Digitalisierte Behörden: Per Mausklick in die Sackgasse: Online-Service der Ämter kommt nur langsam voran
Beim elektronischen Zahlen und bei der Kfz-Zulassung gibt's zwar Fortschritte - aber ansonsten lässt der digitale Service noch viele Wünsche offen.
Wer online einen neuen Personalausweis beantragen will, landet derzeit nach wenigen Klicks in einer Sackgasse: Zwar lässt sich digital ein Termin buchen und – mit etwas Glück – noch am selben Tag ein freies Zeitfenster finden, alles Weitere funktioniert aber nur analog. Das biometrische Passbild sowie die erforderlichen Unterlagen muss der Antragsteller selbst ins jeweilige Bürgeramt bringen, auch bezahlt wird vor Ort – allerdings ausschließlich elektronisch, die traditionelle Barzahlung hat ausgedient.
Grundlage ist das E-Government-Gesetz (EGovG)
Auf diesen Punkt ist Sabine Smentek (SPD) stolz. Am 10. Dezember hatte die Staatssekretärin für Informations- und Kommunikationstechnologie in der Senatsverwaltung für Inneres die Mitglieder des Ausschusses für Kommunikationstechnologie und Datenschutz im Abgeordnetenhaus über den Stand der Umsetzung des E-Government-Gesetzes (EGovG) informiert. Der Wortlaut des Berichtes wurde auf Antrag des SPD-Abgeordneten Sven Kohlmeier in einem Protokoll festgehalten – eine eher ungewöhnliche Maßnahme unter Parteifreunden, die auch Smentek nicht gerade als Vertrauensbeweis empfunden haben dürfte.
Daran, dass das Gesetz nach Zeitplan umgesetzt und Verwaltungsverfahren sowie innere Vorgänge ab dem 1. Januar 2020 „zwingend“ elektronisch abgewickelt oder durchgeführt werden können – wie einer Präsentation des Gesetzes zu entnehmen ist – hat unter anderem der FDP-Politiker Bernd Schlömer erhebliche Zweifel. „Frau Smentek hat uns eigentlich gar nichts gesagt“, beklagt der Sprecher der FDP-Fraktion für Digitalisierung, Netzpolitik und Bürgerrechte.
Die Freidemokraten sind "äußerst unzufrieden"
Er zeigte sich „äußerst unzufrieden“ mit dem Umsetzungsstand des im Mai 2016 verabschiedeten Gesetzes und fordert: „Rot- Rot-Grün muss endlich klarmachen, welche Ideen und Maßnahmen sie selbst verfolgen.“ Schlömer fehlen Schwerpunkte, Vorzeigeprojekte oder Meilensteine – kurz, eine Strategie der Koalition –, wie E-Government zum Wohle der Bürger und Verwaltungsmitarbeiter aussehen kann. Über einen Antrag Schlömers auf Erstellung einer „E-Government-Strategie 2019 bis 2022“ wird das Plenum des Abgeordnetenhauses heute abstimmen. Dieser sieht vor, das Parlament „konkret, transparent und kontinuierlich“ über die Umsetzung des EGovG zu informieren.
Smentek, die ihren Posten im Dezember 2016 übernommen hatte und zuvor im Bezirk Mitte Stadträtin war, nahm die Kritik Schlömers gelassen. „Er weiß es besser“, sagte sie und verwies auf die Einführung des elektronischen Bezahlsystems, das künftig auch per PayPal funktionieren soll. Fortschritte gebe es auch bei der Kfz-Zulassung. „Schlangen gehören der Vergangenheit an“, so Smentek, die für die erste Jahreshälfte 2019 eine „intelligente Terminvereinbarung“ inklusive Erinnerungsfunktion ankündigt. Bewohnerparkausweise, das Elterngeld oder die Gewerbe-An- und Ummeldung könnten bereits vollständig online beantragt werden, in diesem Jahr soll der Wohngeldantrag hinzukommen.
Laut Bundesgesetz müssen Bürger oft persönlich erscheinen
Zu ihrer Verteidigung führt sie an, dass Bürger häufig – wie beispielsweise bei der Beantragung eines Personalausweises – persönlich beim Amt erscheinen müssen, weil Bundesgesetze das so vorsehen. „Ich sage selbst einmal die Woche: ,Das muss alles schneller gehen‘“, so Smentek. Berlin sei aber nun mal kein Start-up, jeder Schritt betreffe Tausende Mitarbeiter.
Dennoch: Die Liste der Erfolge bleibt übersichtlich. Und auch Ausschussmitglieder der Regierungsfraktionen sehen die Einführung der elektronischen Akte bis zum 1. Januar 2023 – das zentrale Projekt des EGovG – gefährdet. Einer von ihnen würde gar eine Wette darauf setzen, „dass das nie im Leben was wird“. Laut Smentek wurde die Ausschreibung für die elektronische Akte im Dezember veröffentlicht – viel zu spät, meinen Fachpolitiker.
Mit Kritik an ihrer Person kennt sich Sabine Smentek aus. CDU-Fraktionschef Burkard Dregger, der das Gesetz in der vergangenen Legislatur mit ausgearbeitet hatte, kritisierte direkt nach Ernennung Smenteks, die Position werde „einer abgewählten SPD-Funktionärin aus innerparteilichen Proporzgründen“ zuteil, und sprach von einem „Versorgungsposten“. Am Montag legte Dregger nach und kritisierte in einem Interview: „Ohne zentrale politische Steuerung geht es nicht. Die aber fehlt.“
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