Gestohlene Krebsmedikamente: Pharmaskandal in Brandenburg: Patienten haben keine Priorität
Im Lunapharm-Skandal um gestohlene Krebsarznei hat Brandenburg erst elf Betroffene identifiziert.
Bei der Aufklärung des Pharmaskandals um illegal gehandelte Krebsmedikamente standen die Patienten für die Brandenburger Behörden nicht an erster Stelle. Erst vergangene Woche – sieben Wochen nach dem Bekanntwerden des Skandals durch einen Fernsehbeitrag des ARD-Magazins „Kontraste“ – wurde begonnen, Patienten ausfindig zu machen, die gestohlene, womöglich unwirksame Krebsmedikamente verabreicht bekamen, die über den Pharmahändler Lunapharm in Mahlow ausgeliefert wurden.
Nach derzeitigem Stand wurden in Brandenburg acht Apotheken mit illegalen Chargen beliefert, elf Patienten seien identifiziert, wie der Präsident des für die Arzneimittelaufsicht zuständigen Landesamtes für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG), Detlev Mohr, am Mittwoch im Fachausschuss des Potsdamer Landtags mitteilte. Ob die Betroffenen nun überhaupt wissen, dass sie Betroffene sind, ist unklar. Die Aufklärung der Patienten obliege den behandelnden Ärzten, sagte Mohr.
Dass Brandenburg – anders als Berlin und andere Länder – so spät mit der Patientensuche begann, begründet Mohr mit Überlastung. „Wir mussten Prioritäten setzen“, sagte der Präsident. Diese lagen demnach nicht bei der Patientenberatung. Brandenburg habe bei der Aufklärung des Skandals eine besondere Situation, da der betroffene Händler in Brandenburg sitze, verteidigte sich Mohr gegen Nachfragen von Abgeordneten. „Ich verstehe, dass Sie sich wünschen, dass es schneller geht. Aber alle Bundesländer melden sich hier“, sagte Mohr, der anders als die vergangenen Woche als Gesundheitsministerin zurückgetretene Diana Golze (Linke) immer noch im Amt ist – obwohl er eineinhalb Jahre lang die Dimension nicht erkannte.
220 Patienten in Berlin und Brandenburg haben die Mittel bekommen
Zunächst hätten Anfragen anderer Behörden abgearbeitet werden müssen, sagte Mohr. Vergangene Woche schließlich hätten Mitarbeiter des Landesamtes die Apotheken aufgesucht, die laut Versandlisten Praxen mit den inzwischen zurückgerufenen Medikamenten belieferten. Diese wiederum informierten die Ärzte. Noch gebe es nicht von allen Rückmeldungen, aber er rechne nicht mit einem „sprunghaften Anstieg“ der Betroffenenzahl.
Die Berliner Gesundheitsverwaltung hatte bereits Mitte August mitteilt, dass in Berlin und Brandenburg 220 Patienten die Mittel bekommen hätten. Ob die Medikamente in ihrer Wirksamkeit herabgesetzt waren, lässt sich noch immer nicht beantworten. Bislang liegen laut Mohr die Ergebnisse von 21 der 31 getesteten Rückstellproben vor. Dabei seien keine Mängel festgestellt worden. Was nur bedingte Aussagekraft hat, weil davon auszugehen ist, dass die Firma unbedenkliche Muster für Kontrollen zurückbehielt.
Noch in diesem Jahr sollen nun zwölf neue Stellen für die Arzneimittelaufsicht geschaffen werden, wie Interims-Minister Stefan Ludwig (Linke) im Ausschuss ankündigte. Verbunden mit der Erklärung: „Das Patientenwohl steht für uns im Vordergrund.“
Marion Kaufmann