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Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD).
© Kai-Uwe Heinrich

Pharma-Skandal in Brandenburg: Berlins Gesundheitssenatorin Kolat will die Arzneimittelaufsicht verstärken

Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kolat möchte zwölf neue Fachleute für die Arzneimittelaufsicht. Brandenburg habe im Lunapharm-Skandal zu langsam reagiert.

Die Brandenburger Gesundheitsministerin Diana Golze, Linke, ist zurückgetreten. Offenbar konnte sie den Eindruck nicht ausräumen, zu langsam reagiert zu haben. Wie reagiert Berlin, wenn bekannt wird, dass Pharmahändler hier illegale Medikamente verkaufen?

Die Arzneimittelaufsicht und meine Verwaltung haben in diesem Fall sofort reagiert, und wir konnten mit einem systematischen Verfahren bisher 223 betroffene Patienten ausfindig machen. Wir sind aber auf schnelle und umfassende Information in erster Linie durch das Ursprungsland – in diesem Fall Brandenburg – angewiesen. Sobald Informationen vorliegen können wir schnell handeln. Bitter ist, dass im aktuellen Fall die Medikamente längst verkauft waren, als die Arzneimittelaufsicht in den Apotheken ankam. Nicht weil unsere Aufseher zu langsam waren, sondern, weil sie zu spät informiert wurden. Die Brandenburger Behörden haben offensichtlich zu langsam und nicht angemessen reagiert. Für mich steht der Patientenschutz im Mittelpunkt. Die Arzneimittelaufsicht muss schlagkräftig ausgestattet sein, damit sie in solchen Fällen schnell reagieren kann.

Wie viele Kontrolleure kümmern sich in Berlin darum, dass in Apotheken, bei Arzneimittelherstellern und Pharmahändlern alles stimmt?

Derzeit hat die Arzneimittelaufsicht im Landesamt für Gesundheit und Soziales 12,5 Apothekerstellen. Dass dies ein wichtiger Bereich ist, war mir schon bei meinem Amtsantritt klar. Daher hatte ich bereits in den Verhandlungen für den Haushalt 2018/19 für eine Aufstockung gekämpft. Wir brauchen aber noch mehr: Mein Ziel ist eine Verdoppelung der Arzneimittelaufsicht auf insgesamt 24,5 Apothekerstellen plus unterstützendes Verwaltungspersonal.

Im Oktober trifft sich die Arbeitsgruppe für Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen der Länder. Was wird Berlin anregen?

Wir werden noch im September mit allen betroffenen Fachleuten über die Lehren sprechen, die aus diesem Fall zu ziehen sind. Klar ist jetzt schon, dass wir auf jeden Fall eine bessere Koordinierung der Länder durch den Bund brauchen, wenn offensichtlich die zuständige Landesbehörde dazu personell nicht in der Lage ist, wie im Fall Brandenburg. Möglicherweise muss auch das Arzneimittelgesetz nachgebessert werden. Aus meiner Sicht sind aber die undurchsichtigen Handelsketten über verschiedene Länder ein Grundproblem. Da ist eine nachvollziehbare Dokumentation und Kontrolle schwer möglich. Das muss unterbunden werden.

Generell können sich Kriminelle im Gesundheitswesen auf hohe Gewinne verlassen. Erstens weil viel Geld im System zirkuliert. Zweitens weil nur wenige Experten bei all den Vorschriften, die Krankenkassen, Kliniken, Apotheken, Pflegedienste betreffen, durchblicken. Reichen die Ermittler bei Polizei und Staatsanwaltschaft?

Berlin geht schon mit gutem Beispiel voran, denn wir haben eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für diesen Bereich. Im Bereich Pflege gelingt die Bekämpfung von Missbrauch und Betrug immer mehr. Wir haben zum Beispiel auch die Bezirke personell bei der Kontrolle von Pflegebedarf gestärkt. Die Pflegekassen haben mehr Kontrollrechte bekommen, die sie auch nutzen müssen. Das Wichtigste: Die Bezirke und vor allem die Pflegekassen bekämpfen Betrugsfälle gemeinsam vernetzt. Im deutschen Gesundheitswesen ist so viel Geld zu verdienen, dass dies auch Kriminelle anlockt, das darf man nicht unterschätzen. Spezialisten brauchen wir daher auch dringend in der Strafverfolgung.

Dilek Kolat (SPD), geboren 1967, wurde 2001 ins Abgeordnetenhaus gewählt. Seit Dezember 2016 ist Kolat Gesundheitssenatorin. In der Vorgängerkoalition leitete sie das Arbeitsressort.

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