Demente Bewohner erkennen Heimpersonal nicht: Pfleger wollen selbst über das Maske-Tragen entscheiden
Obwohl fast alle Bewohner und Pfleger zweifach geimpft sind, gilt in Heimen nach wie vor Maskenpflicht. Der Senat könnte das kommende Woche lockern.
Manchmal, wenn es machbar ist, tritt Erika Prinz ein paar Schritte zurück, nimmt die Maske kurz ab und sagt: „Ich bin es doch, die Erika!“ Das würde sofort alles ändern, sagt die Krankenschwester. Denn unter der Maske sei sie für leicht demente ältere Menschen kaum erkennbar, sie würden wieder wie Kinder, sagt sie, hätten Angst vor dem Unbekannten, also auch vor ihr.
Prinz ist seit 35 Jahren im Beruf. Seit drei Jahren arbeitet sie in der vollstationären Pflege im Caritas-Seniorenheim Franz-Jordan-Stift in Waidmannslust. „Ich habe hier Corona von Anfang an mit allen bitteren Konsequenzen durchlebt“, sagt sie: „Erst war es eine Seuche in Asien, plötzlich war sie hier und dann auch bei uns im Heim. Es gab Erkrankte und dann sind sogar Bewohner gestorben.“
Für viele Pflegende sei das eine dramatische Erfahrung gewesen, sagt Erika Prinz. „Und natürlich haben wir alle versucht, die anderen und uns zu schützen, erst mit selbstgenähten Stoffmasken, dann mit den blauen OP-Masken und schließlich mit den FFP2-Masken. Doch inzwischen fragen wir uns immer häufiger, warum wir die noch immer tragen müssen.“
Schließlich seien im Heim seit Januar 2020 mehr als 90 Prozent der Bewohner geimpft worden. Bei den Beschäftigten dürfte es ein ähnlich hoher Prozentsatz sein, außerdem werden diese auch noch mindestens zweimal pro Woche getestet. „Und trotzdem müssen die Pflegekräfte bei jedem Waschen oder Duschen, jedem Toilettengang, jeder Berührung eine Maske tragen“, sagt Erika Prinz. „Obwohl sie ebenso zweimal geimpft sind wie die Bewohner. Das ist gerade bei den sommerlichen Temperaturen jetzt sehr belastend. Deshalb würden wir uns alle wünschen, dass man den Beschäftigten die Möglichkeit gibt, selbst darüber zu entscheiden, ob sie beim Umgang mit den geimpften Heimbewohnern eine Maske tragen oder nicht.“
Claudia Appelt, die Sprecherin der Caritas-Altenhilfe, die in Berlin acht und in Brandenburg vier Pflegeeinrichtungen betreibt, kennt die Problematik nur zu gut. „Pflege ist eben oft schwere Arbeit“, sagt sie: „Und mit Maske wird sie noch schwerer.“
Deshalb hoffen so viele Betroffene jetzt auf die neue Pflegemaßnahmen-Corona-Verordnung des Senats, die in der kommenden Woche in Kraft treten soll. „Es wäre wirklich an der Zeit, die Maskenpflicht in den Heimen, die durchgeimpft sind, aufzuheben“, sagt Claudia Appelt. Auch dass geimpfte Besucher, wenn sie ihre Angehörigen auf deren eigenem Zimmer besuchen, noch eine Maske tragen müssen, sei nicht nachvollziehbar.
Das Lächeln geht verloren
„Es ist einfach traurig, wenn man den lieben Menschen, den man besucht, nicht anlächeln kann“, sagt Dagmar Förtsch aus Waidmannslust. Sie ist 63 Jahre alt und aufgrund ihres Berufs zweimal geimpft. Ihre Mutter ist 91 und nur, wenn sie draußen spazieren gehen, dürfen alle beide ihre Masken abnehmen. „Erst dann sieht man ein Lächeln wirklich, die Augen allein können das nicht so ausstrahlen“, sagt Dagmar Förtsch.
Ihr Ehemann Armin Förtsch ergänzt: „Meine Mutter, die ebenfalls im Heim lebt, hört schwer und ist leicht dement. Sie erkennt mich noch, kann mich aber nur verstehen, wenn sie meine Lippen sieht. Nach draußen kann sie nicht mehr. Deshalb wäre es sehr wichtig, dass ich im Zimmer bei ihr die Maske abnehmen kann. Zumal ich auch schon zweimal geimpft bin.“
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Dass es nicht nur aus physischer, sondern auch aus psychischer Sicht geboten wäre, die Maskenpflicht dort aufzuheben, wo es nicht unbedingt notwendig ist, erzählen und meinen viele Altenpfleger. So hat eine Ergotherapeutin die Erfahrung gemacht, dass bei den Beschäftigungsgruppen, die jetzt wieder angeboten werden können, manche ältere Menschen gehemmt wirken: „Wenn man mit Maske in den Gruppenraum kommt, bleiben sie oft passiv und stumm. Wenn man aber die Maske abnimmt, sich vorstellt und lächelt – dann fassen sie Vertrauen und werden aktiv.“
Die Hoffnung auf einen baldigen Wegfall der strengen Maskenpflicht, zumindest als Option für Geimpfte oder Getestete, muss der Sprecher der Senatsverwaltung für Gesundheit, Moritz Quiske, allerdings ein wenig dämpfen – zumindest was die Maskenpflicht für das Personal angeht.
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Die habe der Bund im Rahmen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung geregelt. Danach muss bei Unterschreiten des Mindestabstands von 1,50 Metern ein Mund-Nasen-Schutz beziehungsweise eine FFP2-Maske getragen werden. „Landesrechtliche Regelungen dürfen davon nicht abweichen“, sagt Quiske.
Allerdings seien einige andere Lockerungen vorgesehen. Den Details könne er noch nicht vorgreifen. Immerhin antwortete Quiske auf die Frage, ob geplant sei, die Maskenpflicht in den Zimmern der Heimbewohnern zu lockern: „Ja, es ist geplant, dass von der Pflicht, eine FFP2-Maske zu tragen, abgewichen werden kann.“
Für Dagmar und Armin Förtsch wäre das eine große Erleichterung, zumal die Neufassung der Berliner Pflegemaßnahmen-Covid-19-Verordnung bereits am kommenden Freitag veröffentlicht und am Tag darauf in Kraft treten soll.
„Wenn dann noch der Zwang, sich 24 Stunden vorher für einen Heimbesuch anzumelden, für Geimpfte entfällt, könnte ich meine Mutter auch mal ganz spontan besuchen“, sagt Armin Förtsch: „Und sie dann endlich wieder lächelnd in den Arm nehmen. Das wäre schön!“