herr Michael Arndt, und ich soll dazusagen, er ist auf dem Weg hierher." Mit dieser Bemerkung erntet sie den Ersten großen Lacher des Tages - und sie ist damit außerdem die erste Piratin, die am Rednerpult steht. Fehlerfrei und mit klarer Stimme ruft Graf die Abgeordneten auf - auch jene mit schwierig auszusprechenden Namen.
Ein weiterer Pirat, ein Sozialdemokrat und eine Grüne sitzen am Tisch des Präsidiums. Als nächster tritt Joschka Langenbrinck (SPD) an das Pult und ruft weitere Namen auf. Die Aufgerufenen erheben sich, mit einem knappen "Ja" melden sie sich als anwesend. Nur Clara Herrmann von den Grünen ist offensiver: Jawoll, ruft sie mit lauter Stimme.
11:20: Erst wenige Minuten spricht Uwe Lehmann-Brauns, schon zeigt sich Andreas Baum ganz piratig. Er zückt unter dem Tisch sein Smartphone. Auch Simon Kowalewski und Christopher Lauer greifen zum Telefon. Der Twitter-Kanal zur Konstituierung muss schließlich bestückt werden. Die übrigen Piraten tun, was auch die anderen tun: Sie hören zu. "Ich sehe uns alle in der Pflicht, dieser Stadt zu dienen", mit diesen Worten schließt Lehmann-Brauns seine Rede über Berlin und seine Geschichte.
11:15: Es spricht Uwe Lehmann-Brauns. Er ist der älteste Abgeordnete und darf daher die Sitzung eröffnen. Sicherheitshalber fragt er noch einmal nach, ob jemand im Saal älter ist als er - Glück gehabt, Lehmann-Brauns darf auf seinem Platz bleiben. Eine Viertelstunde darf er nun reden und bittet erst einmal um eine Schweigeminute für die Opfer des Erdbebens in der Türkei. Alle erheben sich, falten die Hände, senken die Kopfe.
11:11: Applaus für die Piraten: Als neue Fraktion werden sie gesondert begrüßt, und die Abgeordneten der anderen Parteien klatschen Beifall. Den gibt es auch für Walter Momper, Egon Bahr und weitere Ehrengäste, die gekommen sind. Ein SPD-Abgeordneter hat heute Geburtstag, auch ihm wird applaudiert.
Ihre Sitzordnung haben die Piraten übrigens ausgelost. Die vorderen Plätze für die Fraktionsführung waren gesetzt, der Rest war dem Losglück überlassen. Ganz hinten gelandet sind Gerwald Claus-Brunner und Pavel Mayer.
11:05: Großes Hallo im Plenarsaal. Klaus Wowereit parliert mit grünen Abgeordneten, Piraten-Fraktionschef Andreas Baum plauscht mit Frank Henkel. Jetzt ertönt der Gong. Die Sitzung wird eröffnet. Fünfzehn Piraten sitzen bereit, ganz vorne Andreas Baum und Martin Delius.
10:57: Auch Pirat Gerwald Claus-Brunner ist da. Er trägt nicht nur seinen Blaumann, der diesen Namen kaum verdient, denn heute ist er stilecht orange. Claus-Brunner hat außerdem noch eine neongelbe Bauarbeiterjacke an und dazu natürlich sein obligatorisches Piraten-Kopftuch. Fraktionschef Andreas Baum trägt sportliche Schuhe, aber Hemd, Simon Weiß ist im Kapuzenpulli gekommen, Christopher Lauer im Dreiteiler mit Krawatte. Auch modisch also bringen die Piraten Vielfalt ins Parlament.
10:44: Im Abgeordnetenhaus sind die Piraten Tagesgespräch. "Ist ja auch spannend, ne?" sagt eine Dame im Aufzug zu ihrem Kollegen. Zumindest die Frage, wann die Neulinge alle ihre Räume haben werden und die FDP endgültig ausgezogen sein wird, ist nun geklärt: Ende übernächster Woche sei es so weit, sagt Martin Delius von der Piratenpartei. Er habe noch einmal mit dem Liberalen Christoph Meyer verhandelt - und klar gemacht, dass die Piraten nicht bereit sind, sich bis Ende Januar zu gedulden.
In 15 Minuten beginnt die Sitzung und vor dem Plenarsaal hat sich eine kleine Schlange gebildet. Immer mehr Abgeordnete kommen, um ihre Hausausweise abzuholen. Die eigentlichen Sitzreihen aber sind noch völlig leer.
Aufsehenerregende Aktionen sind von den Piraten nachher nicht zu erwarten, aber direkt zwei Anträge zur Geschäftsordnung - dazu später mehr. Klar ist schon: Dank dieser Anträge werden schon heute zwei Piraten an das Rednerpult treten.
10:30: Die Laune bei den Piraten ist bestens: Singend und mit tänzelndem Schritt stürmt Alexander Morlang eine der großen, mit samtigem roten Teppich belegten Treppen hinunter.
10:05: Anja Schillhaneck ist zu den Piraten gekommen. Heute soll sie für die Grünen zur Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses gewählt werden, nun stellt sie sich den Neulingen vor. Wie es aussehe mit dem Twittern auf der Besuchertribüne, wollen die Piraten wissen, noch nämlich verbietet die Hausordnung das. Schillhaneck zeigt sich offen gegenüber den Ideen der Piraten für mehr Transparenz. Und sie akzeptiert auch, dass ihr direkt das kollektive Du angeboten wird - so sei es schließlich bei den Piraten üblich. Schillhaneck verabschiedet sich freundlich, dann ziehen sich die Piraten zurück. Ein Weilchen wollen sie unter sich sein, ohne die Journalisten. Vorher aber steht Christopher Lauer noch einem Reporter des ZDF Rede und Antwort. Er muss erklären, dass er einfach so eine Krawatte trägt und daraus keine tieferen Einsichten abzuleiten seien.
10:00: Um elf beginnt die Sitzung des Abgeordnetenhauses. Aber schon um viertel nach neun treffen sich die Piraten, um gemeinsam in den Tag zu starten. Neun der fünfzehn Abgeordneten sind um halb zehn bereits eingetrudelt. Müde sei sie, sagt Susanne Graf, die mit 19 Jahren das jüngste Mitglied des künftigen Parlaments sein wird. Erst um zwei Uhr konnte sie einschlafen und eine Stunde, bevor ihr Wecker klingelte, war sie schon wieder wach. Den Fernsehteams, die sie vor dem Parlamentsgebäude abfangen, steht sie trotzdem Rede und Antwort.
Drinnen bekommen die Piraten ihre Hausausweise - endlich. Heute erst werden sie schließlich tatsächlich zu Abgeordneten. Martin Delius, Parlamentarischer Geschäftsführer, muss in den Plenarsaal, um seinen Ausweis abzuholen, vorbei an den Anwesenheitslisten, auf denen sich die Piraten künftig eintragen müssen. "Was ist das denn?", fragt Delius und gibt sich selbst die Antwort: "keine Ahnung".
9:45: Vor fünfeinhalb Wochen wurde gewählt, heute nun kommt das Berliner Abgeordnetenhaus zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die 149 Parlamentarier wählen den Parlamentspräsidenten und seine zwei Stellvertreter. Für das Spitzenamt kandidiert der SPD-Politiker Ralf Wieland. Um die Vizeposten bewerben sich der CDU-Rechtsexperte Andreas Gram und die Grünen-Abgeordnete Anja Schillhaneck.