Hintergrund des Pankower AfD-„Stützpunkts“: Parteitags-Vermieter sympathisierte mit verbotener Partei „Nationalistische Front“
Andreas Geithe stellt der Berliner AfD seine Immobilie zur Verfügung. 1992 wollte er in die „Nationalistische Front“ eintreten.
Für die Berliner AfD ist es das Thema der vergangenen Wochen und Monate: Weil die Partei auf Mietanfragen für Veranstaltungen eine Absage nach der anderen erhält, mussten drei geplante Parteitage in Folge ausfallen. Die längst fällige Neuwahl des Landesvorstands steht aus, zuletzt kamen binnen weniger Wochen gleich zwei Notvorstände ins Amt.
Der inzwischen ehemalige Landeschef Georg Pazderski rief daraufhin den „Demokratienotstand“ aus und forderte Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) auf, zu helfen – vergeblich.
Eine Konsequenz: Bei Immobilien-Angeboten nimmt es die AfD mit dem politischen Hintergrund der Vermieter nicht so genau, wie ihr Bemühen um einen bürgerlichen Auftritt vermuten lässt. So wie in Pankow. Dort sind sowohl Bezirksverband als auch die vier von dort kommenden Mandatsträger im Abgeordnetenhaus seit Jahren Mieter bei Andreas Geithe.
Der steht schon länger im Verdacht, Mitglied der 1992 verbotenen rechtsextremen Partei „Nationalistische Front“ (NF) gewesen zu sein. Vom Tagesspiegel und anderen damit konfrontiert, stritt Geithe das vehement ab – bis heute. Christian Buchholz, Schatzmeister der AfD-Pankow und einer der Mieter Geihtes, sprach von einer „Schlammschlacht und systematischen Verleumdung“ gegen den Parteifreund.
Ein von Geithe handschriftlich ausgefüllter und unterschriebener Aufnahmeantrag liegt dem Tagesspiegel vor und erhärtet diesen Verdacht nun. Aufgetaucht ist die Kopie des Schreibens im antifaschistischen „Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin“ (apabiz), es trägt das Datum vom 29. Oktober 1992.
Weil die NF einen Monat später vom Bundesinnenministerium verboten worden war, ist unklar, ob dem Antrag stattgegeben und Geithes Mitgliedschaft wirksam geworden worden war. Das Schreiben trägt lediglich einen Eingangsstempel. Auch auf dem von Geithe ausgefüllten Personalbogen fehlen jegliche Vermerke der wenig später wegen ihrer „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ und ihrer „aggressiv-kämpferischen“ Agitation verbotenen Partei.
„Bloße Lippenbekenntnisse reichen nicht aus“
Mit seiner Unterschrift erklärte der damals Anfang 20-jährige Geithe seine Übereinstimmung mit den Zielen der NF. Er verpflichtete sich dazu, die „Nationalistische Gemeinschaft zu fördern“ sowie „aktiv für die Durchsetzung der Ziele der NF zu kämpfen“.
Weiter heißt es im Aufnahmeantrag: „Ich bin mir im Klaren darüber, dass bloße Lippenbekenntnisse nicht ausreichen, die nationalistische Idee voranzubringen.“ In der Verbotsverfügung hieß es: „Die NF will den Widerstand und den Kampf gegen das herrschende demokratische ,System‘ führen.“
Es gibt Hinweise darauf, dass sich an Geithes politischer Einstellung seitdem nicht viel geändert hat. In einer internen Mail aus dem April 2019 bezeichnete er sich selbst als „größter Förderer aller Zeiten“ und verwendet die Abkürzung „Gröfaz“. Eine Anlehnung an die Bezeichnung Adolf Hitlers als „größter Feldherr aller Zeiten“, wenn diese auch ironisierend verwendet wurde.
Blaue Kornblume als nationalsozialistisches Symbol
In einer anderen Mail wirbt Geithe für die Pflanzung einer blauen Kornblume und schreibt: „Wir sind der Stachel in der Wohlfühlzone dieser linken Hohepriester.“ Zur Erinnerung: Der aus der AfD-Fraktion ausgeschlossene Andreas Wild hatte mit dem Tragen des von österreichischen Nationalsozialisten verwendeten Symbols mehrfach für einen Eklat gesorgt. Gegen ihn läuft ein Parteiausschlussverfahren.
Innerhalb der Pankower AfD und darüber hinaus sorgt die Personalie Geithe schon länger für Zündstoff. Der seit 2017 amtierende Bezirkschef Michael Adam nennt die NF eine „Terrorgruppe“. In Abstimmung mit dem Pankower Bundestagsabgeordneten Götz Frömming erklärt Adam: Sollte sich Geithes Mitgliedschaft bestätigen, müsse die Kündigung des 2018 von ihm selbst unterzeichneten Mietvertrages in Betracht gezogen werden.
Andere reagieren zurückhaltender. Ronald Gläser, Sprecher der Landespartei und bis zuletzt Mitglied des Landesvorstands, will den Fall nicht kommentieren, ehe die NF-Mitgliedschaft Geithes bewiesen ist. Christian Buchholz und Herbert Mohr, wie Gläser Teil der Abgeordnetenhausfraktion und des Bezirksvorstands, waren für Nachfragen nicht zu erreichen. Sie zählen wie der AfD-Abgeordnete Hanno Bachmann zu Geithes Mietern und betreiben in dessen Immobilie ihre Bürgerbüros.
Geithe nimmt mit Mieten mehr als 2000 Euro ein
Addiert um die vom Bezirksverband gezahlte Miete in Höhe von 1200 Euro dürften sich die Einnahmen Geithes aus den Reihen der nationalistischen Rechten auf monatlich mehr als 2000 Euro summieren.
Zu Gast in seiner Immobilie war auch die Junge Alternative, der vom Verfassungsschutz beobachtete Jugendverband der AfD. Sie tagte zuletzt in Blankenburg, ebenso die AfD-Lichtenberg. Die wählte in Geithes Räumen ihren Vorsitzenden: Karsten Woldeit, innenpolitischer Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion. Die Versammlung leiteten Gläser und Mohr.
Wie intensiv Geithe, laut Gläser „einfaches Mitglied der Partei“, eingebunden ist, belegen interne Papiere. Demzufolge nahm Geithe Anfang Januar an einem als „Abgeordnetenrunde“ titulierten Treffen teil. Dabei waren: Mohr, Buchholz, Bachmann, Gläser und ein weiteres „einfaches Mitglied“.
Bei dem Treffen ging es auch um die von Geithe selbst als „Stützpunkt“ bezeichnete Immobilie in Blankenburg. Von einer Großspende ist in dem von Gläser verfassten Protokoll die Rede – und davon, dass der Mietvertrag auf dem nächsten Parteitag eine Rolle spielen könne. Einig waren sich alle, dem AfD-Bezirkschef Adam den Vertrag nicht vorzulegen.
Geithe soll Immonbilie für AfD-Parteitag bereitstellen
Besonders gut scheint der Draht zwischen Herbert Mohr, Adams Vize, und Geithe. Im Vorfeld des für Ende Januar geplanten AfD-Parteitags setzte Geithe – offenbar in Absprache mit Mohr – einen „Infobrief“ auf. Darin kündigte er an, ab 2020 „einen größeren fünfstelligen Betrag in den Pankower AfD-Stützpunkt“ zu investieren und stellte diesen „im Rahmen der ‚Blauen Hilfe‘ allen Berliner AfD-Bezirksverbänden, dem Landesverband sowie der Jungen Alternative“ zur Verfügung.
Von einer Kapazität von bis zu 450 Personen war die Rede – ausreichend für einen Landesparteitag. Mohr, im Schreiben als Koordinator für einen 24-Stunden-Notruf im Fall von Absage bedrohter Parteiveranstaltungen bezeichnet, kommentierte Geithes Entwurf mit den Worten: „Lieber Andreas, habe vielen Dank für die Ausarbeitung. Bin gespannt, ob der Parteitag stattfindet. Ich glaube es ja nicht. Viele Grüße aus der Fraktionssitzung, Herbert.“