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Die Kliniken liegen flach. In den landeseigenen Krankenhäusern fehlen mehrere hundert Pflegerinnen und Pfleger. Das beklagen zumindest Betriebsräte.
© ddp

Gesundheitswesen: Patient Krankenhaus

An der Charité und bei Vivantes fehlen nach Angaben der Betriebsräte insgesamt mehr als 500 Pfleger und Schwestern. Kliniken und Senat sind sich des Problems bewusst.

Die Berliner Landeskliniken bekommen ihr Personalproblem kaum in den Griff. An der Charité und bei Vivantes würden zusammen mehr als 500 Schwestern und Pfleger fehlen, beklagen Betriebs- und Personalräte. An der Charité ist für den 17. März sogar eine kleinere Station geschlossen worden. Die Patienten der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung auf dem Weddinger Gelände der Klinik sind dazu in andere Stationen verlegt worden. Dies bestätigte eine Kliniksprecherin.

Auslöser waren neben der offenbar knappen Zahl eingeplanter Pflegekräfte vor allem krankheitsbedingte Ausfälle. Womöglich hätte man die Station offen halten können. Doch der Personalrat stimmte weiteren Überstunden der dortigen Schwestern und Pfleger nicht zu. Nicht ausgeschlossen ist also, dass künftig andere Stationen wegen zu knapper Besetzung vorübergehend nicht mit Patienten belegt werden.

Die Arbeitnehmervertreter wollen stärker auf die Einhaltung von Dienstplänen achten, man werde „konsequent auf Unterbesetzung reagieren“, sagte Charité-Personalratschef Carsten Becker. Das Anhäufen von Überstunden soll verhindert werden. Die von den Pflegekräften gesammelten Überstunden entsprechen Personalratsangaben zufolge 80 neuen Stellen. Zur Charité gehören Kliniken in Mitte, Wedding, Steglitz und Buch. Um an allen Standorten eine gute Versorgung zu garantieren, seien bis zu 300 zusätzliche Schwestern und Pfleger nötig, sagte Becker.

Die Klinikleitung bestätigte die Zahlen am Montag nicht. Allgemein sei mehr Personal aber besser. Die Charité beschäftigt derzeit rund 3400 Pflegekräfte. Aus dem Haus von Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD), die Vorsitzende des Charité-Aufsichtsrates ist, hieß es: Der Senat nehme das Problem ernst, man werde sich erneut damit befassen.

Den Personalräten zufolge gibt es Nachtschichten, in denen eine Pflegerin formal für bis zu 30 Patienten zuständig ist. „Wir schauen uns jetzt jeden Dienstplan genau an“, sagte Jörg Pawlowski, der die unmittelbar im Krankendienst beschäftigten Mitarbeiter der Universitätsklinik vertritt. Intern wird die Ankündigung der Personalräte von einigen als „kalter Arbeitskampf“ bewertet. Zu einem Streik, so sieht es das Arbeitsrecht vor, darf erst nach offiziellem Scheitern von Tarifverhandlungen und nur von Gewerkschaften aufgerufen werden.

Die Gewerkschaft Verdi wollte in diesen Wochen mit dem Klinikvorstand eigentlich über die Arbeitsbedingungen verhandeln – also über bessere Besetzung der Stationen. Doch das tarifliche Festschreiben von Personalbesetzungen hält die Charité-Leitung nach eigener Auskunft für problematisch. Die Arbeitnehmer können dann die Besetzung von Schichten notfalls von Gerichten beurteilen lassen.

Auch bei Vivantes gibt es ein Personalproblem. Dies sieht zumindest Betriebsratschef Giovanni Ammirabile so. Ein Stellenplan dürfe sich nicht vorrangig an ökonomischen Kennzahlen orientieren, sondern an den Patienten und ihren Diagnosen. In den acht Vivantes-Kliniken fehlten „einige hundert“ Schwestern und Pfleger. Die Konzernleitung teilte auf Anfrage mit, grundsätzlich sei „die Arbeitsbelastung gestiegen“. Eine Entwicklung, „die wir sehr ernst nehmen“.

Immer wieder hatten die Chefs von Vivantes und Charité von Krankenkassen und Politik eine bessere Finanzierung verlangt. Beide landeseigenen Großkliniken müssen derzeit ihre zahlreichen, über die Stadt verteilten Häuser sanieren. Während der Staat für die Finanzierung von Gebäuden und Technik aufkommt, müssen die laufenden Kosten für Personal, Energie und Medikamente laut Gesetz mit den Geldern der Krankenkassen bestritten werden. Oft liegen die Mittel der Landesregierungen und Kassen unter den Preissteigerungen für Güter und Dienstleistungen.

Die Bundesregierung hatte angekündigt, mit einer Milliarde Euro den Krankenhäusern in Deutschland zu helfen. Noch muss darüber im Bundesrat abgestimmt werden. Für steigende Personalkosten sollen bundesweit bis zu 80 Millionen Euro veranschlagt werden. Das Geld wird von den Krankenkassen kommen, die zuletzt Überschüsse erzielten. Entsprechend kritisch sieht man dort den Plan. Statt kurzfristiger Hilfe für die Kliniken „sollte lieber über tiefgreifende Reformen bei deren Finanzierung nachgedacht werden“, teilte die Barmer mit. Gegenwärtig würden nötige Investitionen nicht einmal zur Hälfte durch Landesmittel finanziert, wie es das Gesetz vorsieht. Die Kassen müssten längst für Sanierungen und Technik herhalten.

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